Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Der Säkulare Kampf gegen das Riesenkapital in Nordamerika Riesenkapitalismus ans Licht zu ziehn und dessen Haupteigentümer und Leiter Man weiß natürlich noch nicht, welchen Gang die Entwicklung nehmen Man muß zugeben, daß die Stellung des Präsidenten Roosevelt nicht Der Säkulare Kampf gegen das Riesenkapital in Nordamerika Riesenkapitalismus ans Licht zu ziehn und dessen Haupteigentümer und Leiter Man weiß natürlich noch nicht, welchen Gang die Entwicklung nehmen Man muß zugeben, daß die Stellung des Präsidenten Roosevelt nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0170" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302158"/> <fw type="header" place="top"> Der Säkulare Kampf gegen das Riesenkapital in Nordamerika</fw><lb/> <p xml:id="ID_803" prev="#ID_802"> Riesenkapitalismus ans Licht zu ziehn und dessen Haupteigentümer und Leiter<lb/> als die verantwortlichen Ursachen nicht nur des letzten Börsenkrachs, sondern<lb/> einer ganzen Kette von Übelständen zu denunzieren. Sie kehren den Spieß<lb/> um und beschuldigen ihn und seine Eisenbahnpolitik, die auf staatliche Kon¬<lb/> trolle über die Privatbahnen hinausläuft, die Erschütterung der Börsenwerte<lb/> veranlaßt zu haben. Das Trustweseu erreicht seine höchste Spitze in dem<lb/> obersten Haupt des Petroleummonopols der Standard-Oil-Company, John<lb/> D. Rockefeller, dessen Vermögen nach Milliarden von Dollars zählt. Der auf<lb/> die Einschränkung gerichtete Reformeifer verkörpert sich in dem Präsidenten<lb/> Roosevelt. Daneben steht die demokratische Partei als die durch ihre Ge¬<lb/> schlossenheit vielleicht — nur vielleicht — ausschlaggebende Partei, die aber<lb/> mit sich noch keineswegs im reinen ist über das, was sie für die Präsidenten¬<lb/> wahl vom November 1908 zu tun hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_804"> Man weiß natürlich noch nicht, welchen Gang die Entwicklung nehmen<lb/> wird. Aber das kann man wohl sagen: reichen sich die so vielgestaltigen<lb/> Gegnerschaften gegen das Trustwcsen die Hand, so kann es zu einem Kampfe<lb/> von säkularer Bedeutung kommen. Und gelingt es dieser Bundesgenossenschaft,<lb/> die ungeheuern, in so wenigen Händen vereinigten Niesenkcipitalien unter die<lb/> Fuchtel der Staatsgewalt zu bringen, so tritt sogar die Abschaffung der Sklaverei<lb/> an Bedeutung dahinter zurück. Denn seit diesem großen Ereignis sind die Ver¬<lb/> einigten Staaten zur ersten wirtschaftlichen Großmacht des Erdballs geworden.<lb/> Und wenn sie schon die erste Stelle erreicht haben, so ist ihre Anwartschaft,<lb/> noch immer mehr alle andern hinter sich zu lassen, noch weit größer. Bedenke<lb/> man doch nur, daß sie in der Produktion von Eisen, Stahl, Kupfer, Stein¬<lb/> kohlen, Petroleum, Baumwolle, Getreide, Vieh jedes andre Land weit über¬<lb/> treffen, und daß dennoch ihrem Bergbau und ihrer Landwirtschaft noch weite<lb/> Grenzen gesteckt sind, die sie entfernt noch nicht erreicht haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_805" next="#ID_806"> Man muß zugeben, daß die Stellung des Präsidenten Roosevelt nicht<lb/> immer ganz klar gewesen ist. Er ist von jeher ein Anhänger der republikanischen<lb/> Partei gewesen, der Partei des Hochschutzzolls. Mit ihr hat er für die Er¬<lb/> werbung neuer Märkte im Auslande gefochten. Dies war das unausgesprochne<lb/> Ziel der Einmischung Nordamerikas in die spanisch-kubanischen Wirren. Durch<lb/> seine Teilnahme an dem Kriege gegen Spanien an der Spitze seines Frei¬<lb/> willigenregiments hat er seine weitgehende Popularität errungen. Schon wurde<lb/> er den Trustleuteu unbequem, da sie in ihm eine schwer zu bezähmende Selb¬<lb/> ständigkeit erkannten. Sie dachten ihn unschädlich zu machen und setzten 1900<lb/> seine Wahl zum Vizepräsidenten durch, einer Stellung, die ohne alle Bedeutung<lb/> ist. Durch die Ermordung Mac Kinleys kam Roosevelt unerwartet in die<lb/> wichtige Prüsidentenstellung. Hatte schon Mac Kinley mit dem Gedanken an<lb/> eine Ermäßigung der Schutzzölle gespielt, so machte Roosevelt diesen gleich bei<lb/> seinem Amtsantritt zu dem seinigen. Er sagte offen, daß die amerikanische In¬<lb/> dustrie so weit vorgeschritten sei, daß sie den Schutz nicht mehr in voller Höhe</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0170]
Der Säkulare Kampf gegen das Riesenkapital in Nordamerika
Riesenkapitalismus ans Licht zu ziehn und dessen Haupteigentümer und Leiter
als die verantwortlichen Ursachen nicht nur des letzten Börsenkrachs, sondern
einer ganzen Kette von Übelständen zu denunzieren. Sie kehren den Spieß
um und beschuldigen ihn und seine Eisenbahnpolitik, die auf staatliche Kon¬
trolle über die Privatbahnen hinausläuft, die Erschütterung der Börsenwerte
veranlaßt zu haben. Das Trustweseu erreicht seine höchste Spitze in dem
obersten Haupt des Petroleummonopols der Standard-Oil-Company, John
D. Rockefeller, dessen Vermögen nach Milliarden von Dollars zählt. Der auf
die Einschränkung gerichtete Reformeifer verkörpert sich in dem Präsidenten
Roosevelt. Daneben steht die demokratische Partei als die durch ihre Ge¬
schlossenheit vielleicht — nur vielleicht — ausschlaggebende Partei, die aber
mit sich noch keineswegs im reinen ist über das, was sie für die Präsidenten¬
wahl vom November 1908 zu tun hat.
Man weiß natürlich noch nicht, welchen Gang die Entwicklung nehmen
wird. Aber das kann man wohl sagen: reichen sich die so vielgestaltigen
Gegnerschaften gegen das Trustwcsen die Hand, so kann es zu einem Kampfe
von säkularer Bedeutung kommen. Und gelingt es dieser Bundesgenossenschaft,
die ungeheuern, in so wenigen Händen vereinigten Niesenkcipitalien unter die
Fuchtel der Staatsgewalt zu bringen, so tritt sogar die Abschaffung der Sklaverei
an Bedeutung dahinter zurück. Denn seit diesem großen Ereignis sind die Ver¬
einigten Staaten zur ersten wirtschaftlichen Großmacht des Erdballs geworden.
Und wenn sie schon die erste Stelle erreicht haben, so ist ihre Anwartschaft,
noch immer mehr alle andern hinter sich zu lassen, noch weit größer. Bedenke
man doch nur, daß sie in der Produktion von Eisen, Stahl, Kupfer, Stein¬
kohlen, Petroleum, Baumwolle, Getreide, Vieh jedes andre Land weit über¬
treffen, und daß dennoch ihrem Bergbau und ihrer Landwirtschaft noch weite
Grenzen gesteckt sind, die sie entfernt noch nicht erreicht haben.
Man muß zugeben, daß die Stellung des Präsidenten Roosevelt nicht
immer ganz klar gewesen ist. Er ist von jeher ein Anhänger der republikanischen
Partei gewesen, der Partei des Hochschutzzolls. Mit ihr hat er für die Er¬
werbung neuer Märkte im Auslande gefochten. Dies war das unausgesprochne
Ziel der Einmischung Nordamerikas in die spanisch-kubanischen Wirren. Durch
seine Teilnahme an dem Kriege gegen Spanien an der Spitze seines Frei¬
willigenregiments hat er seine weitgehende Popularität errungen. Schon wurde
er den Trustleuteu unbequem, da sie in ihm eine schwer zu bezähmende Selb¬
ständigkeit erkannten. Sie dachten ihn unschädlich zu machen und setzten 1900
seine Wahl zum Vizepräsidenten durch, einer Stellung, die ohne alle Bedeutung
ist. Durch die Ermordung Mac Kinleys kam Roosevelt unerwartet in die
wichtige Prüsidentenstellung. Hatte schon Mac Kinley mit dem Gedanken an
eine Ermäßigung der Schutzzölle gespielt, so machte Roosevelt diesen gleich bei
seinem Amtsantritt zu dem seinigen. Er sagte offen, daß die amerikanische In¬
dustrie so weit vorgeschritten sei, daß sie den Schutz nicht mehr in voller Höhe
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