Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Die Beziehungen der Ägyptischen Nationalpartei zu Frankreich und antienglischcn Darlegungen der ägyptischen Nationalpartei ihre Spalten Warum soll man sich aber über das Interesse Frankreichs an Ägyptens Die Beziehungen der Ägyptischen Nationalpartei zu Frankreich und antienglischcn Darlegungen der ägyptischen Nationalpartei ihre Spalten Warum soll man sich aber über das Interesse Frankreichs an Ägyptens <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0226" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302214"/> <fw type="header" place="top"> Die Beziehungen der Ägyptischen Nationalpartei zu Frankreich</fw><lb/> <p xml:id="ID_1023" prev="#ID_1022"> und antienglischcn Darlegungen der ägyptischen Nationalpartei ihre Spalten<lb/> öffnet, beweist, daß man auch in Frankreich trotz dem Abschluß der Entente<lb/> nicht ohne Mitgefühl und Verständnis für die Klagen der unabhängigkeits-<lb/> durstigen ägyptischen Nationalisten ist, in deren Sinne ja Frankreich selbst<lb/> früher als Rivale Englands auftrat. Der Lali^ (ZrApnie scheute sich ja noch<lb/> im vergangnen Juli nicht, die Inspiratoren für die wachsenden Unruhen in<lb/> Ägypten in Paris zu suchen und die französischen Nationalisten englandfeind¬<lb/> licher Intrigen zu beschuldigen, um nicht gerade offen und direkt einen Arg¬<lb/> wohn gegen die französische amtliche Politik selbst auszusprechen. Denn die<lb/> französischen Nationalisten beschäftigen sich nicht allein mit der Frankreich<lb/> leidenschaftlich interessierenden Frage, wenn auch der üelsir lange Zeit eine<lb/> ständige Rubrik: Lss^xts aux L^xtisns führte. Der Hauptverbreiter der<lb/> ägyptisch nationalistischen Ideen ist vielmehr der schon erwähnte löwxs, und<lb/> der gehört zu den Gegnern der französischen Nationalisten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1024"> Warum soll man sich aber über das Interesse Frankreichs an Ägyptens<lb/> Ergehen wundern? Was an moderner Kultur in Ägypten steckt, geht auf<lb/> Frankreich zurück. Die Gesetzbücher der gemischten Tribunale haben französische<lb/> Muster und sind teilweise aus französischen Gesetzbüchern abgeschrieben. Die<lb/> Gerichtssprache war französisch. Nach Frankreich gingen und gehn noch heute<lb/> die vornehmen und reichen Ägypter, um Studien zu machen, und französisch ist<lb/> die Rechtsschule in Kairo; die französische Rechtsauffassung ist seit langen<lb/> Jahren im Pharaonenlande verbreitet. Hier wurden die Anhänger der heutigen<lb/> Nationalpartei geschult und ausgebildet. Als die französische Presse gegenüber<lb/> England noch eine freie Sprache führte, sagte zum Beispiel das ^ourugl ass<lb/> DizdAls im Februar 1902, daß Lord Cromer den damals bestehenden unent¬<lb/> geltlichen Unterricht für die Ägypter abschaffen wolle, nicht weil er, wie er in<lb/> seinem berühmten Bericht hervorhob, der Meinung sei, daß zu viel Unterricht<lb/> die Vorliebe der Ägypter für sichre Staatsbeamtenstellen ins ungemessene<lb/> steigere, sondern weil er den französischen Unterricht tödlich treffen wolle. Und<lb/> das wird erklärlich, wenn man daran denkt, daß die zahlreichen französischen<lb/> Schulen der verschiedensten Art 1902 noch von 16000 ägyptischen Schülern<lb/> besucht wurden. Die französischen Schulen standen ja auch durchschnittlich auf<lb/> einem höhern Niveau als die Schulen der anglo-ägyptischen Regierung, die<lb/> nach Lord Cromers Plan den Ägyptern allmählich alle Ausbildung entziehn<lb/> und den Unterricht für die Eingebornen auf einen reinen Handfertigkeits¬<lb/> unterricht beschränken wollte. Man darf ferner nicht vergessen, daß 1904 noch<lb/> zwei Drittel der ganzen ägyptischen Schuld in französischen Händen war, und<lb/> daß es nach einer Statistik derselben Zeit in Ägypten hundert große französische<lb/> Handelshäuser und für fünfzig Millionen Franken Grundbesitz gab. Im ganzen<lb/> standen damals mehr als zwei Milliarden französisches Kapital in Ägypten,<lb/> und dieses zahlt Frankreich bellte noch jährlich mehr als 120 Millionen Franken<lb/> Zinsen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0226]
Die Beziehungen der Ägyptischen Nationalpartei zu Frankreich
und antienglischcn Darlegungen der ägyptischen Nationalpartei ihre Spalten
öffnet, beweist, daß man auch in Frankreich trotz dem Abschluß der Entente
nicht ohne Mitgefühl und Verständnis für die Klagen der unabhängigkeits-
durstigen ägyptischen Nationalisten ist, in deren Sinne ja Frankreich selbst
früher als Rivale Englands auftrat. Der Lali^ (ZrApnie scheute sich ja noch
im vergangnen Juli nicht, die Inspiratoren für die wachsenden Unruhen in
Ägypten in Paris zu suchen und die französischen Nationalisten englandfeind¬
licher Intrigen zu beschuldigen, um nicht gerade offen und direkt einen Arg¬
wohn gegen die französische amtliche Politik selbst auszusprechen. Denn die
französischen Nationalisten beschäftigen sich nicht allein mit der Frankreich
leidenschaftlich interessierenden Frage, wenn auch der üelsir lange Zeit eine
ständige Rubrik: Lss^xts aux L^xtisns führte. Der Hauptverbreiter der
ägyptisch nationalistischen Ideen ist vielmehr der schon erwähnte löwxs, und
der gehört zu den Gegnern der französischen Nationalisten.
Warum soll man sich aber über das Interesse Frankreichs an Ägyptens
Ergehen wundern? Was an moderner Kultur in Ägypten steckt, geht auf
Frankreich zurück. Die Gesetzbücher der gemischten Tribunale haben französische
Muster und sind teilweise aus französischen Gesetzbüchern abgeschrieben. Die
Gerichtssprache war französisch. Nach Frankreich gingen und gehn noch heute
die vornehmen und reichen Ägypter, um Studien zu machen, und französisch ist
die Rechtsschule in Kairo; die französische Rechtsauffassung ist seit langen
Jahren im Pharaonenlande verbreitet. Hier wurden die Anhänger der heutigen
Nationalpartei geschult und ausgebildet. Als die französische Presse gegenüber
England noch eine freie Sprache führte, sagte zum Beispiel das ^ourugl ass
DizdAls im Februar 1902, daß Lord Cromer den damals bestehenden unent¬
geltlichen Unterricht für die Ägypter abschaffen wolle, nicht weil er, wie er in
seinem berühmten Bericht hervorhob, der Meinung sei, daß zu viel Unterricht
die Vorliebe der Ägypter für sichre Staatsbeamtenstellen ins ungemessene
steigere, sondern weil er den französischen Unterricht tödlich treffen wolle. Und
das wird erklärlich, wenn man daran denkt, daß die zahlreichen französischen
Schulen der verschiedensten Art 1902 noch von 16000 ägyptischen Schülern
besucht wurden. Die französischen Schulen standen ja auch durchschnittlich auf
einem höhern Niveau als die Schulen der anglo-ägyptischen Regierung, die
nach Lord Cromers Plan den Ägyptern allmählich alle Ausbildung entziehn
und den Unterricht für die Eingebornen auf einen reinen Handfertigkeits¬
unterricht beschränken wollte. Man darf ferner nicht vergessen, daß 1904 noch
zwei Drittel der ganzen ägyptischen Schuld in französischen Händen war, und
daß es nach einer Statistik derselben Zeit in Ägypten hundert große französische
Handelshäuser und für fünfzig Millionen Franken Grundbesitz gab. Im ganzen
standen damals mehr als zwei Milliarden französisches Kapital in Ägypten,
und dieses zahlt Frankreich bellte noch jährlich mehr als 120 Millionen Franken
Zinsen.
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