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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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die so gut wie gar nichts zu tun hätten und hier nur untergebracht seien, weil
man sie bis zur Altersgrenze behalten müsse und in der Front nicht mehr
verwenden könne. Dem Staate erwüchsen daraus unverhältnismäßig hohe Kosten,
während die Armee von diesen Offizieren nicht den mindesten Nutzen habe. Auch
dem Generalstab wirft Messimy, ähnlich wie es General Bonnal getan hat, vor,
daß er mit viel zu viel hohen Offizieren bedacht sei, die mit Verwaltungsarbeiten
beschäftigt würden, für die sie nicht genügend vorgebildet seien, und die sie eigent¬
lich auch nichts angingen. Der Berichterstatter fordert deshalb, daß die Stellen
von zehn Divisions- und von zwanzig Brigadegeneralen gestrichen würden, wo¬
durch allein eine Ersparnis von 567000 Franken gemacht werde, und er ver¬
langt weiter eine Herabsetzung der Altersgrenze für die gesamte Generalität
einheitlich auf 60 Jahre, während sie gegenwärtig für die Divisionsgenerale
auf 65 Jahre, für die Brigadegeucrale auf 62 Jahre normiert ist.

Unsers Trachtens liegen die Altersverhültnisse bei der französischen Armee
nicht ganz so ungünstig, wie Mr. Messimy sie hier geschildert hat. Die Rang¬
liste für 1907 gibt darüber, wie auch noch über andre Punkte, sehr genaue
und interessante Aufschlüsse. An Divisionsgeneralen zählt die Armee im
Mutterlande 110. Davon werden zwei Generale (Billot und Jamont) ohne
Altersgrenze in die Reihe der aktiven Offiziere eingerechnet, weil sie vor dem
Feinde eine Armee geführt haben, während General Duchesne, geboren 1837,
bis zum 70. Jahre in Aktivität bleibt, weil er sich als Eroberer von Madagaskar
besonders ausgezeichnet hat. Von den übrigen 107 Divisiousgeueralen erreichen
13 in diesem Jahre das 65. Lebensjahr, scheiden also aus, sonst ist das
Durchschnittsalter dieser Generalsklasse 61 Jahre, der jüngste von ihnen, General
Picquart, ist noch nicht 53 Jahre alt. Drei Divisionsgenerale sind ans dem
Soldatenstande hervorgegangen. Etwas weniger günstig stellen sich die Alters¬
verhältnisse mit 58 Jahren 9 Monaten im Durchschnitt bei den vorhandnen
220 Brigadegeneralen. Das liegt aber mit daran, daß allein in diesem Jahre
die hohe Zahl von 30 dieser Generale mit 62 Jahren die Altersgrenze erreicht,
während nur einer (General Lcgrcmd) erst 50 Jahre alt ist und schon 61 das
60. Lebensjahr überschritten haben. Auch fällt bei dieser Beurteilung ins Ge¬
wicht, daß 13 Brigadegeucrale von der Pike auf gedient haben. Erwägt man
aber dazu, daß nach vorstehender Aufstellung im Laufe von 1907 zusammen
45 Generale (einschließlich der Generale Duchesne und Dodds, dieser von der
Kolonialarmee) im 65. und im 62. Lebensjahre zurücktreten, so kann man,
wenigstens für einen Teil dieses Jahres, nicht gerade sagen, daß die französische
Generalität überaltert sei, ganz abgesehen davon, daß sich in ihrer Mitte eine
große Zahl hervorragend tüchtiger Männer findet.

Im gegenwärtigen französischen Parlament ist man nicht mit uns derselben
Ansicht und steht mehr auf dem Standpunkt des Budgetberichterstatters und
einer durchgreifenden Reform der Generalität. Allerdings scheint es, als ob
man auf anderm Wege als nur durch eine neue gesetzliche Regelung der Alters-


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die so gut wie gar nichts zu tun hätten und hier nur untergebracht seien, weil
man sie bis zur Altersgrenze behalten müsse und in der Front nicht mehr
verwenden könne. Dem Staate erwüchsen daraus unverhältnismäßig hohe Kosten,
während die Armee von diesen Offizieren nicht den mindesten Nutzen habe. Auch
dem Generalstab wirft Messimy, ähnlich wie es General Bonnal getan hat, vor,
daß er mit viel zu viel hohen Offizieren bedacht sei, die mit Verwaltungsarbeiten
beschäftigt würden, für die sie nicht genügend vorgebildet seien, und die sie eigent¬
lich auch nichts angingen. Der Berichterstatter fordert deshalb, daß die Stellen
von zehn Divisions- und von zwanzig Brigadegeneralen gestrichen würden, wo¬
durch allein eine Ersparnis von 567000 Franken gemacht werde, und er ver¬
langt weiter eine Herabsetzung der Altersgrenze für die gesamte Generalität
einheitlich auf 60 Jahre, während sie gegenwärtig für die Divisionsgenerale
auf 65 Jahre, für die Brigadegeucrale auf 62 Jahre normiert ist.

Unsers Trachtens liegen die Altersverhültnisse bei der französischen Armee
nicht ganz so ungünstig, wie Mr. Messimy sie hier geschildert hat. Die Rang¬
liste für 1907 gibt darüber, wie auch noch über andre Punkte, sehr genaue
und interessante Aufschlüsse. An Divisionsgeneralen zählt die Armee im
Mutterlande 110. Davon werden zwei Generale (Billot und Jamont) ohne
Altersgrenze in die Reihe der aktiven Offiziere eingerechnet, weil sie vor dem
Feinde eine Armee geführt haben, während General Duchesne, geboren 1837,
bis zum 70. Jahre in Aktivität bleibt, weil er sich als Eroberer von Madagaskar
besonders ausgezeichnet hat. Von den übrigen 107 Divisiousgeueralen erreichen
13 in diesem Jahre das 65. Lebensjahr, scheiden also aus, sonst ist das
Durchschnittsalter dieser Generalsklasse 61 Jahre, der jüngste von ihnen, General
Picquart, ist noch nicht 53 Jahre alt. Drei Divisionsgenerale sind ans dem
Soldatenstande hervorgegangen. Etwas weniger günstig stellen sich die Alters¬
verhältnisse mit 58 Jahren 9 Monaten im Durchschnitt bei den vorhandnen
220 Brigadegeneralen. Das liegt aber mit daran, daß allein in diesem Jahre
die hohe Zahl von 30 dieser Generale mit 62 Jahren die Altersgrenze erreicht,
während nur einer (General Lcgrcmd) erst 50 Jahre alt ist und schon 61 das
60. Lebensjahr überschritten haben. Auch fällt bei dieser Beurteilung ins Ge¬
wicht, daß 13 Brigadegeucrale von der Pike auf gedient haben. Erwägt man
aber dazu, daß nach vorstehender Aufstellung im Laufe von 1907 zusammen
45 Generale (einschließlich der Generale Duchesne und Dodds, dieser von der
Kolonialarmee) im 65. und im 62. Lebensjahre zurücktreten, so kann man,
wenigstens für einen Teil dieses Jahres, nicht gerade sagen, daß die französische
Generalität überaltert sei, ganz abgesehen davon, daß sich in ihrer Mitte eine
große Zahl hervorragend tüchtiger Männer findet.

Im gegenwärtigen französischen Parlament ist man nicht mit uns derselben
Ansicht und steht mehr auf dem Standpunkt des Budgetberichterstatters und
einer durchgreifenden Reform der Generalität. Allerdings scheint es, als ob
man auf anderm Wege als nur durch eine neue gesetzliche Regelung der Alters-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/122>, abgerufen am 06.02.2025.