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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Die amerikanisch-japanischen Beziehungen

dauer nach Japan berufen. Im Jahre 1874 wurde die erste Dampfschiff¬
gesellschaft, die Nippon Düsen Kaisha gegründet, die 1906 über 75 Seedampfer
mit 253900 Tonnen verfügte, während 10 Dampfer mit zusammen 28000 Tonnen
noch im Bau sind. An Subventionen bezahlt Japan im ganzen 17,5 Mil¬
lionen Mark jährlich an die Dampferlinien.

Die Entwicklung des Landes ist nur mit Beteiligung fremden Kapitals
möglich gewesen. Auch der letzte Krieg war, wie die Japaner selbst zugeben,
nur durchzuführen, weil Japan von ausländischen Finanziers unterstützt wurde.
So schrieb, wie Lignitz angibt, die japanische Zeitung Riehl Riehl am 1. Juli
1905, also uoch vor Abschluß des Friedens: "Wir haben große Armeen auf
dem Lande und furchtbare Kräfte auf der See in Aktion gebracht und große
Siege errungen. Aber um dies leisten zu können, waren wir zur Hülste auf
die Unterstützung britischer und amerikanischer (!) Kapitalien angewiesen. Diese
bittere Wahrheit muß unser Nationalstolz zugeben. Es würde eine gefährliche
Selbsttäuschung sein, zu denken, daß wir mit unsern eignen Mitteln den Krieg
Hütten so lange finanzieren können." Der Gedanke liegt nahe, zu fragen, ob
England auch einen japanischen Krieg gegen die Vereinigten Staaten finan¬
zieren würde. Jedenfalls wäre das ein großes Wagnis.

Die Neibungsflächen zwischen Japan und den Vereinigten Staaten haben
sich von Jahr zu Jahr vergrößert. Hawai war schon fast japanisch geworden,
als es von der Union annektiert wurde, und die Philippinen standen in alten
historischen Beziehungen zu Japan, ehe sie amerikanisch wurden. Schon Ende
des sechzehnten Jahrhunderts waren einige tausend Japaner dorthin ausge¬
wandert. Vor dem Aufstande Aguinaldos gegen die Spanier sollen die Japaner
Waffen importiert haben. Die Tagalen sollen sich, wie Lignitz behauptet, für
Verwandte der Japaner halten. Es ist also sehr wahrscheinlich, daß Japan
gehofft hatte, einst die Erbschaft Spaniens auf den Philippinen anzutreten, und
durch die amerikanische Besitzergreifung sehr enttäuscht wurde.

Japan hat mit England insofern eine große Ähnlichkeit, als es ebenfalls
nicht imstande ist, seine Bevölkerung zu ernähren, und auf ausländische Lebens¬
mittelzufuhr angewiesen ist. Ju Japan kommen 117 Menschen auf den Quadrat¬
kilometer, gegen 112 in Deutschland, und dabei ist in Japan weniger als ein
Drittel Kulturland. Zwingt also einerseits die Sicherung der Lebensmittel-
zufuhr zu eiuer kraftvollen Flottenpolitik, so ist andrerseits der imperialistische
Kolonisationstrieb ohne weiteres durch den Landhunger der stetig wachsenden
Bevölkerung Japans, das selbst kein anbauwürdigcs Land mehr aufweist, ohne
weiteres gegeben.

Die Fertigstellung des Panamakanals würde die Machtverhältnisse ent¬
schieden zu Japans Ungunsten und zum Vorteil der Vereinigten Staaten, die
dann ihre gesamte Kriegsflotte sofort im Stillen Ozean zur Verfügung hätten,
verschieben. Es ist daher fast mit mathematischer Sicherheit anzunehmen, daß
Japan die Beendigung des Panamakanals ebensowenig abwarten wird wie


Die amerikanisch-japanischen Beziehungen

dauer nach Japan berufen. Im Jahre 1874 wurde die erste Dampfschiff¬
gesellschaft, die Nippon Düsen Kaisha gegründet, die 1906 über 75 Seedampfer
mit 253900 Tonnen verfügte, während 10 Dampfer mit zusammen 28000 Tonnen
noch im Bau sind. An Subventionen bezahlt Japan im ganzen 17,5 Mil¬
lionen Mark jährlich an die Dampferlinien.

Die Entwicklung des Landes ist nur mit Beteiligung fremden Kapitals
möglich gewesen. Auch der letzte Krieg war, wie die Japaner selbst zugeben,
nur durchzuführen, weil Japan von ausländischen Finanziers unterstützt wurde.
So schrieb, wie Lignitz angibt, die japanische Zeitung Riehl Riehl am 1. Juli
1905, also uoch vor Abschluß des Friedens: „Wir haben große Armeen auf
dem Lande und furchtbare Kräfte auf der See in Aktion gebracht und große
Siege errungen. Aber um dies leisten zu können, waren wir zur Hülste auf
die Unterstützung britischer und amerikanischer (!) Kapitalien angewiesen. Diese
bittere Wahrheit muß unser Nationalstolz zugeben. Es würde eine gefährliche
Selbsttäuschung sein, zu denken, daß wir mit unsern eignen Mitteln den Krieg
Hütten so lange finanzieren können." Der Gedanke liegt nahe, zu fragen, ob
England auch einen japanischen Krieg gegen die Vereinigten Staaten finan¬
zieren würde. Jedenfalls wäre das ein großes Wagnis.

Die Neibungsflächen zwischen Japan und den Vereinigten Staaten haben
sich von Jahr zu Jahr vergrößert. Hawai war schon fast japanisch geworden,
als es von der Union annektiert wurde, und die Philippinen standen in alten
historischen Beziehungen zu Japan, ehe sie amerikanisch wurden. Schon Ende
des sechzehnten Jahrhunderts waren einige tausend Japaner dorthin ausge¬
wandert. Vor dem Aufstande Aguinaldos gegen die Spanier sollen die Japaner
Waffen importiert haben. Die Tagalen sollen sich, wie Lignitz behauptet, für
Verwandte der Japaner halten. Es ist also sehr wahrscheinlich, daß Japan
gehofft hatte, einst die Erbschaft Spaniens auf den Philippinen anzutreten, und
durch die amerikanische Besitzergreifung sehr enttäuscht wurde.

Japan hat mit England insofern eine große Ähnlichkeit, als es ebenfalls
nicht imstande ist, seine Bevölkerung zu ernähren, und auf ausländische Lebens¬
mittelzufuhr angewiesen ist. Ju Japan kommen 117 Menschen auf den Quadrat¬
kilometer, gegen 112 in Deutschland, und dabei ist in Japan weniger als ein
Drittel Kulturland. Zwingt also einerseits die Sicherung der Lebensmittel-
zufuhr zu eiuer kraftvollen Flottenpolitik, so ist andrerseits der imperialistische
Kolonisationstrieb ohne weiteres durch den Landhunger der stetig wachsenden
Bevölkerung Japans, das selbst kein anbauwürdigcs Land mehr aufweist, ohne
weiteres gegeben.

Die Fertigstellung des Panamakanals würde die Machtverhältnisse ent¬
schieden zu Japans Ungunsten und zum Vorteil der Vereinigten Staaten, die
dann ihre gesamte Kriegsflotte sofort im Stillen Ozean zur Verfügung hätten,
verschieben. Es ist daher fast mit mathematischer Sicherheit anzunehmen, daß
Japan die Beendigung des Panamakanals ebensowenig abwarten wird wie


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[0679] Die amerikanisch-japanischen Beziehungen dauer nach Japan berufen. Im Jahre 1874 wurde die erste Dampfschiff¬ gesellschaft, die Nippon Düsen Kaisha gegründet, die 1906 über 75 Seedampfer mit 253900 Tonnen verfügte, während 10 Dampfer mit zusammen 28000 Tonnen noch im Bau sind. An Subventionen bezahlt Japan im ganzen 17,5 Mil¬ lionen Mark jährlich an die Dampferlinien. Die Entwicklung des Landes ist nur mit Beteiligung fremden Kapitals möglich gewesen. Auch der letzte Krieg war, wie die Japaner selbst zugeben, nur durchzuführen, weil Japan von ausländischen Finanziers unterstützt wurde. So schrieb, wie Lignitz angibt, die japanische Zeitung Riehl Riehl am 1. Juli 1905, also uoch vor Abschluß des Friedens: „Wir haben große Armeen auf dem Lande und furchtbare Kräfte auf der See in Aktion gebracht und große Siege errungen. Aber um dies leisten zu können, waren wir zur Hülste auf die Unterstützung britischer und amerikanischer (!) Kapitalien angewiesen. Diese bittere Wahrheit muß unser Nationalstolz zugeben. Es würde eine gefährliche Selbsttäuschung sein, zu denken, daß wir mit unsern eignen Mitteln den Krieg Hütten so lange finanzieren können." Der Gedanke liegt nahe, zu fragen, ob England auch einen japanischen Krieg gegen die Vereinigten Staaten finan¬ zieren würde. Jedenfalls wäre das ein großes Wagnis. Die Neibungsflächen zwischen Japan und den Vereinigten Staaten haben sich von Jahr zu Jahr vergrößert. Hawai war schon fast japanisch geworden, als es von der Union annektiert wurde, und die Philippinen standen in alten historischen Beziehungen zu Japan, ehe sie amerikanisch wurden. Schon Ende des sechzehnten Jahrhunderts waren einige tausend Japaner dorthin ausge¬ wandert. Vor dem Aufstande Aguinaldos gegen die Spanier sollen die Japaner Waffen importiert haben. Die Tagalen sollen sich, wie Lignitz behauptet, für Verwandte der Japaner halten. Es ist also sehr wahrscheinlich, daß Japan gehofft hatte, einst die Erbschaft Spaniens auf den Philippinen anzutreten, und durch die amerikanische Besitzergreifung sehr enttäuscht wurde. Japan hat mit England insofern eine große Ähnlichkeit, als es ebenfalls nicht imstande ist, seine Bevölkerung zu ernähren, und auf ausländische Lebens¬ mittelzufuhr angewiesen ist. Ju Japan kommen 117 Menschen auf den Quadrat¬ kilometer, gegen 112 in Deutschland, und dabei ist in Japan weniger als ein Drittel Kulturland. Zwingt also einerseits die Sicherung der Lebensmittel- zufuhr zu eiuer kraftvollen Flottenpolitik, so ist andrerseits der imperialistische Kolonisationstrieb ohne weiteres durch den Landhunger der stetig wachsenden Bevölkerung Japans, das selbst kein anbauwürdigcs Land mehr aufweist, ohne weiteres gegeben. Die Fertigstellung des Panamakanals würde die Machtverhältnisse ent¬ schieden zu Japans Ungunsten und zum Vorteil der Vereinigten Staaten, die dann ihre gesamte Kriegsflotte sofort im Stillen Ozean zur Verfügung hätten, verschieben. Es ist daher fast mit mathematischer Sicherheit anzunehmen, daß Japan die Beendigung des Panamakanals ebensowenig abwarten wird wie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/679>, abgerufen am 24.07.2024.