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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Der Säkulare Kampf gegen das Riesenkapital
in Nordamerika

er jähe Sturz der nordamerikanischen Börsenwerte übt einen weithin
fühlbaren Rückschlag auf die Politik der Vereinigten Staaten aus.
Ja es ist sehr wohl möglich, daß sich die Wirkung weit über die
Grenzen Amerikas fortpflanzt. Denn wenn sie den Sturz der
wesentlich auf den Agitationsmitteln der Trusts beruhenden im¬
perialistischen Partei bewirkt, so kann das tief in die internationale Weltpolitik
eingreifen, nicht nur indirekt durch wirtschaftliche Frontverschiebungen, sondern
unmittelbar durch Amerikas Verhalten gegen die Philippinen, gegen Kanada,
gegen Japan. Der Börsenkrach hat nach einer fachmännischer Berechnung
5300 Millionen Dollars (22-/, Milliarden Mark, mehr als fünfmal so viel als
me französische Kriegsentschädigung) an Kurswerten zerstört. Ob diese teilweise
vorher eingebildet waren oder nicht, das tut hier nichts zur Sache. Denn auf
alle Fülle beschuldigt der verlierende Teil des Publikums die wesentlich von
den Trusts geleitete Newyorker Börse, sowohl den vorherigen Hausseschwindel
wie den jetzigen Sturz künstlich gemacht zu haben. Die Erbitterung ist groß
und hat weite Kreise ergriffen. Die geschädigten Leute und die, die mit ihnen
empfinden, schauen nach zwei Seiten um Hilfe, nach der demokratischen Partei
und nach dem Bundespräsidenten Noosevelt. Der Präsident ist Gegner der
Trusts, zugleich aber das Haupt der republikanischen Partei; vor allem ist er
der Anführer der Imperialisten und der Expansionisten. Die demokratische
Partei stimmt mit ihm im Haß gegen das monopolbildende Niesenkapital ganz
überein, haßt aber zugleich auch den Imperialismus und den hohen Schutz¬
zolltarif, wofür doch Noosevelt eintritt. Die Lage läßt also die sonst für
amerikanische Verhältnisse so bezeichnende Einfachheit vollständig vermissen, sie
ist verworrener als jemals seit Lincolns Wahl zum Präsidenten, der bekannt¬
lich drei Gegenkandidaten hatte. Die Trustleute erwidern aus vollem Herzen
den Haß gegen den Präsidenten, der den Mut hat, die Mißwirtschaft des


Grenzboten II 1907 22


Der Säkulare Kampf gegen das Riesenkapital
in Nordamerika

er jähe Sturz der nordamerikanischen Börsenwerte übt einen weithin
fühlbaren Rückschlag auf die Politik der Vereinigten Staaten aus.
Ja es ist sehr wohl möglich, daß sich die Wirkung weit über die
Grenzen Amerikas fortpflanzt. Denn wenn sie den Sturz der
wesentlich auf den Agitationsmitteln der Trusts beruhenden im¬
perialistischen Partei bewirkt, so kann das tief in die internationale Weltpolitik
eingreifen, nicht nur indirekt durch wirtschaftliche Frontverschiebungen, sondern
unmittelbar durch Amerikas Verhalten gegen die Philippinen, gegen Kanada,
gegen Japan. Der Börsenkrach hat nach einer fachmännischer Berechnung
5300 Millionen Dollars (22-/, Milliarden Mark, mehr als fünfmal so viel als
me französische Kriegsentschädigung) an Kurswerten zerstört. Ob diese teilweise
vorher eingebildet waren oder nicht, das tut hier nichts zur Sache. Denn auf
alle Fülle beschuldigt der verlierende Teil des Publikums die wesentlich von
den Trusts geleitete Newyorker Börse, sowohl den vorherigen Hausseschwindel
wie den jetzigen Sturz künstlich gemacht zu haben. Die Erbitterung ist groß
und hat weite Kreise ergriffen. Die geschädigten Leute und die, die mit ihnen
empfinden, schauen nach zwei Seiten um Hilfe, nach der demokratischen Partei
und nach dem Bundespräsidenten Noosevelt. Der Präsident ist Gegner der
Trusts, zugleich aber das Haupt der republikanischen Partei; vor allem ist er
der Anführer der Imperialisten und der Expansionisten. Die demokratische
Partei stimmt mit ihm im Haß gegen das monopolbildende Niesenkapital ganz
überein, haßt aber zugleich auch den Imperialismus und den hohen Schutz¬
zolltarif, wofür doch Noosevelt eintritt. Die Lage läßt also die sonst für
amerikanische Verhältnisse so bezeichnende Einfachheit vollständig vermissen, sie
ist verworrener als jemals seit Lincolns Wahl zum Präsidenten, der bekannt¬
lich drei Gegenkandidaten hatte. Die Trustleute erwidern aus vollem Herzen
den Haß gegen den Präsidenten, der den Mut hat, die Mißwirtschaft des


Grenzboten II 1907 22
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[0169] [Abbildung] Der Säkulare Kampf gegen das Riesenkapital in Nordamerika er jähe Sturz der nordamerikanischen Börsenwerte übt einen weithin fühlbaren Rückschlag auf die Politik der Vereinigten Staaten aus. Ja es ist sehr wohl möglich, daß sich die Wirkung weit über die Grenzen Amerikas fortpflanzt. Denn wenn sie den Sturz der wesentlich auf den Agitationsmitteln der Trusts beruhenden im¬ perialistischen Partei bewirkt, so kann das tief in die internationale Weltpolitik eingreifen, nicht nur indirekt durch wirtschaftliche Frontverschiebungen, sondern unmittelbar durch Amerikas Verhalten gegen die Philippinen, gegen Kanada, gegen Japan. Der Börsenkrach hat nach einer fachmännischer Berechnung 5300 Millionen Dollars (22-/, Milliarden Mark, mehr als fünfmal so viel als me französische Kriegsentschädigung) an Kurswerten zerstört. Ob diese teilweise vorher eingebildet waren oder nicht, das tut hier nichts zur Sache. Denn auf alle Fülle beschuldigt der verlierende Teil des Publikums die wesentlich von den Trusts geleitete Newyorker Börse, sowohl den vorherigen Hausseschwindel wie den jetzigen Sturz künstlich gemacht zu haben. Die Erbitterung ist groß und hat weite Kreise ergriffen. Die geschädigten Leute und die, die mit ihnen empfinden, schauen nach zwei Seiten um Hilfe, nach der demokratischen Partei und nach dem Bundespräsidenten Noosevelt. Der Präsident ist Gegner der Trusts, zugleich aber das Haupt der republikanischen Partei; vor allem ist er der Anführer der Imperialisten und der Expansionisten. Die demokratische Partei stimmt mit ihm im Haß gegen das monopolbildende Niesenkapital ganz überein, haßt aber zugleich auch den Imperialismus und den hohen Schutz¬ zolltarif, wofür doch Noosevelt eintritt. Die Lage läßt also die sonst für amerikanische Verhältnisse so bezeichnende Einfachheit vollständig vermissen, sie ist verworrener als jemals seit Lincolns Wahl zum Präsidenten, der bekannt¬ lich drei Gegenkandidaten hatte. Die Trustleute erwidern aus vollem Herzen den Haß gegen den Präsidenten, der den Mut hat, die Mißwirtschaft des Grenzboten II 1907 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/169>, abgerufen am 05.02.2025.