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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Die ZVedell-Usedomsche Beschwerde über den Minister Manteuffel

würde, wenn unsere mündliche Besprechung mir die gewünschte Möglichkeit biethen
könnte, "Nicht Versprochenes und Vertagtes" auszuführen, mag Ihnen lehren,
die Kenntniß des Caracters, lieber Usedom, Ihres alten Freundes (gez.) FW.

?. L. Vor Anfang Oktober werde ich Sie nicht sprechen können."

Statt auf den leidenden Zustand des Königs, der sich schon aus den
vorstehenden Zeilen ausprägt, Rücksicht zu nehmen und sich wegen der ge¬
wünschten Genugtuung alias Ordensverleihung kurze Zeit zu gedulden, beliebte
es Usedom, das Kind sozusagen mit dem Bade auszuschütten. Am 12. Sep¬
tember 1857 schrieb er dem Könige zurück, er glaube aus dem Allerhöchsten
Handschreiben vom 1. September entnehmen zu müssen: "Eure Majestät
haben diejenigen Zusagen nicht von sich zu geben geruht, welche zu einer
Komposition der von Manteuffel'schen Beschwerdesache dienen konnten und
welche im Zusammenhange mit der Allerhöchsten Ordre vom 15. Mai c. als
existirend vorauszusetzen, ich damals eine genügende Berechtigung hatte.

Daß ich meinen bekannten Verzicht vom 19. Mai zu Eurer Majestät
Füßen niederlegte geschah ebenfalls nur Kraft dieser von mir nicht angezweifelten
Voraussetzung.

Hierin getäuscht, eile ich nunmehr, den erwähnten Verzicht hiermit bis
auf Weiteres wieder allerunterthünigst zu suspendiren und mir die ferner in
der Sache nothwendigen Schritte ebenmäßig vorzubehalten."

Abschrift dieser Jmmediateingabe teilte Usedom dem Generalinspektor
Saegert mit dem Ersuchen mit, den Minister Manteuffel davon zu verstündigen.
In einer nicht geringen Verlegenheit befand sich nunmehr Saegert, auf dem
der Verdacht lasten konnte, bei seinen mündlichen Verhandlungen mit Usedom
die ihm erteilte Vollmacht überschritten zu haben. In einem an den Minister
Manteuffel gerichteten Schreiben <l. 6. Berlin, den 16. September verwahrte
sich Saegert energisch gegen diese Annahme: "Ich habe consequent seit Juli 1855
jede mir zugemuthete privative Einmischung in die zwischen Eurer Excellenz
und den Herren von Wedell und von Usedom schwebende Differenz -- selbst
einen letzten Versuch zu einer solchen am 26ten April dieses Jahres, der dadurch
motivirt wurde,

"daß ein Menschenleben auf dem Spiele stehe", entschieden von
der Hand gewiesen und bin erst als Mittler in der Sache aufgetreten, nachdem
Eure Excellenz in Allerhöchsten Auftrage -- officiell -- und in aller Form --
an mich das Verlangen richteten,


"dies öffentliche Ärgerniß zu evitiren und dem Schaden vorzu¬
beugen, den es der Regierung Sr. Majestät bereiten würde."

Auf Grund einer vom 1. Mai datirten Allerhöchsten Cabinets-Ordre bin ich
dann "amtlich" vorgegangen, und habe ich bei jedem einzelnen Act die officielle
Form streng festgehalten; ich werde mich daher ebensowenig zur Anerkennung
eines meinerseits obwaltenden Mißverständnisses herbeilassen noch jemals von
meinem Lebensprincipe weichen, daß der Wahrheit überall die Ehre gebühre."


Die ZVedell-Usedomsche Beschwerde über den Minister Manteuffel

würde, wenn unsere mündliche Besprechung mir die gewünschte Möglichkeit biethen
könnte, »Nicht Versprochenes und Vertagtes« auszuführen, mag Ihnen lehren,
die Kenntniß des Caracters, lieber Usedom, Ihres alten Freundes (gez.) FW.

?. L. Vor Anfang Oktober werde ich Sie nicht sprechen können."

Statt auf den leidenden Zustand des Königs, der sich schon aus den
vorstehenden Zeilen ausprägt, Rücksicht zu nehmen und sich wegen der ge¬
wünschten Genugtuung alias Ordensverleihung kurze Zeit zu gedulden, beliebte
es Usedom, das Kind sozusagen mit dem Bade auszuschütten. Am 12. Sep¬
tember 1857 schrieb er dem Könige zurück, er glaube aus dem Allerhöchsten
Handschreiben vom 1. September entnehmen zu müssen: „Eure Majestät
haben diejenigen Zusagen nicht von sich zu geben geruht, welche zu einer
Komposition der von Manteuffel'schen Beschwerdesache dienen konnten und
welche im Zusammenhange mit der Allerhöchsten Ordre vom 15. Mai c. als
existirend vorauszusetzen, ich damals eine genügende Berechtigung hatte.

Daß ich meinen bekannten Verzicht vom 19. Mai zu Eurer Majestät
Füßen niederlegte geschah ebenfalls nur Kraft dieser von mir nicht angezweifelten
Voraussetzung.

Hierin getäuscht, eile ich nunmehr, den erwähnten Verzicht hiermit bis
auf Weiteres wieder allerunterthünigst zu suspendiren und mir die ferner in
der Sache nothwendigen Schritte ebenmäßig vorzubehalten."

Abschrift dieser Jmmediateingabe teilte Usedom dem Generalinspektor
Saegert mit dem Ersuchen mit, den Minister Manteuffel davon zu verstündigen.
In einer nicht geringen Verlegenheit befand sich nunmehr Saegert, auf dem
der Verdacht lasten konnte, bei seinen mündlichen Verhandlungen mit Usedom
die ihm erteilte Vollmacht überschritten zu haben. In einem an den Minister
Manteuffel gerichteten Schreiben <l. 6. Berlin, den 16. September verwahrte
sich Saegert energisch gegen diese Annahme: „Ich habe consequent seit Juli 1855
jede mir zugemuthete privative Einmischung in die zwischen Eurer Excellenz
und den Herren von Wedell und von Usedom schwebende Differenz — selbst
einen letzten Versuch zu einer solchen am 26ten April dieses Jahres, der dadurch
motivirt wurde,

»daß ein Menschenleben auf dem Spiele stehe«, entschieden von
der Hand gewiesen und bin erst als Mittler in der Sache aufgetreten, nachdem
Eure Excellenz in Allerhöchsten Auftrage — officiell — und in aller Form —
an mich das Verlangen richteten,


»dies öffentliche Ärgerniß zu evitiren und dem Schaden vorzu¬
beugen, den es der Regierung Sr. Majestät bereiten würde.«

Auf Grund einer vom 1. Mai datirten Allerhöchsten Cabinets-Ordre bin ich
dann »amtlich« vorgegangen, und habe ich bei jedem einzelnen Act die officielle
Form streng festgehalten; ich werde mich daher ebensowenig zur Anerkennung
eines meinerseits obwaltenden Mißverständnisses herbeilassen noch jemals von
meinem Lebensprincipe weichen, daß der Wahrheit überall die Ehre gebühre."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/192>, abgerufen am 06.02.2025.