Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Der Säkulare Kampf gegen das Riesenkapital in Nordamerika einige hinzukommen. Das ist sehr schwierig, zumal da bei einigen jungen, volks¬ Man sieht, daß tief gepflügt werden muß, wenn man das Unkraut dieser Und doch ist es auch damit wieder spezifisch amerikanisch gegangen. Der Der Säkulare Kampf gegen das Riesenkapital in Nordamerika einige hinzukommen. Das ist sehr schwierig, zumal da bei einigen jungen, volks¬ Man sieht, daß tief gepflügt werden muß, wenn man das Unkraut dieser Und doch ist es auch damit wieder spezifisch amerikanisch gegangen. Der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0174" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302162"/> <fw type="header" place="top"> Der Säkulare Kampf gegen das Riesenkapital in Nordamerika</fw><lb/> <p xml:id="ID_814" prev="#ID_813"> einige hinzukommen. Das ist sehr schwierig, zumal da bei einigen jungen, volks¬<lb/> armen Staaten im fernen Nordwesten, die nicht von Haus aus zu den republi¬<lb/> kanischen gehören, manchmal Mittel durchschlagend sind, über die die Trusts<lb/> am reichlichsten verfügen. Daher scheitern gesetzgeberische Maßregeln gegen die<lb/> Trusts noch leicht im Senat, oder sie werden dort in einer Weise umgestaltet,<lb/> daß sie dem bekannten Lichtenbergschen Messer ohne Griff und Klinge gleichen.<lb/> Der Senat wird nicht, wie das Repräsentantenhaus, alle zwei Jahre neuge¬<lb/> wählt, er ergänzt alle zwei Jahre nur ein Drittel seiner Mitglieder, wodurch<lb/> die einmal im Besitze befindliche Partei nur um so länger darin erhalten wird.<lb/> Man nennt deshalb den Senat in Amerika manchmal eine Filiale der Trusts,<lb/> den Senatoren wird nachgesagt, sie seien nur die Kommis der Newyorker<lb/> Milliardäre. Man erzählt Geschichten, daß, wenn eine gewisse Senatsminder¬<lb/> heit Miene gemacht habe, nicht nach der Pfeife dieser Herren zu tanzen, z. B.<lb/> bei dem letzten Zuckerzoll, sie geschwind an irgendeiner Aktienspekulation be¬<lb/> teiligt worden sei, bei der sie so viel hätte verdienen müssen, daß sich ihre<lb/> Ansichten änderten. Das sind, wie gesagt, amerikanische Anschuldigungen, nicht<lb/> die unsrigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_815"> Man sieht, daß tief gepflügt werden muß, wenn man das Unkraut dieser<lb/> Korruption ausrotten will. Präsident Rvosevelt hat, wie wir schon geschildert<lb/> haben, manches getan, aber noch nichts entscheidendes. Vor allem läßt er den<lb/> Zolltarif unangefochten. Ob er ihn nun selber für so vortrefflich hält, oder ob<lb/> er nur den Kampf dagegen als hoffnungslos ansieht, das bleibe dahingestellt.<lb/> Dagegen erweist sich das Gesetz über die Beaufsichtigung der mehrere Staaten<lb/> berührenden Eisenbahnen wirksamer, als es die Trusts erwartet haben. Die<lb/> Notwendigkeit, die Tarife zu veröffentlichen, hat vielen geheimen Manipulationen<lb/> die Möglichkeit abgeschnitten. Neben den Kunden der Bahnen sehen sich auch<lb/> deren Aktionäre in ihren Interessen geschützt. Immer lauter wird das Verlangen<lb/> nach Verstaatlichung der hauptsächlichsten Bahnen. Es gelingt den Trusts nicht<lb/> mehr, dieses als einen Vorstoß der Besitzlosen gegen das Privateigentum hinzu¬<lb/> stellen, und in vielen Ländern ist die Maßregel vollständig durchgeführt worden,<lb/> ohne eine schädliche Wirkung ausgeübt zu haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_816" next="#ID_817"> Und doch ist es auch damit wieder spezifisch amerikanisch gegangen. Der<lb/> ehemalige demokratische, silberfreundliche Präsidentschaftskandidat Brycm hatte<lb/> 1906 eine Fahrt um die Welt gemacht und kehrte im vorigen Spätsommer von<lb/> ihr nach Newyork zurück. Er wurde von den Seinen wie ein Triumphator<lb/> empfangen. Alle Staaten hatte ihre Deputierten entsandt. In seiner großen<lb/> Empfangsrede stellte er als zukünftigen Programmpunkt u. a. die Verstaatlichung<lb/> der hauptsächlichsten Bahnen auf, die bisher noch niemals in ein Parteiprogramm<lb/> aufgenommen worden war. Mit allem andern traf er das Herz seiner Zuhörer,<lb/> mit seinem Zorn gegen die Trusts, gegen den Zolltarif, gegen den Imperialis¬<lb/> mus, aber der Gedanke an Eisenbahnverstaatlichung war so unpopulär, daß die<lb/> Rede geradezu als ein Mißerfolg ersten Ranges angesehen werden konnte. Nicht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0174]
Der Säkulare Kampf gegen das Riesenkapital in Nordamerika
einige hinzukommen. Das ist sehr schwierig, zumal da bei einigen jungen, volks¬
armen Staaten im fernen Nordwesten, die nicht von Haus aus zu den republi¬
kanischen gehören, manchmal Mittel durchschlagend sind, über die die Trusts
am reichlichsten verfügen. Daher scheitern gesetzgeberische Maßregeln gegen die
Trusts noch leicht im Senat, oder sie werden dort in einer Weise umgestaltet,
daß sie dem bekannten Lichtenbergschen Messer ohne Griff und Klinge gleichen.
Der Senat wird nicht, wie das Repräsentantenhaus, alle zwei Jahre neuge¬
wählt, er ergänzt alle zwei Jahre nur ein Drittel seiner Mitglieder, wodurch
die einmal im Besitze befindliche Partei nur um so länger darin erhalten wird.
Man nennt deshalb den Senat in Amerika manchmal eine Filiale der Trusts,
den Senatoren wird nachgesagt, sie seien nur die Kommis der Newyorker
Milliardäre. Man erzählt Geschichten, daß, wenn eine gewisse Senatsminder¬
heit Miene gemacht habe, nicht nach der Pfeife dieser Herren zu tanzen, z. B.
bei dem letzten Zuckerzoll, sie geschwind an irgendeiner Aktienspekulation be¬
teiligt worden sei, bei der sie so viel hätte verdienen müssen, daß sich ihre
Ansichten änderten. Das sind, wie gesagt, amerikanische Anschuldigungen, nicht
die unsrigen.
Man sieht, daß tief gepflügt werden muß, wenn man das Unkraut dieser
Korruption ausrotten will. Präsident Rvosevelt hat, wie wir schon geschildert
haben, manches getan, aber noch nichts entscheidendes. Vor allem läßt er den
Zolltarif unangefochten. Ob er ihn nun selber für so vortrefflich hält, oder ob
er nur den Kampf dagegen als hoffnungslos ansieht, das bleibe dahingestellt.
Dagegen erweist sich das Gesetz über die Beaufsichtigung der mehrere Staaten
berührenden Eisenbahnen wirksamer, als es die Trusts erwartet haben. Die
Notwendigkeit, die Tarife zu veröffentlichen, hat vielen geheimen Manipulationen
die Möglichkeit abgeschnitten. Neben den Kunden der Bahnen sehen sich auch
deren Aktionäre in ihren Interessen geschützt. Immer lauter wird das Verlangen
nach Verstaatlichung der hauptsächlichsten Bahnen. Es gelingt den Trusts nicht
mehr, dieses als einen Vorstoß der Besitzlosen gegen das Privateigentum hinzu¬
stellen, und in vielen Ländern ist die Maßregel vollständig durchgeführt worden,
ohne eine schädliche Wirkung ausgeübt zu haben.
Und doch ist es auch damit wieder spezifisch amerikanisch gegangen. Der
ehemalige demokratische, silberfreundliche Präsidentschaftskandidat Brycm hatte
1906 eine Fahrt um die Welt gemacht und kehrte im vorigen Spätsommer von
ihr nach Newyork zurück. Er wurde von den Seinen wie ein Triumphator
empfangen. Alle Staaten hatte ihre Deputierten entsandt. In seiner großen
Empfangsrede stellte er als zukünftigen Programmpunkt u. a. die Verstaatlichung
der hauptsächlichsten Bahnen auf, die bisher noch niemals in ein Parteiprogramm
aufgenommen worden war. Mit allem andern traf er das Herz seiner Zuhörer,
mit seinem Zorn gegen die Trusts, gegen den Zolltarif, gegen den Imperialis¬
mus, aber der Gedanke an Eisenbahnverstaatlichung war so unpopulär, daß die
Rede geradezu als ein Mißerfolg ersten Ranges angesehen werden konnte. Nicht
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |