Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Lin Frauenberuf Kreise, so wird in unsrer "Zeit des humanen Strafvollzugs und der Tierschutz¬ "Eine große, anscheinend ganz vergebliche Mühe hatte ich mit einem neun¬ Ein anderes Mädchen, sechsundzwanzig Jahre alt, sollte ich auf Wunsch Ein siebennndzwanzigjähriges Mädchen, das ebenfalls mehrfach vorbestraft Lin Frauenberuf Kreise, so wird in unsrer „Zeit des humanen Strafvollzugs und der Tierschutz¬ „Eine große, anscheinend ganz vergebliche Mühe hatte ich mit einem neun¬ Ein anderes Mädchen, sechsundzwanzig Jahre alt, sollte ich auf Wunsch Ein siebennndzwanzigjähriges Mädchen, das ebenfalls mehrfach vorbestraft <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0245" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302233"/> <fw type="header" place="top"> Lin Frauenberuf</fw><lb/> <p xml:id="ID_1074" prev="#ID_1073"> Kreise, so wird in unsrer „Zeit des humanen Strafvollzugs und der Tierschutz¬<lb/> vereine" kein Widerspruch erhoben werden gegen die Anstellung von weiblichen<lb/> Polizeibeamten, deren Instruktion im Grunde nur in dem Gebote besteht, das<lb/> dem vornehmsten gleich ist. Ist eine Tätigkeit, wie sie die Stuttgarter Polizei-<lb/> assistentin in folgenden Beispielen beschreibt, mit dem Gehalt der Dame zu teuer<lb/> bezahlt? Sie erzählt:</p><lb/> <p xml:id="ID_1075"> „Eine große, anscheinend ganz vergebliche Mühe hatte ich mit einem neun¬<lb/> zehnjährigen Mädchen, das schon mehrfach wegen Unzucht, Diebstahl und Be¬<lb/> trügereien bestraft war. Meine Ermahnung, sich in ein Rettungshaus aufnehmen<lb/> zu lassen, wies sie schroff zurück und verschmähte jede Hilfe. Traurigen Herzens<lb/> ließ ich sie wieder ihrer eigenen Wege gehen. Einige Wochen später hörte ich,<lb/> daß sie auswärts wieder eine längere Gefängnisstrafe wegen Diebstahls zu ver¬<lb/> büßen habe. Gleichzeitig erhielt ich ein längeres Schreiben von ihr, worin sie<lb/> mir mitteilte, daß sie tief bedauere, mir nicht gefolgt zu haben, daß sie jetzt<lb/> aber gerne in ein Rettungshaus gehen wolle, wenn ich mich noch ein letztes Mal<lb/> ihrer annehmen wolle. Ich versprach, sie am Tage ihrer Entlassung aus dem<lb/> Gefängnis abzuholen und nach der Anstalt zu bringen. Durch einen unglück¬<lb/> lichen Zufall erhielt ich aber die Mitteilung des Entlassungstages zu spät, er¬<lb/> fuhr dann jedoch zu meiner innigen Freude, daß das Mädchen, nachdem sie mich<lb/> vergeblich erwartet und kein Reisegeld hatte, zu Fuß in der größten Sonnen¬<lb/> hitze, mehrere Stunden bis zu der Anstalt gegangen sei und um Aufnahme ge¬<lb/> beten habe. Sie ist nun schon einige Monate dort, und ihr gutes Verhalten<lb/> berechtigt zu der festen Hoffnung, daß sie als ein neuer Mensch mit guten<lb/> Grundsätzen später wieder in die Welt zurückkehrt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1076"> Ein anderes Mädchen, sechsundzwanzig Jahre alt, sollte ich auf Wunsch<lb/> ihrer alten verzweifelten Mutter in die Heimat zurückbringen. Widerwillig und<lb/> nur aus Furcht, bald wieder ins Gefängnis zu kommen, reiste sie mit. Bei<lb/> dem Anblick der Mutter und der alten Heimat, die sie noch unschuldig verlassen<lb/> hatte, packte sie jedoch tiefe Reue, und sie versprach mit Tränen, wieder einen<lb/> ordentlichen Lebenswandel zu führen. Sie ist jetzt zur Freude der Ihrigen<lb/> wieder ein fleißiger, rechtschaffener Mensch geworden. Sie schreibt mir häufig<lb/> und noch im letzten Briefe: »Liebe Schwester, ich arbeite seither immer im Feld,<lb/> was mir große Freude macht. Ich weiß gar nicht, wie ich Ihre große Güte<lb/> an mir nur einigermaßen erwidern, wie ich Ihnen für die große Liebe, sowie<lb/> für die viele Mühe, die Sie mit mir hatten, danken soll. Sollten Sie je wieder<lb/> in unsere Gegend kommen, so würde es mich und Mutter herzlich freuen, wenn<lb/> Sie uns mit Ihrem werten Besuche erfreuen würden. Ich habe jetzt auch alle<lb/> Briefe, die mich an mein früheres Leben erinnern, verbrannt usw.«</p><lb/> <p xml:id="ID_1077" next="#ID_1078"> Ein siebennndzwanzigjähriges Mädchen, das ebenfalls mehrfach vorbestraft<lb/> war und Neue zeigte, kam durch mich in einen größeren Haushalt in Stellung.<lb/> Die Dame des Hauses engagierte sie nur auf meine dringende Bitte und nur probe¬<lb/> weise, teilte mir aber nach einem Monat mit, daß das Mädchen sich musterhaft</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0245]
Lin Frauenberuf
Kreise, so wird in unsrer „Zeit des humanen Strafvollzugs und der Tierschutz¬
vereine" kein Widerspruch erhoben werden gegen die Anstellung von weiblichen
Polizeibeamten, deren Instruktion im Grunde nur in dem Gebote besteht, das
dem vornehmsten gleich ist. Ist eine Tätigkeit, wie sie die Stuttgarter Polizei-
assistentin in folgenden Beispielen beschreibt, mit dem Gehalt der Dame zu teuer
bezahlt? Sie erzählt:
„Eine große, anscheinend ganz vergebliche Mühe hatte ich mit einem neun¬
zehnjährigen Mädchen, das schon mehrfach wegen Unzucht, Diebstahl und Be¬
trügereien bestraft war. Meine Ermahnung, sich in ein Rettungshaus aufnehmen
zu lassen, wies sie schroff zurück und verschmähte jede Hilfe. Traurigen Herzens
ließ ich sie wieder ihrer eigenen Wege gehen. Einige Wochen später hörte ich,
daß sie auswärts wieder eine längere Gefängnisstrafe wegen Diebstahls zu ver¬
büßen habe. Gleichzeitig erhielt ich ein längeres Schreiben von ihr, worin sie
mir mitteilte, daß sie tief bedauere, mir nicht gefolgt zu haben, daß sie jetzt
aber gerne in ein Rettungshaus gehen wolle, wenn ich mich noch ein letztes Mal
ihrer annehmen wolle. Ich versprach, sie am Tage ihrer Entlassung aus dem
Gefängnis abzuholen und nach der Anstalt zu bringen. Durch einen unglück¬
lichen Zufall erhielt ich aber die Mitteilung des Entlassungstages zu spät, er¬
fuhr dann jedoch zu meiner innigen Freude, daß das Mädchen, nachdem sie mich
vergeblich erwartet und kein Reisegeld hatte, zu Fuß in der größten Sonnen¬
hitze, mehrere Stunden bis zu der Anstalt gegangen sei und um Aufnahme ge¬
beten habe. Sie ist nun schon einige Monate dort, und ihr gutes Verhalten
berechtigt zu der festen Hoffnung, daß sie als ein neuer Mensch mit guten
Grundsätzen später wieder in die Welt zurückkehrt.
Ein anderes Mädchen, sechsundzwanzig Jahre alt, sollte ich auf Wunsch
ihrer alten verzweifelten Mutter in die Heimat zurückbringen. Widerwillig und
nur aus Furcht, bald wieder ins Gefängnis zu kommen, reiste sie mit. Bei
dem Anblick der Mutter und der alten Heimat, die sie noch unschuldig verlassen
hatte, packte sie jedoch tiefe Reue, und sie versprach mit Tränen, wieder einen
ordentlichen Lebenswandel zu führen. Sie ist jetzt zur Freude der Ihrigen
wieder ein fleißiger, rechtschaffener Mensch geworden. Sie schreibt mir häufig
und noch im letzten Briefe: »Liebe Schwester, ich arbeite seither immer im Feld,
was mir große Freude macht. Ich weiß gar nicht, wie ich Ihre große Güte
an mir nur einigermaßen erwidern, wie ich Ihnen für die große Liebe, sowie
für die viele Mühe, die Sie mit mir hatten, danken soll. Sollten Sie je wieder
in unsere Gegend kommen, so würde es mich und Mutter herzlich freuen, wenn
Sie uns mit Ihrem werten Besuche erfreuen würden. Ich habe jetzt auch alle
Briefe, die mich an mein früheres Leben erinnern, verbrannt usw.«
Ein siebennndzwanzigjähriges Mädchen, das ebenfalls mehrfach vorbestraft
war und Neue zeigte, kam durch mich in einen größeren Haushalt in Stellung.
Die Dame des Hauses engagierte sie nur auf meine dringende Bitte und nur probe¬
weise, teilte mir aber nach einem Monat mit, daß das Mädchen sich musterhaft
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