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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Die Neugestaltung der Politik am Stillen Gzean

(Opiumraucher usw.), ihres Schmutzes wurden sie verachtet. Als sie zu zahl¬
reich wurden, griff man zu allerlei Maßregeln, um die Zufuhr fernzuhalten.
Man verbot die Ausfuhr von Leichen. Da es nun den Chinesen sehr unangenehm
ist. nach ihrem Tode den in der Heimat üblichen Ahnenkult entbehren zu müssen,
so hätte sie schon dieses ferngehalten. Doch verstanden sie sich bei Schiffs¬
ankünsten auf den Personenaustausch, und so nahm ihre Zahl wenig ab, obgleich
man wenig chinesische Leichen beerdigen konnte. Jetzt allerdings hat man
schärfere Maßnahmen getroffen. Im Jahre 1890 zählte man im Bereich der
Union noch 127000 Chinesen, 1900 nur noch 119000.

Die neuste Zeit hat nun das japanische Problem gebracht. Im Jahre 1890
zählte man nur 14400 Japaner, eine Zahl, die bei Umfang und Bevölkerung
der Vereinigten Staaten wirklich nichts ausmacht. 1900 war sie schon auf
86000 gestiegen. Heute glaubt man sie auf 120000 anschlagen zu dürfen.
Wieder ist es der ferne Westen, das Küstengelände am Stillen Ozean, wo diese
Asiaten am meisten anbringen. Und zwar ist es vor allem die inzwischen
amerikanisch gewordne Inselgruppe Hawaii, wo sich die Sache am schärfsten zu¬
spitzt. Sie ist 16784 Quadratkilometer groß, also noch 785 Quadratkilometer
größer als die preußische Provinz Hessen-Nassau. Im Jahre 1890 hatte sie
nur 90000 Einwohner, worunter noch 40000 Eingeborne waren, 1900 war die
Zahl schon auf 154000 gestiegen, worunter nur 29800 Eingeborne und
7800 Mischlinge waren. Der Hauptzuwachs füllt auf Chinesen (sie stiegen von
15300 auf 25700) und namentlich Japaner (62100 gegen 12360). Jetzt
bilden Japaner und Chinesen schon die ausgesprvchne Mehrheit. Diese Inseln
könnten eine wesentlich größere Bevölkerung ernähren, denn ihr Klima ist gesund,
der Boden ist fruchtbar und kann sogar in den trocknen Ebnen von den höhern
Berglagen durch Kanäle her gut bewässert werden. Es wohnen jetzt etwa neun
Seelen auf dem Quadratkilometer, das heißt weniger als der elfte Teil der
Bevölkerungsdichtigkeit in Deutschland. Dauert die Einwanderung von Japanern
in dem gegenwärtigen Umfange an, so ist Hawaii in kurzer Zeit der Nationalität
nach eine japanische Insel. Die 28 500 Weißen werden daran nicht viel ändern.
Besonders fürchtet man die Japaner, die als Soldaten der mandschurischen Armee
entlassen werden; es kommen dabei politische Rücksichten in Betracht, die wir
später zu berühren haben werden.

Nirgends hat man alles dies lebhafter vor Augen als in Kalifornien. In
San Francisco weiß man selber, was die japanische Einwanderung zu bedeuten
hat. Wohl sind die neuen Ostasiaten von der ersten Serie, der chinesische", zu
unterscheiden. Sie stehen ausgesprochen höher als diese. Aber auch sie sind an¬
spruchlose Leute ohne große Körperkraft, sie erobern sich Terrain durch Schlau¬
heit, Anstelligkeit und Genügsamkeit. In schweren Arbeiten können sie mit
Weißen nicht konkurrieren, als Kleinarbeiter, Feinarbeiter, Händler usw. sehr
wohl. Man erwartet jetzt einen förmlichen Ansturm japanischer Einwanderung.
Denn das Volk, das eine vielgefürchtete europäische Großmacht besiegt hat, ist


Die Neugestaltung der Politik am Stillen Gzean

(Opiumraucher usw.), ihres Schmutzes wurden sie verachtet. Als sie zu zahl¬
reich wurden, griff man zu allerlei Maßregeln, um die Zufuhr fernzuhalten.
Man verbot die Ausfuhr von Leichen. Da es nun den Chinesen sehr unangenehm
ist. nach ihrem Tode den in der Heimat üblichen Ahnenkult entbehren zu müssen,
so hätte sie schon dieses ferngehalten. Doch verstanden sie sich bei Schiffs¬
ankünsten auf den Personenaustausch, und so nahm ihre Zahl wenig ab, obgleich
man wenig chinesische Leichen beerdigen konnte. Jetzt allerdings hat man
schärfere Maßnahmen getroffen. Im Jahre 1890 zählte man im Bereich der
Union noch 127000 Chinesen, 1900 nur noch 119000.

Die neuste Zeit hat nun das japanische Problem gebracht. Im Jahre 1890
zählte man nur 14400 Japaner, eine Zahl, die bei Umfang und Bevölkerung
der Vereinigten Staaten wirklich nichts ausmacht. 1900 war sie schon auf
86000 gestiegen. Heute glaubt man sie auf 120000 anschlagen zu dürfen.
Wieder ist es der ferne Westen, das Küstengelände am Stillen Ozean, wo diese
Asiaten am meisten anbringen. Und zwar ist es vor allem die inzwischen
amerikanisch gewordne Inselgruppe Hawaii, wo sich die Sache am schärfsten zu¬
spitzt. Sie ist 16784 Quadratkilometer groß, also noch 785 Quadratkilometer
größer als die preußische Provinz Hessen-Nassau. Im Jahre 1890 hatte sie
nur 90000 Einwohner, worunter noch 40000 Eingeborne waren, 1900 war die
Zahl schon auf 154000 gestiegen, worunter nur 29800 Eingeborne und
7800 Mischlinge waren. Der Hauptzuwachs füllt auf Chinesen (sie stiegen von
15300 auf 25700) und namentlich Japaner (62100 gegen 12360). Jetzt
bilden Japaner und Chinesen schon die ausgesprvchne Mehrheit. Diese Inseln
könnten eine wesentlich größere Bevölkerung ernähren, denn ihr Klima ist gesund,
der Boden ist fruchtbar und kann sogar in den trocknen Ebnen von den höhern
Berglagen durch Kanäle her gut bewässert werden. Es wohnen jetzt etwa neun
Seelen auf dem Quadratkilometer, das heißt weniger als der elfte Teil der
Bevölkerungsdichtigkeit in Deutschland. Dauert die Einwanderung von Japanern
in dem gegenwärtigen Umfange an, so ist Hawaii in kurzer Zeit der Nationalität
nach eine japanische Insel. Die 28 500 Weißen werden daran nicht viel ändern.
Besonders fürchtet man die Japaner, die als Soldaten der mandschurischen Armee
entlassen werden; es kommen dabei politische Rücksichten in Betracht, die wir
später zu berühren haben werden.

Nirgends hat man alles dies lebhafter vor Augen als in Kalifornien. In
San Francisco weiß man selber, was die japanische Einwanderung zu bedeuten
hat. Wohl sind die neuen Ostasiaten von der ersten Serie, der chinesische», zu
unterscheiden. Sie stehen ausgesprochen höher als diese. Aber auch sie sind an¬
spruchlose Leute ohne große Körperkraft, sie erobern sich Terrain durch Schlau¬
heit, Anstelligkeit und Genügsamkeit. In schweren Arbeiten können sie mit
Weißen nicht konkurrieren, als Kleinarbeiter, Feinarbeiter, Händler usw. sehr
wohl. Man erwartet jetzt einen förmlichen Ansturm japanischer Einwanderung.
Denn das Volk, das eine vielgefürchtete europäische Großmacht besiegt hat, ist


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[0079] Die Neugestaltung der Politik am Stillen Gzean (Opiumraucher usw.), ihres Schmutzes wurden sie verachtet. Als sie zu zahl¬ reich wurden, griff man zu allerlei Maßregeln, um die Zufuhr fernzuhalten. Man verbot die Ausfuhr von Leichen. Da es nun den Chinesen sehr unangenehm ist. nach ihrem Tode den in der Heimat üblichen Ahnenkult entbehren zu müssen, so hätte sie schon dieses ferngehalten. Doch verstanden sie sich bei Schiffs¬ ankünsten auf den Personenaustausch, und so nahm ihre Zahl wenig ab, obgleich man wenig chinesische Leichen beerdigen konnte. Jetzt allerdings hat man schärfere Maßnahmen getroffen. Im Jahre 1890 zählte man im Bereich der Union noch 127000 Chinesen, 1900 nur noch 119000. Die neuste Zeit hat nun das japanische Problem gebracht. Im Jahre 1890 zählte man nur 14400 Japaner, eine Zahl, die bei Umfang und Bevölkerung der Vereinigten Staaten wirklich nichts ausmacht. 1900 war sie schon auf 86000 gestiegen. Heute glaubt man sie auf 120000 anschlagen zu dürfen. Wieder ist es der ferne Westen, das Küstengelände am Stillen Ozean, wo diese Asiaten am meisten anbringen. Und zwar ist es vor allem die inzwischen amerikanisch gewordne Inselgruppe Hawaii, wo sich die Sache am schärfsten zu¬ spitzt. Sie ist 16784 Quadratkilometer groß, also noch 785 Quadratkilometer größer als die preußische Provinz Hessen-Nassau. Im Jahre 1890 hatte sie nur 90000 Einwohner, worunter noch 40000 Eingeborne waren, 1900 war die Zahl schon auf 154000 gestiegen, worunter nur 29800 Eingeborne und 7800 Mischlinge waren. Der Hauptzuwachs füllt auf Chinesen (sie stiegen von 15300 auf 25700) und namentlich Japaner (62100 gegen 12360). Jetzt bilden Japaner und Chinesen schon die ausgesprvchne Mehrheit. Diese Inseln könnten eine wesentlich größere Bevölkerung ernähren, denn ihr Klima ist gesund, der Boden ist fruchtbar und kann sogar in den trocknen Ebnen von den höhern Berglagen durch Kanäle her gut bewässert werden. Es wohnen jetzt etwa neun Seelen auf dem Quadratkilometer, das heißt weniger als der elfte Teil der Bevölkerungsdichtigkeit in Deutschland. Dauert die Einwanderung von Japanern in dem gegenwärtigen Umfange an, so ist Hawaii in kurzer Zeit der Nationalität nach eine japanische Insel. Die 28 500 Weißen werden daran nicht viel ändern. Besonders fürchtet man die Japaner, die als Soldaten der mandschurischen Armee entlassen werden; es kommen dabei politische Rücksichten in Betracht, die wir später zu berühren haben werden. Nirgends hat man alles dies lebhafter vor Augen als in Kalifornien. In San Francisco weiß man selber, was die japanische Einwanderung zu bedeuten hat. Wohl sind die neuen Ostasiaten von der ersten Serie, der chinesische», zu unterscheiden. Sie stehen ausgesprochen höher als diese. Aber auch sie sind an¬ spruchlose Leute ohne große Körperkraft, sie erobern sich Terrain durch Schlau¬ heit, Anstelligkeit und Genügsamkeit. In schweren Arbeiten können sie mit Weißen nicht konkurrieren, als Kleinarbeiter, Feinarbeiter, Händler usw. sehr wohl. Man erwartet jetzt einen förmlichen Ansturm japanischer Einwanderung. Denn das Volk, das eine vielgefürchtete europäische Großmacht besiegt hat, ist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/79>, abgerufen am 24.07.2024.