Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die amerikanisch-japanischen Beziehungen

Vorher den völligen Ausbau der sibirischen Bahn. Japan hat Nußland in
einem Augenblick überfallen, als die sibirische Bahn eben erst als oonstruetion-
lailv^ eingerichtet war. Es ist also wahrscheinlich, daß wir den Ausbruch
eines amerikanisch-japanischen Krieges eher als die Eröffnung des Panama¬
kanals erleben werden, wenn auch nicht verkannt werden soll, daß es in der
Weltgeschichte hernach oft anders kommt, als tont 1s monäs glaubt.

Für die finanzielle Kraft Japans würde ein Krieg mit Amerika eine
Probe sein, die beim Nichtbestehen Japan leicht auf die passive Rolle vor
Beginn seiner Reformbewegungen zurückwerfen könnte. Es ist deshalb außer¬
ordentlich wertvoll, daß wir durch die Halleschen Veröffentlichungen in
den Stand gesetzt sind, die wirtschaftlichen Verhältnisse Japans genan
prüfen zu können.*) Wie sehr der auswärtige Kredit Japans durch seinen
glücklichen Krieg gehoben worden ist, ergibt sich am besten aus den immer
niedriger gewordnen Zinssätzen der Emissionen japanischer Anleihen in Europa
und auch in Amerika. Bei der Aufnahme seiner beiden auswärtigen An¬
leihen im Mai und im November 1904 mußte Japan nicht nur 6 Prozent
Zinsen zahlen und seine Zolleinnahmen verpfänden, sondern sich auch die
demütigende Bedingung gefallen lassen, monatlich ein Zwölftel der Zinsen bei
zwei Banken als Treuhändern der Gläubiger zu deponieren. Die beiden An¬
leihen vom März und vom Juli 1905, für die das Tabakmonopol als Sicher¬
heit galt, wurden nur zu 4^ Prozent abgeschlossen. Im November 1905
kam der Abschluß für eine 4prozentige Anleihe zustande, von der die Hälfte
in London, Berlin, Paris und Newyork zu 90 Prozent cuilliere wurde. Der
Emissionskurs hatte sich 1904 auf 90^ Prozent und bei den beiden andern
Anleihen von 1905 auf 90 Prozent gestellt, war also ungefähr derselbe ge¬
blieben, sodaß ohne weiteres eine Vergleichsbasis gegeben ist, und das Sinken
des Zinssatzes von 6 auf 4 Prozent klar hervortritt.

So günstig diese Hebung des auswärtigen Kredits Japans aber auf den
ersten Blick erscheinen mag, so wenig hat sie zu bedeuten, wenn man die innere
Finanzkraft Japans betrachtet. Japan ist erst seit vierzig Jahren in die Welt¬
wirtschaft eingetreten und hat darum keine Kapitalien ansammeln können, die sich
mit denen der Weißen Kulturländer irgendwie vergleichen ließen. Nach den
Halleschen Veröffentlichungen haben japanische Statistiker den Nationalreichtum
auf nur wenig über 13 Milliarden Jen (der Kurs des Jen schwankte zuletzt
zwischen 2 Mark 12 Pfennig und 2 Mark 7^/^ Pfennig) berechnet (575 Mark
pro Kopf), während sich die Staats- und Kommunalabgaben schon jetzt auf
3931/2 Millionen Yen (18 Mark pro Kopf) belaufen. Die Zinsenlast des
japanischen Staatshaushalts hat sich infolge des Krieges vervierfacht. Japan



Die Weltwirtschaft, ein Jahr- und Lesebuch, unter Mitwirkung zahlreicher Fachleute
herausgegeben von Dr. Ernst von Halle. I. Jahrgang 1906, III. Teil: Das Ausland (Japan.
S. 248 ff.),' Leipzig und Berlin, B. G. Teubner, 1906.
Die amerikanisch-japanischen Beziehungen

Vorher den völligen Ausbau der sibirischen Bahn. Japan hat Nußland in
einem Augenblick überfallen, als die sibirische Bahn eben erst als oonstruetion-
lailv^ eingerichtet war. Es ist also wahrscheinlich, daß wir den Ausbruch
eines amerikanisch-japanischen Krieges eher als die Eröffnung des Panama¬
kanals erleben werden, wenn auch nicht verkannt werden soll, daß es in der
Weltgeschichte hernach oft anders kommt, als tont 1s monäs glaubt.

Für die finanzielle Kraft Japans würde ein Krieg mit Amerika eine
Probe sein, die beim Nichtbestehen Japan leicht auf die passive Rolle vor
Beginn seiner Reformbewegungen zurückwerfen könnte. Es ist deshalb außer¬
ordentlich wertvoll, daß wir durch die Halleschen Veröffentlichungen in
den Stand gesetzt sind, die wirtschaftlichen Verhältnisse Japans genan
prüfen zu können.*) Wie sehr der auswärtige Kredit Japans durch seinen
glücklichen Krieg gehoben worden ist, ergibt sich am besten aus den immer
niedriger gewordnen Zinssätzen der Emissionen japanischer Anleihen in Europa
und auch in Amerika. Bei der Aufnahme seiner beiden auswärtigen An¬
leihen im Mai und im November 1904 mußte Japan nicht nur 6 Prozent
Zinsen zahlen und seine Zolleinnahmen verpfänden, sondern sich auch die
demütigende Bedingung gefallen lassen, monatlich ein Zwölftel der Zinsen bei
zwei Banken als Treuhändern der Gläubiger zu deponieren. Die beiden An¬
leihen vom März und vom Juli 1905, für die das Tabakmonopol als Sicher¬
heit galt, wurden nur zu 4^ Prozent abgeschlossen. Im November 1905
kam der Abschluß für eine 4prozentige Anleihe zustande, von der die Hälfte
in London, Berlin, Paris und Newyork zu 90 Prozent cuilliere wurde. Der
Emissionskurs hatte sich 1904 auf 90^ Prozent und bei den beiden andern
Anleihen von 1905 auf 90 Prozent gestellt, war also ungefähr derselbe ge¬
blieben, sodaß ohne weiteres eine Vergleichsbasis gegeben ist, und das Sinken
des Zinssatzes von 6 auf 4 Prozent klar hervortritt.

So günstig diese Hebung des auswärtigen Kredits Japans aber auf den
ersten Blick erscheinen mag, so wenig hat sie zu bedeuten, wenn man die innere
Finanzkraft Japans betrachtet. Japan ist erst seit vierzig Jahren in die Welt¬
wirtschaft eingetreten und hat darum keine Kapitalien ansammeln können, die sich
mit denen der Weißen Kulturländer irgendwie vergleichen ließen. Nach den
Halleschen Veröffentlichungen haben japanische Statistiker den Nationalreichtum
auf nur wenig über 13 Milliarden Jen (der Kurs des Jen schwankte zuletzt
zwischen 2 Mark 12 Pfennig und 2 Mark 7^/^ Pfennig) berechnet (575 Mark
pro Kopf), während sich die Staats- und Kommunalabgaben schon jetzt auf
3931/2 Millionen Yen (18 Mark pro Kopf) belaufen. Die Zinsenlast des
japanischen Staatshaushalts hat sich infolge des Krieges vervierfacht. Japan



Die Weltwirtschaft, ein Jahr- und Lesebuch, unter Mitwirkung zahlreicher Fachleute
herausgegeben von Dr. Ernst von Halle. I. Jahrgang 1906, III. Teil: Das Ausland (Japan.
S. 248 ff.),' Leipzig und Berlin, B. G. Teubner, 1906.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0680" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301934"/>
          <fw type="header" place="top"> Die amerikanisch-japanischen Beziehungen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2482" prev="#ID_2481"> Vorher den völligen Ausbau der sibirischen Bahn. Japan hat Nußland in<lb/>
einem Augenblick überfallen, als die sibirische Bahn eben erst als oonstruetion-<lb/>
lailv^ eingerichtet war. Es ist also wahrscheinlich, daß wir den Ausbruch<lb/>
eines amerikanisch-japanischen Krieges eher als die Eröffnung des Panama¬<lb/>
kanals erleben werden, wenn auch nicht verkannt werden soll, daß es in der<lb/>
Weltgeschichte hernach oft anders kommt, als tont 1s monäs glaubt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2483"> Für die finanzielle Kraft Japans würde ein Krieg mit Amerika eine<lb/>
Probe sein, die beim Nichtbestehen Japan leicht auf die passive Rolle vor<lb/>
Beginn seiner Reformbewegungen zurückwerfen könnte. Es ist deshalb außer¬<lb/>
ordentlich wertvoll, daß wir durch die Halleschen Veröffentlichungen in<lb/>
den Stand gesetzt sind, die wirtschaftlichen Verhältnisse Japans genan<lb/>
prüfen zu können.*) Wie sehr der auswärtige Kredit Japans durch seinen<lb/>
glücklichen Krieg gehoben worden ist, ergibt sich am besten aus den immer<lb/>
niedriger gewordnen Zinssätzen der Emissionen japanischer Anleihen in Europa<lb/>
und auch in Amerika. Bei der Aufnahme seiner beiden auswärtigen An¬<lb/>
leihen im Mai und im November 1904 mußte Japan nicht nur 6 Prozent<lb/>
Zinsen zahlen und seine Zolleinnahmen verpfänden, sondern sich auch die<lb/>
demütigende Bedingung gefallen lassen, monatlich ein Zwölftel der Zinsen bei<lb/>
zwei Banken als Treuhändern der Gläubiger zu deponieren. Die beiden An¬<lb/>
leihen vom März und vom Juli 1905, für die das Tabakmonopol als Sicher¬<lb/>
heit galt, wurden nur zu 4^ Prozent abgeschlossen. Im November 1905<lb/>
kam der Abschluß für eine 4prozentige Anleihe zustande, von der die Hälfte<lb/>
in London, Berlin, Paris und Newyork zu 90 Prozent cuilliere wurde. Der<lb/>
Emissionskurs hatte sich 1904 auf 90^ Prozent und bei den beiden andern<lb/>
Anleihen von 1905 auf 90 Prozent gestellt, war also ungefähr derselbe ge¬<lb/>
blieben, sodaß ohne weiteres eine Vergleichsbasis gegeben ist, und das Sinken<lb/>
des Zinssatzes von 6 auf 4 Prozent klar hervortritt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2484" next="#ID_2485"> So günstig diese Hebung des auswärtigen Kredits Japans aber auf den<lb/>
ersten Blick erscheinen mag, so wenig hat sie zu bedeuten, wenn man die innere<lb/>
Finanzkraft Japans betrachtet. Japan ist erst seit vierzig Jahren in die Welt¬<lb/>
wirtschaft eingetreten und hat darum keine Kapitalien ansammeln können, die sich<lb/>
mit denen der Weißen Kulturländer irgendwie vergleichen ließen. Nach den<lb/>
Halleschen Veröffentlichungen haben japanische Statistiker den Nationalreichtum<lb/>
auf nur wenig über 13 Milliarden Jen (der Kurs des Jen schwankte zuletzt<lb/>
zwischen 2 Mark 12 Pfennig und 2 Mark 7^/^ Pfennig) berechnet (575 Mark<lb/>
pro Kopf), während sich die Staats- und Kommunalabgaben schon jetzt auf<lb/>
3931/2 Millionen Yen (18 Mark pro Kopf) belaufen. Die Zinsenlast des<lb/>
japanischen Staatshaushalts hat sich infolge des Krieges vervierfacht. Japan</p><lb/>
          <note xml:id="FID_81" place="foot"> Die Weltwirtschaft, ein Jahr- und Lesebuch, unter Mitwirkung zahlreicher Fachleute<lb/>
herausgegeben von Dr. Ernst von Halle. I. Jahrgang 1906, III. Teil: Das Ausland (Japan.<lb/>
S. 248 ff.),' Leipzig und Berlin, B. G. Teubner, 1906.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0680] Die amerikanisch-japanischen Beziehungen Vorher den völligen Ausbau der sibirischen Bahn. Japan hat Nußland in einem Augenblick überfallen, als die sibirische Bahn eben erst als oonstruetion- lailv^ eingerichtet war. Es ist also wahrscheinlich, daß wir den Ausbruch eines amerikanisch-japanischen Krieges eher als die Eröffnung des Panama¬ kanals erleben werden, wenn auch nicht verkannt werden soll, daß es in der Weltgeschichte hernach oft anders kommt, als tont 1s monäs glaubt. Für die finanzielle Kraft Japans würde ein Krieg mit Amerika eine Probe sein, die beim Nichtbestehen Japan leicht auf die passive Rolle vor Beginn seiner Reformbewegungen zurückwerfen könnte. Es ist deshalb außer¬ ordentlich wertvoll, daß wir durch die Halleschen Veröffentlichungen in den Stand gesetzt sind, die wirtschaftlichen Verhältnisse Japans genan prüfen zu können.*) Wie sehr der auswärtige Kredit Japans durch seinen glücklichen Krieg gehoben worden ist, ergibt sich am besten aus den immer niedriger gewordnen Zinssätzen der Emissionen japanischer Anleihen in Europa und auch in Amerika. Bei der Aufnahme seiner beiden auswärtigen An¬ leihen im Mai und im November 1904 mußte Japan nicht nur 6 Prozent Zinsen zahlen und seine Zolleinnahmen verpfänden, sondern sich auch die demütigende Bedingung gefallen lassen, monatlich ein Zwölftel der Zinsen bei zwei Banken als Treuhändern der Gläubiger zu deponieren. Die beiden An¬ leihen vom März und vom Juli 1905, für die das Tabakmonopol als Sicher¬ heit galt, wurden nur zu 4^ Prozent abgeschlossen. Im November 1905 kam der Abschluß für eine 4prozentige Anleihe zustande, von der die Hälfte in London, Berlin, Paris und Newyork zu 90 Prozent cuilliere wurde. Der Emissionskurs hatte sich 1904 auf 90^ Prozent und bei den beiden andern Anleihen von 1905 auf 90 Prozent gestellt, war also ungefähr derselbe ge¬ blieben, sodaß ohne weiteres eine Vergleichsbasis gegeben ist, und das Sinken des Zinssatzes von 6 auf 4 Prozent klar hervortritt. So günstig diese Hebung des auswärtigen Kredits Japans aber auf den ersten Blick erscheinen mag, so wenig hat sie zu bedeuten, wenn man die innere Finanzkraft Japans betrachtet. Japan ist erst seit vierzig Jahren in die Welt¬ wirtschaft eingetreten und hat darum keine Kapitalien ansammeln können, die sich mit denen der Weißen Kulturländer irgendwie vergleichen ließen. Nach den Halleschen Veröffentlichungen haben japanische Statistiker den Nationalreichtum auf nur wenig über 13 Milliarden Jen (der Kurs des Jen schwankte zuletzt zwischen 2 Mark 12 Pfennig und 2 Mark 7^/^ Pfennig) berechnet (575 Mark pro Kopf), während sich die Staats- und Kommunalabgaben schon jetzt auf 3931/2 Millionen Yen (18 Mark pro Kopf) belaufen. Die Zinsenlast des japanischen Staatshaushalts hat sich infolge des Krieges vervierfacht. Japan Die Weltwirtschaft, ein Jahr- und Lesebuch, unter Mitwirkung zahlreicher Fachleute herausgegeben von Dr. Ernst von Halle. I. Jahrgang 1906, III. Teil: Das Ausland (Japan. S. 248 ff.),' Leipzig und Berlin, B. G. Teubner, 1906.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/680
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/680>, abgerufen am 24.07.2024.