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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Die militärpolitische Lage in den vereinigten Staaten von Nordamerika

errungen, dazu sei vielmehr notwendig, daß auch die offensiven Kampfmittel,
also Heer und Flotte, scharfe Waffen in der Hand geschulter Führer bildeten.

Was nun zunächst die Flotte anlangt, so erscheint sie, um das Wichtigste
gleich vorauszuschicken, heute auf einen großen Krieg nicht vorbereitet genug,
wenn auch die ungünstigen Angaben, die über die Stärke und ihren Zustand
vielfach verbreitet werden, nicht in allen Punkten als zutreffend angesehen
werden können. Richtig ist, daß der Kriegsschifsbau in den Vereinigten Staaten
viele Jahre nur langsame Fortschritte gemacht hat aus Gründen, die schon oft
erörtert worden sind und deshalb als bekannt vorausgesetzt werden dürfen.
Aber im Jahre 1906 hat die Flotte einen sehr bedeutenden Zuwachs erhalten,
denn nicht nur wurden, abgesehen von den zuletzt bewilligten Schlachtschiffen
"Michigan" und "South Carolina" und einigen geringwertigem Fahrzeugen,
sämtliche Neubauten von Stapel gelassen, sondern es sind auch nicht weniger als
acht Linienschiffe und sechs Panzerkreuzer fertig und zum erstenmal in Dienst
gestellt worden. Außerdem wurden sieben Linienschiffe und zwei Panzerkreuzer
sowie die in Arbeit befindlichen drei Scouts und vier Unterseeboote neuster
Konstruktion so im Bau gefördert, daß mit ihrer Ablieferung noch im Laufe
dieses Jahres gerechnet werden kann. Eine Erweiterung des Bauprogramms
ist allerdings nicht eingetreten, weil die einzige Vermehrung aus dem vor¬
jährigen Marineetat, das große Linienschiff, vom Kongreß nur im Prinzip be¬
willigt und dabei verlangt worden war, daß vor der endgiltigen Entscheidung
der Volksvertretung die Baupläne für dieses Schiff vorgelegt werden sollten.
Die Feststellung dieser Pläne ist nun freilich nicht so schnell erfolgt, wie es
wohl wünschenswert gewesen wäre. Aber wie aus dem letzten Jahresbericht
des bisherigen Marinesekretärs Bonaparte hervorgeht, konnten sich der Llsnerg,!
Loarä und die Marinebankommission lange Zeit nicht über wichtige Einzel¬
heiten einigen, und zudem wurde gewünscht, daß die Bnuresultate der englischen
"Dreadnought" abgewartet werden mochten. Nun sind aber die Entwürfe für
das neue Schlachtschiff fertig und beim Senat schon zur Vorlage gebracht
worden, und wir erfahren daraus unter anderm, daß es die Maße der "Dread¬
nought" nicht unwesentlich übertreffen und ein Deplacement von 20000 Tonnen,
eine Länge von 155,45 Metern und eine Breite von 25,98 Metern erhalten
soll. Die Bestückung an schwerer Artillerie mit zehn 30,5-Zentimeter-Geschützen
sowie die Fahrgeschwindigkeit von 21 Knoten werden die gleichen sein wie bei
dem großen englischen Neubau. Das Schiff soll mit der größten Beschleunigung
in Arbeit genommen werden, sobald der Senat seine Zustimmung gegeben haben
wird, woran heute kaum zu zweifeln ist. Voraussichtlich aber wird dieser Bau
nicht allein begonnen werden, sondern zugleich mit den Neubewilligungen des
diesjährigen Flottenbudgets. In den erwähnten Jahresbericht hatte nämlich
Mr. Bonaparte seine Vorschläge für das Etatsjahr 1907 aufgenommen, die
sich insgesamt auf 33080000 Dollar belaufen, und er hatte darin unter
anderm die Forderung aufgestellt für den Bau eines zweiten Schlachtschiffes


Die militärpolitische Lage in den vereinigten Staaten von Nordamerika

errungen, dazu sei vielmehr notwendig, daß auch die offensiven Kampfmittel,
also Heer und Flotte, scharfe Waffen in der Hand geschulter Führer bildeten.

Was nun zunächst die Flotte anlangt, so erscheint sie, um das Wichtigste
gleich vorauszuschicken, heute auf einen großen Krieg nicht vorbereitet genug,
wenn auch die ungünstigen Angaben, die über die Stärke und ihren Zustand
vielfach verbreitet werden, nicht in allen Punkten als zutreffend angesehen
werden können. Richtig ist, daß der Kriegsschifsbau in den Vereinigten Staaten
viele Jahre nur langsame Fortschritte gemacht hat aus Gründen, die schon oft
erörtert worden sind und deshalb als bekannt vorausgesetzt werden dürfen.
Aber im Jahre 1906 hat die Flotte einen sehr bedeutenden Zuwachs erhalten,
denn nicht nur wurden, abgesehen von den zuletzt bewilligten Schlachtschiffen
„Michigan" und „South Carolina" und einigen geringwertigem Fahrzeugen,
sämtliche Neubauten von Stapel gelassen, sondern es sind auch nicht weniger als
acht Linienschiffe und sechs Panzerkreuzer fertig und zum erstenmal in Dienst
gestellt worden. Außerdem wurden sieben Linienschiffe und zwei Panzerkreuzer
sowie die in Arbeit befindlichen drei Scouts und vier Unterseeboote neuster
Konstruktion so im Bau gefördert, daß mit ihrer Ablieferung noch im Laufe
dieses Jahres gerechnet werden kann. Eine Erweiterung des Bauprogramms
ist allerdings nicht eingetreten, weil die einzige Vermehrung aus dem vor¬
jährigen Marineetat, das große Linienschiff, vom Kongreß nur im Prinzip be¬
willigt und dabei verlangt worden war, daß vor der endgiltigen Entscheidung
der Volksvertretung die Baupläne für dieses Schiff vorgelegt werden sollten.
Die Feststellung dieser Pläne ist nun freilich nicht so schnell erfolgt, wie es
wohl wünschenswert gewesen wäre. Aber wie aus dem letzten Jahresbericht
des bisherigen Marinesekretärs Bonaparte hervorgeht, konnten sich der Llsnerg,!
Loarä und die Marinebankommission lange Zeit nicht über wichtige Einzel¬
heiten einigen, und zudem wurde gewünscht, daß die Bnuresultate der englischen
„Dreadnought" abgewartet werden mochten. Nun sind aber die Entwürfe für
das neue Schlachtschiff fertig und beim Senat schon zur Vorlage gebracht
worden, und wir erfahren daraus unter anderm, daß es die Maße der „Dread¬
nought" nicht unwesentlich übertreffen und ein Deplacement von 20000 Tonnen,
eine Länge von 155,45 Metern und eine Breite von 25,98 Metern erhalten
soll. Die Bestückung an schwerer Artillerie mit zehn 30,5-Zentimeter-Geschützen
sowie die Fahrgeschwindigkeit von 21 Knoten werden die gleichen sein wie bei
dem großen englischen Neubau. Das Schiff soll mit der größten Beschleunigung
in Arbeit genommen werden, sobald der Senat seine Zustimmung gegeben haben
wird, woran heute kaum zu zweifeln ist. Voraussichtlich aber wird dieser Bau
nicht allein begonnen werden, sondern zugleich mit den Neubewilligungen des
diesjährigen Flottenbudgets. In den erwähnten Jahresbericht hatte nämlich
Mr. Bonaparte seine Vorschläge für das Etatsjahr 1907 aufgenommen, die
sich insgesamt auf 33080000 Dollar belaufen, und er hatte darin unter
anderm die Forderung aufgestellt für den Bau eines zweiten Schlachtschiffes


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[0615] Die militärpolitische Lage in den vereinigten Staaten von Nordamerika errungen, dazu sei vielmehr notwendig, daß auch die offensiven Kampfmittel, also Heer und Flotte, scharfe Waffen in der Hand geschulter Führer bildeten. Was nun zunächst die Flotte anlangt, so erscheint sie, um das Wichtigste gleich vorauszuschicken, heute auf einen großen Krieg nicht vorbereitet genug, wenn auch die ungünstigen Angaben, die über die Stärke und ihren Zustand vielfach verbreitet werden, nicht in allen Punkten als zutreffend angesehen werden können. Richtig ist, daß der Kriegsschifsbau in den Vereinigten Staaten viele Jahre nur langsame Fortschritte gemacht hat aus Gründen, die schon oft erörtert worden sind und deshalb als bekannt vorausgesetzt werden dürfen. Aber im Jahre 1906 hat die Flotte einen sehr bedeutenden Zuwachs erhalten, denn nicht nur wurden, abgesehen von den zuletzt bewilligten Schlachtschiffen „Michigan" und „South Carolina" und einigen geringwertigem Fahrzeugen, sämtliche Neubauten von Stapel gelassen, sondern es sind auch nicht weniger als acht Linienschiffe und sechs Panzerkreuzer fertig und zum erstenmal in Dienst gestellt worden. Außerdem wurden sieben Linienschiffe und zwei Panzerkreuzer sowie die in Arbeit befindlichen drei Scouts und vier Unterseeboote neuster Konstruktion so im Bau gefördert, daß mit ihrer Ablieferung noch im Laufe dieses Jahres gerechnet werden kann. Eine Erweiterung des Bauprogramms ist allerdings nicht eingetreten, weil die einzige Vermehrung aus dem vor¬ jährigen Marineetat, das große Linienschiff, vom Kongreß nur im Prinzip be¬ willigt und dabei verlangt worden war, daß vor der endgiltigen Entscheidung der Volksvertretung die Baupläne für dieses Schiff vorgelegt werden sollten. Die Feststellung dieser Pläne ist nun freilich nicht so schnell erfolgt, wie es wohl wünschenswert gewesen wäre. Aber wie aus dem letzten Jahresbericht des bisherigen Marinesekretärs Bonaparte hervorgeht, konnten sich der Llsnerg,! Loarä und die Marinebankommission lange Zeit nicht über wichtige Einzel¬ heiten einigen, und zudem wurde gewünscht, daß die Bnuresultate der englischen „Dreadnought" abgewartet werden mochten. Nun sind aber die Entwürfe für das neue Schlachtschiff fertig und beim Senat schon zur Vorlage gebracht worden, und wir erfahren daraus unter anderm, daß es die Maße der „Dread¬ nought" nicht unwesentlich übertreffen und ein Deplacement von 20000 Tonnen, eine Länge von 155,45 Metern und eine Breite von 25,98 Metern erhalten soll. Die Bestückung an schwerer Artillerie mit zehn 30,5-Zentimeter-Geschützen sowie die Fahrgeschwindigkeit von 21 Knoten werden die gleichen sein wie bei dem großen englischen Neubau. Das Schiff soll mit der größten Beschleunigung in Arbeit genommen werden, sobald der Senat seine Zustimmung gegeben haben wird, woran heute kaum zu zweifeln ist. Voraussichtlich aber wird dieser Bau nicht allein begonnen werden, sondern zugleich mit den Neubewilligungen des diesjährigen Flottenbudgets. In den erwähnten Jahresbericht hatte nämlich Mr. Bonaparte seine Vorschläge für das Etatsjahr 1907 aufgenommen, die sich insgesamt auf 33080000 Dollar belaufen, und er hatte darin unter anderm die Forderung aufgestellt für den Bau eines zweiten Schlachtschiffes

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/615>, abgerufen am 04.07.2024.