Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.wurden durch die Erhöhung der Branntweinsteuer 120 Millionen gewonnen, wurden durch die Erhöhung der Branntweinsteuer 120 Millionen gewonnen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0181" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302169"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_834" prev="#ID_833" next="#ID_835"> wurden durch die Erhöhung der Branntweinsteuer 120 Millionen gewonnen,<lb/> 1894 durch die Erhöhung der Stempelabgaben nur 40 Millionen, im Jahre 1900<lb/> durch eine weitere Erhöhung dieser Steuer und durch die Schaumweinsteuer<lb/> 50 Millionen Mark, Auf der Strecke geblieben waren die Anregung, Aus¬<lb/> fuhrzölle auf Lumpen, Kali und Kohlen einzuführen, der Plan einer Wehr¬<lb/> steuer, die Forderungen der Freisinnigen und der Sozialdemokraten (Reform<lb/> der Branntweinsteuer, Einführung einer Reichseinkommen- und Vermögens¬<lb/> steuer). Die Ausfuhrzölle verwarf man hauptsächlich aus handelspolitischen<lb/> Bedenken, da Deutschland vorwiegend ein Land der Veredlungsindustrie und<lb/> auf die Einführung von Rohstoffen angewiesen ist; Ausfuhrzölle würden Re¬<lb/> pressalien der Rohstoffe liefernden Länder hervorrufen. Bei der Wehrsteuer<lb/> überwogen die Bedenken sdie der Verfasser angeführt hats. Das Branntwein¬<lb/> gewerbe soll bis zum Jahre 1912 Ruhe haben. Der Einführung einer Reichs¬<lb/> einkommen- und Vermögenssteuer stehen die bekannten Bedenken entgegen.<lb/> Was hatte die Reform nun eigentlich gebracht? Eine neue Steuer war streng<lb/> genommen nur die Zigarettensteuer. Die Erbschaftssteuer war von den Bundes¬<lb/> staaten ans Reich übertragen worden, ohne indes jenen jedes Recht auf sie<lb/> zu nehmen. Die schon vorhandne Brausteuer war nur gesteigert, und auch<lb/> die Stempelsteuer war nur auf andre Gebiete ausgedehnt worden. Dennoch<lb/> war erreicht, daß der augenblickliche Fehlbetrag verschwand, und daß dem An¬<lb/> wachsen der Schulden Einhalt getan wurde: eine Schuldentilgung von dreifünftel<lb/> Prozent vom Jahre 1908 an wurde beschlossen. Die Begrenzung der<lb/> Matrikularbeitrüge wurde vom Reichstage zwar abgelehnt, doch wurde eine<lb/> weitgehende Stundung vorgesehen. Durch die große Steuerzubilligung ans<lb/> Reich werden die Einzelstaaten wesentlich entlastet. Eine organische Reform<lb/> der Reichs war mit diesen Maßnahmen doch nicht erreicht worden", weil die<lb/> Finanzwirtschaft des Reichs immer noch von den Finanzwirtschaften der Einzel¬<lb/> staaten abhängig bleibt. „Das kommt daher, daß man im Reich immer<lb/> »Stückleswirtschaft« (ein Ausdruck von Jagemanns) getrieben hat. Nie hat<lb/> man sich im Reichstag entschlossen, dem Reich ein großes entwicklungsfähiges<lb/> Steuerobjekt ganz zuzuweisen. Für ein Tabakmonopol ist es zu spät; die<lb/> Linke und auch das Zentrum sind Monopolen überhaupt abgeneigt, obgleich<lb/> beispielsweise ein Spiritusmonopol hohe Erträge liefern könnte und durch die<lb/> Spirituszentrale bereits vorbereitet ist." Übrigens kann man der größern<lb/> Schrift Linschmcmns, die alle fachmännischer Einwendungen gegen die einzelnen<lb/> Steuervorschläge anführt, mildernde Umstände für den oben charakterisierten<lb/> mangelhaften Patriotismus entnehmen. Wenn der Bürger einer mittelalterlichen<lb/> Stadtgemeinde zur Verteidigung gegen Feinde oder für einen Eroberungszug<lb/> eine bestimmte Summe zahlte, so wußte er genau, was er opferte, und das<lb/> Steueropfer des holländischen Reeders im sechzehnten Jahrhundert war qar<lb/> kein Opfer, sondern eine produktive Anlage, denn er gründete und befestigte<lb/> damit die Handels- und Verkehrsmonopole seines kleinen aufstrebenden Staates,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0181]
wurden durch die Erhöhung der Branntweinsteuer 120 Millionen gewonnen,
1894 durch die Erhöhung der Stempelabgaben nur 40 Millionen, im Jahre 1900
durch eine weitere Erhöhung dieser Steuer und durch die Schaumweinsteuer
50 Millionen Mark, Auf der Strecke geblieben waren die Anregung, Aus¬
fuhrzölle auf Lumpen, Kali und Kohlen einzuführen, der Plan einer Wehr¬
steuer, die Forderungen der Freisinnigen und der Sozialdemokraten (Reform
der Branntweinsteuer, Einführung einer Reichseinkommen- und Vermögens¬
steuer). Die Ausfuhrzölle verwarf man hauptsächlich aus handelspolitischen
Bedenken, da Deutschland vorwiegend ein Land der Veredlungsindustrie und
auf die Einführung von Rohstoffen angewiesen ist; Ausfuhrzölle würden Re¬
pressalien der Rohstoffe liefernden Länder hervorrufen. Bei der Wehrsteuer
überwogen die Bedenken sdie der Verfasser angeführt hats. Das Branntwein¬
gewerbe soll bis zum Jahre 1912 Ruhe haben. Der Einführung einer Reichs¬
einkommen- und Vermögenssteuer stehen die bekannten Bedenken entgegen.
Was hatte die Reform nun eigentlich gebracht? Eine neue Steuer war streng
genommen nur die Zigarettensteuer. Die Erbschaftssteuer war von den Bundes¬
staaten ans Reich übertragen worden, ohne indes jenen jedes Recht auf sie
zu nehmen. Die schon vorhandne Brausteuer war nur gesteigert, und auch
die Stempelsteuer war nur auf andre Gebiete ausgedehnt worden. Dennoch
war erreicht, daß der augenblickliche Fehlbetrag verschwand, und daß dem An¬
wachsen der Schulden Einhalt getan wurde: eine Schuldentilgung von dreifünftel
Prozent vom Jahre 1908 an wurde beschlossen. Die Begrenzung der
Matrikularbeitrüge wurde vom Reichstage zwar abgelehnt, doch wurde eine
weitgehende Stundung vorgesehen. Durch die große Steuerzubilligung ans
Reich werden die Einzelstaaten wesentlich entlastet. Eine organische Reform
der Reichs war mit diesen Maßnahmen doch nicht erreicht worden", weil die
Finanzwirtschaft des Reichs immer noch von den Finanzwirtschaften der Einzel¬
staaten abhängig bleibt. „Das kommt daher, daß man im Reich immer
»Stückleswirtschaft« (ein Ausdruck von Jagemanns) getrieben hat. Nie hat
man sich im Reichstag entschlossen, dem Reich ein großes entwicklungsfähiges
Steuerobjekt ganz zuzuweisen. Für ein Tabakmonopol ist es zu spät; die
Linke und auch das Zentrum sind Monopolen überhaupt abgeneigt, obgleich
beispielsweise ein Spiritusmonopol hohe Erträge liefern könnte und durch die
Spirituszentrale bereits vorbereitet ist." Übrigens kann man der größern
Schrift Linschmcmns, die alle fachmännischer Einwendungen gegen die einzelnen
Steuervorschläge anführt, mildernde Umstände für den oben charakterisierten
mangelhaften Patriotismus entnehmen. Wenn der Bürger einer mittelalterlichen
Stadtgemeinde zur Verteidigung gegen Feinde oder für einen Eroberungszug
eine bestimmte Summe zahlte, so wußte er genau, was er opferte, und das
Steueropfer des holländischen Reeders im sechzehnten Jahrhundert war qar
kein Opfer, sondern eine produktive Anlage, denn er gründete und befestigte
damit die Handels- und Verkehrsmonopole seines kleinen aufstrebenden Staates,
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