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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Die militärpolitische Lage in den vereinigten Staaten von Nordamerika

bemüht sind, auch diesen Teil der Wehrkraft der Nation auf einen höhern Stand
von Leistungsfähigkeit zu bringen.

Das Heeresorganisationsgesetz vom Jahre 1901 hatte dem Präsidenten der
Vereinigten Staaten das Recht zugestanden, die Friedensstärke der Armee all¬
jährlich in den Grenzen von 58000 bis 98000 Mann festzusetzen, und demzufolge
war das Heer seit der Niederwerfung des Philippinenaufstandes jedes Jahr auf
die Stärke von rund 60000 Mann normiert worden -- nach den Bestimmungen
des Bundespräsideuten für 1907 genau 3750 Offiziere und 58128 Mann.
Seitdem sich aber auch die Union zur Organisation eines Gencralstabskorps
verstanden hat, dem die Prüfung und Ordnung aller die Landstreitkräfte be¬
treffenden Angelegenheiten zugefallen ist, wird jene Friedenspräsenz von rund
60000 Mann als alleiniger Kern der Wehrmacht und unter Berücksichtigung
der Tatsache, daß davon allein 34712 Mann zur Besatzung der Philippinen,
von Kuba, Alaska, Portorico und den Hawaiinseln sowie für die Küstenartillerie
benötigt werden, für nicht mehr ausreichend erachtet und eine wesentliche Ver¬
stärkung und schlagfertigere Organisation der Armee gefordert. Demzufolge hatte
die dritte Abteilung des Generalstabs schon vor einiger Zeit einen Plan aus¬
gearbeitet, wonach zwar die reguläre Armee, wie bisher, auf Friedensfuß nur
60000 Mann stark bleiben, aber zusammen mit einer neu zu formierenden re¬
gulären Reserve von 50000 Mann das Feldheer erster Linie bilden sollte, über
das der Präsident der Republik zu Kriegszeiten selbständig verfügen könne.
Außerdem sollte noch eine Nationalreserve von 100000 Mann aus solchen
Bürgern aufgestellt werden, die nicht Soldaten gewesen sind, Wohl aber den
Militärdienst bis zu einem gewissen Grade als Freiwillige in der Miliz oder
in Militärakademien kennen gelernt haben, und schließlich sollte noch eine or¬
ganisierte Miliz von 50000 Mann für die Landesverteidigung eingerichtet werden,
jedoch mit der Einschränkung, daß diese beiden letzten Heeresbestandteile von
zusammen 150000 Mann nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Kongresses
ins Feld geschickt werden dürften. Aber trotz der nicht wolkenfreien politischen
Lage hat sich der Kongreß auch jetzt nicht mit der Aufstellung dieser großen
Armeereserve von 150000 Mann einverstanden erklären können, zunächst des¬
halb nicht, weil es unmöglich sei, die dazu notwendige Zahl von Offizieren für
die reguläre Reserve und die zugleich geforderte Nationalreserve aufzubringen.
Außerdem aber wurde geltend gemacht, daß zunächst die weit wichtigere aber
sehr kostspielige Reorganisation der Artillerie durchgeführt werden müsse, die
nicht nur im Interesse der erhöhten Anforderungen an den Küstenschutz, sondern
auch zur Aufbesserung der Lage bei der Feldartillerie dringend geboten erscheine.

Da also auf diese Weise der Gedanke der Aufstellung einer großen Armee¬
reserve zunächst fallen gelassen werden muß, ist nur die Bildung einer regulären
Reserve von 50000 Mann übrig geblieben, die auch die Zustimmung des Parla¬
ments gefunden hat. Sie soll, wie sich das Gesetz ausspricht, hauptsächlich zur
Küstenverteidigung verwandt und aus solchen Leuten gebildet werden, die nach


Die militärpolitische Lage in den vereinigten Staaten von Nordamerika

bemüht sind, auch diesen Teil der Wehrkraft der Nation auf einen höhern Stand
von Leistungsfähigkeit zu bringen.

Das Heeresorganisationsgesetz vom Jahre 1901 hatte dem Präsidenten der
Vereinigten Staaten das Recht zugestanden, die Friedensstärke der Armee all¬
jährlich in den Grenzen von 58000 bis 98000 Mann festzusetzen, und demzufolge
war das Heer seit der Niederwerfung des Philippinenaufstandes jedes Jahr auf
die Stärke von rund 60000 Mann normiert worden — nach den Bestimmungen
des Bundespräsideuten für 1907 genau 3750 Offiziere und 58128 Mann.
Seitdem sich aber auch die Union zur Organisation eines Gencralstabskorps
verstanden hat, dem die Prüfung und Ordnung aller die Landstreitkräfte be¬
treffenden Angelegenheiten zugefallen ist, wird jene Friedenspräsenz von rund
60000 Mann als alleiniger Kern der Wehrmacht und unter Berücksichtigung
der Tatsache, daß davon allein 34712 Mann zur Besatzung der Philippinen,
von Kuba, Alaska, Portorico und den Hawaiinseln sowie für die Küstenartillerie
benötigt werden, für nicht mehr ausreichend erachtet und eine wesentliche Ver¬
stärkung und schlagfertigere Organisation der Armee gefordert. Demzufolge hatte
die dritte Abteilung des Generalstabs schon vor einiger Zeit einen Plan aus¬
gearbeitet, wonach zwar die reguläre Armee, wie bisher, auf Friedensfuß nur
60000 Mann stark bleiben, aber zusammen mit einer neu zu formierenden re¬
gulären Reserve von 50000 Mann das Feldheer erster Linie bilden sollte, über
das der Präsident der Republik zu Kriegszeiten selbständig verfügen könne.
Außerdem sollte noch eine Nationalreserve von 100000 Mann aus solchen
Bürgern aufgestellt werden, die nicht Soldaten gewesen sind, Wohl aber den
Militärdienst bis zu einem gewissen Grade als Freiwillige in der Miliz oder
in Militärakademien kennen gelernt haben, und schließlich sollte noch eine or¬
ganisierte Miliz von 50000 Mann für die Landesverteidigung eingerichtet werden,
jedoch mit der Einschränkung, daß diese beiden letzten Heeresbestandteile von
zusammen 150000 Mann nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Kongresses
ins Feld geschickt werden dürften. Aber trotz der nicht wolkenfreien politischen
Lage hat sich der Kongreß auch jetzt nicht mit der Aufstellung dieser großen
Armeereserve von 150000 Mann einverstanden erklären können, zunächst des¬
halb nicht, weil es unmöglich sei, die dazu notwendige Zahl von Offizieren für
die reguläre Reserve und die zugleich geforderte Nationalreserve aufzubringen.
Außerdem aber wurde geltend gemacht, daß zunächst die weit wichtigere aber
sehr kostspielige Reorganisation der Artillerie durchgeführt werden müsse, die
nicht nur im Interesse der erhöhten Anforderungen an den Küstenschutz, sondern
auch zur Aufbesserung der Lage bei der Feldartillerie dringend geboten erscheine.

Da also auf diese Weise der Gedanke der Aufstellung einer großen Armee¬
reserve zunächst fallen gelassen werden muß, ist nur die Bildung einer regulären
Reserve von 50000 Mann übrig geblieben, die auch die Zustimmung des Parla¬
ments gefunden hat. Sie soll, wie sich das Gesetz ausspricht, hauptsächlich zur
Küstenverteidigung verwandt und aus solchen Leuten gebildet werden, die nach


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[0619] Die militärpolitische Lage in den vereinigten Staaten von Nordamerika bemüht sind, auch diesen Teil der Wehrkraft der Nation auf einen höhern Stand von Leistungsfähigkeit zu bringen. Das Heeresorganisationsgesetz vom Jahre 1901 hatte dem Präsidenten der Vereinigten Staaten das Recht zugestanden, die Friedensstärke der Armee all¬ jährlich in den Grenzen von 58000 bis 98000 Mann festzusetzen, und demzufolge war das Heer seit der Niederwerfung des Philippinenaufstandes jedes Jahr auf die Stärke von rund 60000 Mann normiert worden — nach den Bestimmungen des Bundespräsideuten für 1907 genau 3750 Offiziere und 58128 Mann. Seitdem sich aber auch die Union zur Organisation eines Gencralstabskorps verstanden hat, dem die Prüfung und Ordnung aller die Landstreitkräfte be¬ treffenden Angelegenheiten zugefallen ist, wird jene Friedenspräsenz von rund 60000 Mann als alleiniger Kern der Wehrmacht und unter Berücksichtigung der Tatsache, daß davon allein 34712 Mann zur Besatzung der Philippinen, von Kuba, Alaska, Portorico und den Hawaiinseln sowie für die Küstenartillerie benötigt werden, für nicht mehr ausreichend erachtet und eine wesentliche Ver¬ stärkung und schlagfertigere Organisation der Armee gefordert. Demzufolge hatte die dritte Abteilung des Generalstabs schon vor einiger Zeit einen Plan aus¬ gearbeitet, wonach zwar die reguläre Armee, wie bisher, auf Friedensfuß nur 60000 Mann stark bleiben, aber zusammen mit einer neu zu formierenden re¬ gulären Reserve von 50000 Mann das Feldheer erster Linie bilden sollte, über das der Präsident der Republik zu Kriegszeiten selbständig verfügen könne. Außerdem sollte noch eine Nationalreserve von 100000 Mann aus solchen Bürgern aufgestellt werden, die nicht Soldaten gewesen sind, Wohl aber den Militärdienst bis zu einem gewissen Grade als Freiwillige in der Miliz oder in Militärakademien kennen gelernt haben, und schließlich sollte noch eine or¬ ganisierte Miliz von 50000 Mann für die Landesverteidigung eingerichtet werden, jedoch mit der Einschränkung, daß diese beiden letzten Heeresbestandteile von zusammen 150000 Mann nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Kongresses ins Feld geschickt werden dürften. Aber trotz der nicht wolkenfreien politischen Lage hat sich der Kongreß auch jetzt nicht mit der Aufstellung dieser großen Armeereserve von 150000 Mann einverstanden erklären können, zunächst des¬ halb nicht, weil es unmöglich sei, die dazu notwendige Zahl von Offizieren für die reguläre Reserve und die zugleich geforderte Nationalreserve aufzubringen. Außerdem aber wurde geltend gemacht, daß zunächst die weit wichtigere aber sehr kostspielige Reorganisation der Artillerie durchgeführt werden müsse, die nicht nur im Interesse der erhöhten Anforderungen an den Küstenschutz, sondern auch zur Aufbesserung der Lage bei der Feldartillerie dringend geboten erscheine. Da also auf diese Weise der Gedanke der Aufstellung einer großen Armee¬ reserve zunächst fallen gelassen werden muß, ist nur die Bildung einer regulären Reserve von 50000 Mann übrig geblieben, die auch die Zustimmung des Parla¬ ments gefunden hat. Sie soll, wie sich das Gesetz ausspricht, hauptsächlich zur Küstenverteidigung verwandt und aus solchen Leuten gebildet werden, die nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/619>, abgerufen am 27.07.2024.