Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die amerikanisch-japanischen Beziehungen

hatten, von solchen väterlichen Ermahnungen nicht gerade erbaut sind, war
vorauszusehen, und nur Brasilien hat momentan nach langen Jahren des Mi߬
trauens, das durch die Wilmingtonexpedition eines amerikanischen Kriegsschiffs
auf dem Amazonasstrom hervorgerufen worden war, den Vereinigten Staaten
eine freundlichere Gesinnung dokumentiert, weil Rio de Janeiro als Sitz des
Panamerikanischen Kongresses bestimmt und auf diese Weise Brasilien auasi
als vorherrschende Macht Südamerikas bezeichnet worden war, während ihm in
Wirklichkeit Argentinien diese Ehre sehr streitig macht und jedenfalls eine viel
modernere, gesündere und größere Hauptstadt aufzuweisen hat. Immerhin hat
aber auch Brasilien angefangen, neue Kriegsschiffe zu bauen, um nicht hinter
Chile und Argentinien zurückzustehn, sodciß bei einer früher oder später ein¬
tretenden Verstimmung Brasiliens gegen die Vereinigten Staaten diese mit einer
Tripelallianz zu rechnen hätten, wenn auch alles dies in weitem Felde stehn
mag, denn in Südamerika wird eine wirklich brauchbare Kriegsflotte in abseh¬
barer Zeit, mit Ausnahme Chiles, nicht geschaffen werden können, weil das ein¬
heimische Menschenmaterial zu schlecht ist.

Mexiko vollends, dem die Vereinigten Staaten 1848 schon mehr als die
Hälfte seines Territoriums weggenommen hatten, und das lange Jahre als
sichere Beute des Mächtigen galt, hat einen so staunenswerten, ganz an das
Beispiel Japans erinnernden Aufschwung genommen,'") daß von einer Okkupation
durch die Union keine Rede mehr sein kann. Die Rooseveltdoktrin hat aber in
Mexiko sowohl als in den andern großen Staaten der westlichen Hemisphäre
die natürliche Wirkung gehabt, daß man sich nach Schutz gegen die große nor¬
dische Schwesterrepnblik umsah.

Es ist bedauerlich, daß wir Deutschen nicht die Gelegenheit benutzt haben,
bei der Okkupation Panamas durch die Union auch uns einen Anteil an der
Entwicklung Amerikas zu sichern. Und dabei gilt Deutschland überall in Amerika
als leuchtendes Vorbild und der Deutsche Kaiser als der genialste und modernste
aller Herrscher. Chile und Argentinien haben sich deutsche Militärinstrukteure
erbeten und senden alljährlich einen Teil ihrer eignen Offiziere zur Ausbildung
in unsre Armee. Mexikos Präsident ist ein glühender Bewundrer des Kaisers
und der Deutschen, hat seine vortreffliche Armee mit den modernsten deutschen
Waffen ausgerüstet und bei jeder Gelegenheit, zuletzt bei dem großartigen Besuch
des deutschen Geschwaders, gezeigt, daß ihm eine Annäherung an Deutschland
erwünscht sei. Brasilien endlich verdankt die Entwicklung seiner drei Südstaaten
nur den 400000 Deutschen, die dort wohnen, und die ihm nie irgendwelche
Schwierigkeiten bereitet haben. Eine Zeit lang schien es auch, als ob die deutsche
Diplomatie endlich das Versäumte nachholen wollte. Das preußische von der
Heydtsche Ministerialreskript, wonach die Auswanderung nach Brasilien verboten
war, wurde für die drei Südstaaten Parana, Santa Catharina und Rio Grande



Grenzboten 1907, Heft 5, S, 229 sf.
Die amerikanisch-japanischen Beziehungen

hatten, von solchen väterlichen Ermahnungen nicht gerade erbaut sind, war
vorauszusehen, und nur Brasilien hat momentan nach langen Jahren des Mi߬
trauens, das durch die Wilmingtonexpedition eines amerikanischen Kriegsschiffs
auf dem Amazonasstrom hervorgerufen worden war, den Vereinigten Staaten
eine freundlichere Gesinnung dokumentiert, weil Rio de Janeiro als Sitz des
Panamerikanischen Kongresses bestimmt und auf diese Weise Brasilien auasi
als vorherrschende Macht Südamerikas bezeichnet worden war, während ihm in
Wirklichkeit Argentinien diese Ehre sehr streitig macht und jedenfalls eine viel
modernere, gesündere und größere Hauptstadt aufzuweisen hat. Immerhin hat
aber auch Brasilien angefangen, neue Kriegsschiffe zu bauen, um nicht hinter
Chile und Argentinien zurückzustehn, sodciß bei einer früher oder später ein¬
tretenden Verstimmung Brasiliens gegen die Vereinigten Staaten diese mit einer
Tripelallianz zu rechnen hätten, wenn auch alles dies in weitem Felde stehn
mag, denn in Südamerika wird eine wirklich brauchbare Kriegsflotte in abseh¬
barer Zeit, mit Ausnahme Chiles, nicht geschaffen werden können, weil das ein¬
heimische Menschenmaterial zu schlecht ist.

Mexiko vollends, dem die Vereinigten Staaten 1848 schon mehr als die
Hälfte seines Territoriums weggenommen hatten, und das lange Jahre als
sichere Beute des Mächtigen galt, hat einen so staunenswerten, ganz an das
Beispiel Japans erinnernden Aufschwung genommen,'") daß von einer Okkupation
durch die Union keine Rede mehr sein kann. Die Rooseveltdoktrin hat aber in
Mexiko sowohl als in den andern großen Staaten der westlichen Hemisphäre
die natürliche Wirkung gehabt, daß man sich nach Schutz gegen die große nor¬
dische Schwesterrepnblik umsah.

Es ist bedauerlich, daß wir Deutschen nicht die Gelegenheit benutzt haben,
bei der Okkupation Panamas durch die Union auch uns einen Anteil an der
Entwicklung Amerikas zu sichern. Und dabei gilt Deutschland überall in Amerika
als leuchtendes Vorbild und der Deutsche Kaiser als der genialste und modernste
aller Herrscher. Chile und Argentinien haben sich deutsche Militärinstrukteure
erbeten und senden alljährlich einen Teil ihrer eignen Offiziere zur Ausbildung
in unsre Armee. Mexikos Präsident ist ein glühender Bewundrer des Kaisers
und der Deutschen, hat seine vortreffliche Armee mit den modernsten deutschen
Waffen ausgerüstet und bei jeder Gelegenheit, zuletzt bei dem großartigen Besuch
des deutschen Geschwaders, gezeigt, daß ihm eine Annäherung an Deutschland
erwünscht sei. Brasilien endlich verdankt die Entwicklung seiner drei Südstaaten
nur den 400000 Deutschen, die dort wohnen, und die ihm nie irgendwelche
Schwierigkeiten bereitet haben. Eine Zeit lang schien es auch, als ob die deutsche
Diplomatie endlich das Versäumte nachholen wollte. Das preußische von der
Heydtsche Ministerialreskript, wonach die Auswanderung nach Brasilien verboten
war, wurde für die drei Südstaaten Parana, Santa Catharina und Rio Grande



Grenzboten 1907, Heft 5, S, 229 sf.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0675" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301929"/>
          <fw type="header" place="top"> Die amerikanisch-japanischen Beziehungen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2464" prev="#ID_2463"> hatten, von solchen väterlichen Ermahnungen nicht gerade erbaut sind, war<lb/>
vorauszusehen, und nur Brasilien hat momentan nach langen Jahren des Mi߬<lb/>
trauens, das durch die Wilmingtonexpedition eines amerikanischen Kriegsschiffs<lb/>
auf dem Amazonasstrom hervorgerufen worden war, den Vereinigten Staaten<lb/>
eine freundlichere Gesinnung dokumentiert, weil Rio de Janeiro als Sitz des<lb/>
Panamerikanischen Kongresses bestimmt und auf diese Weise Brasilien auasi<lb/>
als vorherrschende Macht Südamerikas bezeichnet worden war, während ihm in<lb/>
Wirklichkeit Argentinien diese Ehre sehr streitig macht und jedenfalls eine viel<lb/>
modernere, gesündere und größere Hauptstadt aufzuweisen hat. Immerhin hat<lb/>
aber auch Brasilien angefangen, neue Kriegsschiffe zu bauen, um nicht hinter<lb/>
Chile und Argentinien zurückzustehn, sodciß bei einer früher oder später ein¬<lb/>
tretenden Verstimmung Brasiliens gegen die Vereinigten Staaten diese mit einer<lb/>
Tripelallianz zu rechnen hätten, wenn auch alles dies in weitem Felde stehn<lb/>
mag, denn in Südamerika wird eine wirklich brauchbare Kriegsflotte in abseh¬<lb/>
barer Zeit, mit Ausnahme Chiles, nicht geschaffen werden können, weil das ein¬<lb/>
heimische Menschenmaterial zu schlecht ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2465"> Mexiko vollends, dem die Vereinigten Staaten 1848 schon mehr als die<lb/>
Hälfte seines Territoriums weggenommen hatten, und das lange Jahre als<lb/>
sichere Beute des Mächtigen galt, hat einen so staunenswerten, ganz an das<lb/>
Beispiel Japans erinnernden Aufschwung genommen,'") daß von einer Okkupation<lb/>
durch die Union keine Rede mehr sein kann. Die Rooseveltdoktrin hat aber in<lb/>
Mexiko sowohl als in den andern großen Staaten der westlichen Hemisphäre<lb/>
die natürliche Wirkung gehabt, daß man sich nach Schutz gegen die große nor¬<lb/>
dische Schwesterrepnblik umsah.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2466" next="#ID_2467"> Es ist bedauerlich, daß wir Deutschen nicht die Gelegenheit benutzt haben,<lb/>
bei der Okkupation Panamas durch die Union auch uns einen Anteil an der<lb/>
Entwicklung Amerikas zu sichern. Und dabei gilt Deutschland überall in Amerika<lb/>
als leuchtendes Vorbild und der Deutsche Kaiser als der genialste und modernste<lb/>
aller Herrscher. Chile und Argentinien haben sich deutsche Militärinstrukteure<lb/>
erbeten und senden alljährlich einen Teil ihrer eignen Offiziere zur Ausbildung<lb/>
in unsre Armee. Mexikos Präsident ist ein glühender Bewundrer des Kaisers<lb/>
und der Deutschen, hat seine vortreffliche Armee mit den modernsten deutschen<lb/>
Waffen ausgerüstet und bei jeder Gelegenheit, zuletzt bei dem großartigen Besuch<lb/>
des deutschen Geschwaders, gezeigt, daß ihm eine Annäherung an Deutschland<lb/>
erwünscht sei. Brasilien endlich verdankt die Entwicklung seiner drei Südstaaten<lb/>
nur den 400000 Deutschen, die dort wohnen, und die ihm nie irgendwelche<lb/>
Schwierigkeiten bereitet haben. Eine Zeit lang schien es auch, als ob die deutsche<lb/>
Diplomatie endlich das Versäumte nachholen wollte. Das preußische von der<lb/>
Heydtsche Ministerialreskript, wonach die Auswanderung nach Brasilien verboten<lb/>
war, wurde für die drei Südstaaten Parana, Santa Catharina und Rio Grande</p><lb/>
          <note xml:id="FID_79" place="foot"> Grenzboten 1907, Heft 5, S, 229 sf.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0675] Die amerikanisch-japanischen Beziehungen hatten, von solchen väterlichen Ermahnungen nicht gerade erbaut sind, war vorauszusehen, und nur Brasilien hat momentan nach langen Jahren des Mi߬ trauens, das durch die Wilmingtonexpedition eines amerikanischen Kriegsschiffs auf dem Amazonasstrom hervorgerufen worden war, den Vereinigten Staaten eine freundlichere Gesinnung dokumentiert, weil Rio de Janeiro als Sitz des Panamerikanischen Kongresses bestimmt und auf diese Weise Brasilien auasi als vorherrschende Macht Südamerikas bezeichnet worden war, während ihm in Wirklichkeit Argentinien diese Ehre sehr streitig macht und jedenfalls eine viel modernere, gesündere und größere Hauptstadt aufzuweisen hat. Immerhin hat aber auch Brasilien angefangen, neue Kriegsschiffe zu bauen, um nicht hinter Chile und Argentinien zurückzustehn, sodciß bei einer früher oder später ein¬ tretenden Verstimmung Brasiliens gegen die Vereinigten Staaten diese mit einer Tripelallianz zu rechnen hätten, wenn auch alles dies in weitem Felde stehn mag, denn in Südamerika wird eine wirklich brauchbare Kriegsflotte in abseh¬ barer Zeit, mit Ausnahme Chiles, nicht geschaffen werden können, weil das ein¬ heimische Menschenmaterial zu schlecht ist. Mexiko vollends, dem die Vereinigten Staaten 1848 schon mehr als die Hälfte seines Territoriums weggenommen hatten, und das lange Jahre als sichere Beute des Mächtigen galt, hat einen so staunenswerten, ganz an das Beispiel Japans erinnernden Aufschwung genommen,'") daß von einer Okkupation durch die Union keine Rede mehr sein kann. Die Rooseveltdoktrin hat aber in Mexiko sowohl als in den andern großen Staaten der westlichen Hemisphäre die natürliche Wirkung gehabt, daß man sich nach Schutz gegen die große nor¬ dische Schwesterrepnblik umsah. Es ist bedauerlich, daß wir Deutschen nicht die Gelegenheit benutzt haben, bei der Okkupation Panamas durch die Union auch uns einen Anteil an der Entwicklung Amerikas zu sichern. Und dabei gilt Deutschland überall in Amerika als leuchtendes Vorbild und der Deutsche Kaiser als der genialste und modernste aller Herrscher. Chile und Argentinien haben sich deutsche Militärinstrukteure erbeten und senden alljährlich einen Teil ihrer eignen Offiziere zur Ausbildung in unsre Armee. Mexikos Präsident ist ein glühender Bewundrer des Kaisers und der Deutschen, hat seine vortreffliche Armee mit den modernsten deutschen Waffen ausgerüstet und bei jeder Gelegenheit, zuletzt bei dem großartigen Besuch des deutschen Geschwaders, gezeigt, daß ihm eine Annäherung an Deutschland erwünscht sei. Brasilien endlich verdankt die Entwicklung seiner drei Südstaaten nur den 400000 Deutschen, die dort wohnen, und die ihm nie irgendwelche Schwierigkeiten bereitet haben. Eine Zeit lang schien es auch, als ob die deutsche Diplomatie endlich das Versäumte nachholen wollte. Das preußische von der Heydtsche Ministerialreskript, wonach die Auswanderung nach Brasilien verboten war, wurde für die drei Südstaaten Parana, Santa Catharina und Rio Grande Grenzboten 1907, Heft 5, S, 229 sf.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/675
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/675>, abgerufen am 04.07.2024.