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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Tänzelfritze

ließ sie sich anderntags durch den Schullehrer eine entferntere Verwandte ver¬
schreiben. Deren Kauderwelsch lernte sie so wenig wie diese das ihrige je völlig
verstehen, und so kommen sie auch jetzt noch unter täglichen Schimpfereien, ja auch
gelegentlichen Prügelszenen im Grunde ganz gut aus. Es ist der plattnäsigen,
untersetzten Linotsch gar nicht recht, daß sich die Tante bei diesem Leben förmlich
zu verjüngen und zu erfrischen scheint. Die Zeit vergeht im Fluge.

Die Tetemanns nennen Wine alle Tage einen Gottessegen. Was sollten sie
denn angefangen haben ohne das brave Mädchen? Besonders da sie es mit dem
armen Fritz, auch jetzt, wo er sich schon wieder recht gut erholt hat, so furchtbar
schwer haben. Hätte er doch wenigstens etwas gearbeitet! Nicht des Verdienstes
wegen! Ach, sie wollten sich ja gern plagen bis an ihr Lebensende, und außerdem
geht das Geschäft gerade seit dem Unglück so vortrefflich, daß Wine in ihrer er¬
heiternden Weise oft meint, man müsse sicher noch anbauen. Aber Fritz sollte sich
allein schon deshalb beschäftigen, damit er nicht soviele Zeit habe, immer an das
furchtbare Durchlebte zu denken. An dies denkt Fritz allerdings in andrer Weise,
als seine Angehörigen es fürchten, indem er lediglich das eigne Schicksal beklagt.
Seine zwei Schwestern schicken jetzt jeden Monat etwas. Aber das verraucht Fritz
allein schon. Außerdem hat er die nette Entschädigungssumme vom Fiskus. Aber
im Grunde -- ach Gottchen, ach Gottchen! seufzt dann wohl die Mutter -- ver¬
trinkt er eben allzuviel, als daß reichlich überbleiben könnte. Und wer bot ihm
nicht schon alles Arbeit! Sogar vom Steueramte waren zwei Herren gekommen,
um zu fragen, wie es dem Fritz gehe, und hatten ihm Schreibarbeiten angeboten,
die er zu Hause erledigen könne. Er habe ja den alten hellen Kopf und heile
Hände behalten. Aber Fritz murmelt dann von Schmerzen in Stirne und
Augen, von Kreuzweh und allen Wehs der Welt, die ihn verhindern, etwas zu
schaffen. Auf jede nur denkbare Art hat es besonders Wine schon probiert, den
Müßigen, der im zweiten Winter nach dem Unglück reichlich Fett anzusetzen be¬
gonnen hat, zu einer Beschäftigung zu bringen und ihn von der unseligen Trunk¬
sucht, der er heimlich, noch mehr als offen, front, abzulenken. Mit wachsender
Sorge, Trauer und Mutlosigkeit sieht sie, wie vergeblich all ihr Mühen ist. Allein
sie leidet auch sonst. Wachsen doch in Fritz auch andre Begierden wieder. Seine
Eitelkeit kehrt auch zurück. Wie einst will er "leger und adrett" sein und scherzt
und lacht auch aufs neue. Aber seine Scherze sind meist zweideutiger oder roher
Natur, und sein Lachen hat etwas Unechtes und Verletzendes. Seine Liebens¬
würdigkeit, besonders gegen Fremde, ist nicht der Schatten von der einstigen echten.
Und dann wieder, oft gerade wenn er sich dabei recht angestrengt hatte, muß er
selber an Ecken und Enden bemerken, daß man ihn im Grunde doch meidet.

Lange hatte er das scheue Benehmen der Leute bitter lachend seinem Unglück
und seiner so merkwürdig täuschenden, geradezu unheimlichen Beweglichkeit zuge¬
schrieben. Aber er ist nicht dumm genug, um nicht zu sehen, daß man ihn ein¬
fach nicht mag, sogar gerade die am wenigsten, die früher den Tänzelfritze so gern
gehabt hatten. Auch nicht auf dem Wege des Erbarmens und des Mitleids finden
sie sich jetzt zu ihm zurück, der ihnen ein Fremder geworden war. Viele meiden
den Krüppel nur nicht ganz um Malwine Reichhardts willen, vor der man großen
Respekt hat. Mit Kopfschütteln und Mienen ehrlicher Teilnahme, aber auch reich¬
lichen Grauens berichten sie, Fritz Telemann erzähle jedem, der es hören will, daß
er in nächstem Herbst mit Wine Hochzeit mache. Ist davon in der Familie die
Rede, dann wird das Mädchen einen Schatten bleicher. In Gedanken aber faßt
es sein Herz fester und bleibt heiter und freundlich. Nur ist Wine so sehr froh,
daß sie jetzt schon seit Monaten drüben bei der verwitweten Müllerin schlafen darf.


Tänzelfritze

ließ sie sich anderntags durch den Schullehrer eine entferntere Verwandte ver¬
schreiben. Deren Kauderwelsch lernte sie so wenig wie diese das ihrige je völlig
verstehen, und so kommen sie auch jetzt noch unter täglichen Schimpfereien, ja auch
gelegentlichen Prügelszenen im Grunde ganz gut aus. Es ist der plattnäsigen,
untersetzten Linotsch gar nicht recht, daß sich die Tante bei diesem Leben förmlich
zu verjüngen und zu erfrischen scheint. Die Zeit vergeht im Fluge.

Die Tetemanns nennen Wine alle Tage einen Gottessegen. Was sollten sie
denn angefangen haben ohne das brave Mädchen? Besonders da sie es mit dem
armen Fritz, auch jetzt, wo er sich schon wieder recht gut erholt hat, so furchtbar
schwer haben. Hätte er doch wenigstens etwas gearbeitet! Nicht des Verdienstes
wegen! Ach, sie wollten sich ja gern plagen bis an ihr Lebensende, und außerdem
geht das Geschäft gerade seit dem Unglück so vortrefflich, daß Wine in ihrer er¬
heiternden Weise oft meint, man müsse sicher noch anbauen. Aber Fritz sollte sich
allein schon deshalb beschäftigen, damit er nicht soviele Zeit habe, immer an das
furchtbare Durchlebte zu denken. An dies denkt Fritz allerdings in andrer Weise,
als seine Angehörigen es fürchten, indem er lediglich das eigne Schicksal beklagt.
Seine zwei Schwestern schicken jetzt jeden Monat etwas. Aber das verraucht Fritz
allein schon. Außerdem hat er die nette Entschädigungssumme vom Fiskus. Aber
im Grunde — ach Gottchen, ach Gottchen! seufzt dann wohl die Mutter — ver¬
trinkt er eben allzuviel, als daß reichlich überbleiben könnte. Und wer bot ihm
nicht schon alles Arbeit! Sogar vom Steueramte waren zwei Herren gekommen,
um zu fragen, wie es dem Fritz gehe, und hatten ihm Schreibarbeiten angeboten,
die er zu Hause erledigen könne. Er habe ja den alten hellen Kopf und heile
Hände behalten. Aber Fritz murmelt dann von Schmerzen in Stirne und
Augen, von Kreuzweh und allen Wehs der Welt, die ihn verhindern, etwas zu
schaffen. Auf jede nur denkbare Art hat es besonders Wine schon probiert, den
Müßigen, der im zweiten Winter nach dem Unglück reichlich Fett anzusetzen be¬
gonnen hat, zu einer Beschäftigung zu bringen und ihn von der unseligen Trunk¬
sucht, der er heimlich, noch mehr als offen, front, abzulenken. Mit wachsender
Sorge, Trauer und Mutlosigkeit sieht sie, wie vergeblich all ihr Mühen ist. Allein
sie leidet auch sonst. Wachsen doch in Fritz auch andre Begierden wieder. Seine
Eitelkeit kehrt auch zurück. Wie einst will er „leger und adrett" sein und scherzt
und lacht auch aufs neue. Aber seine Scherze sind meist zweideutiger oder roher
Natur, und sein Lachen hat etwas Unechtes und Verletzendes. Seine Liebens¬
würdigkeit, besonders gegen Fremde, ist nicht der Schatten von der einstigen echten.
Und dann wieder, oft gerade wenn er sich dabei recht angestrengt hatte, muß er
selber an Ecken und Enden bemerken, daß man ihn im Grunde doch meidet.

Lange hatte er das scheue Benehmen der Leute bitter lachend seinem Unglück
und seiner so merkwürdig täuschenden, geradezu unheimlichen Beweglichkeit zuge¬
schrieben. Aber er ist nicht dumm genug, um nicht zu sehen, daß man ihn ein¬
fach nicht mag, sogar gerade die am wenigsten, die früher den Tänzelfritze so gern
gehabt hatten. Auch nicht auf dem Wege des Erbarmens und des Mitleids finden
sie sich jetzt zu ihm zurück, der ihnen ein Fremder geworden war. Viele meiden
den Krüppel nur nicht ganz um Malwine Reichhardts willen, vor der man großen
Respekt hat. Mit Kopfschütteln und Mienen ehrlicher Teilnahme, aber auch reich¬
lichen Grauens berichten sie, Fritz Telemann erzähle jedem, der es hören will, daß
er in nächstem Herbst mit Wine Hochzeit mache. Ist davon in der Familie die
Rede, dann wird das Mädchen einen Schatten bleicher. In Gedanken aber faßt
es sein Herz fester und bleibt heiter und freundlich. Nur ist Wine so sehr froh,
daß sie jetzt schon seit Monaten drüben bei der verwitweten Müllerin schlafen darf.


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[0598] Tänzelfritze ließ sie sich anderntags durch den Schullehrer eine entferntere Verwandte ver¬ schreiben. Deren Kauderwelsch lernte sie so wenig wie diese das ihrige je völlig verstehen, und so kommen sie auch jetzt noch unter täglichen Schimpfereien, ja auch gelegentlichen Prügelszenen im Grunde ganz gut aus. Es ist der plattnäsigen, untersetzten Linotsch gar nicht recht, daß sich die Tante bei diesem Leben förmlich zu verjüngen und zu erfrischen scheint. Die Zeit vergeht im Fluge. Die Tetemanns nennen Wine alle Tage einen Gottessegen. Was sollten sie denn angefangen haben ohne das brave Mädchen? Besonders da sie es mit dem armen Fritz, auch jetzt, wo er sich schon wieder recht gut erholt hat, so furchtbar schwer haben. Hätte er doch wenigstens etwas gearbeitet! Nicht des Verdienstes wegen! Ach, sie wollten sich ja gern plagen bis an ihr Lebensende, und außerdem geht das Geschäft gerade seit dem Unglück so vortrefflich, daß Wine in ihrer er¬ heiternden Weise oft meint, man müsse sicher noch anbauen. Aber Fritz sollte sich allein schon deshalb beschäftigen, damit er nicht soviele Zeit habe, immer an das furchtbare Durchlebte zu denken. An dies denkt Fritz allerdings in andrer Weise, als seine Angehörigen es fürchten, indem er lediglich das eigne Schicksal beklagt. Seine zwei Schwestern schicken jetzt jeden Monat etwas. Aber das verraucht Fritz allein schon. Außerdem hat er die nette Entschädigungssumme vom Fiskus. Aber im Grunde — ach Gottchen, ach Gottchen! seufzt dann wohl die Mutter — ver¬ trinkt er eben allzuviel, als daß reichlich überbleiben könnte. Und wer bot ihm nicht schon alles Arbeit! Sogar vom Steueramte waren zwei Herren gekommen, um zu fragen, wie es dem Fritz gehe, und hatten ihm Schreibarbeiten angeboten, die er zu Hause erledigen könne. Er habe ja den alten hellen Kopf und heile Hände behalten. Aber Fritz murmelt dann von Schmerzen in Stirne und Augen, von Kreuzweh und allen Wehs der Welt, die ihn verhindern, etwas zu schaffen. Auf jede nur denkbare Art hat es besonders Wine schon probiert, den Müßigen, der im zweiten Winter nach dem Unglück reichlich Fett anzusetzen be¬ gonnen hat, zu einer Beschäftigung zu bringen und ihn von der unseligen Trunk¬ sucht, der er heimlich, noch mehr als offen, front, abzulenken. Mit wachsender Sorge, Trauer und Mutlosigkeit sieht sie, wie vergeblich all ihr Mühen ist. Allein sie leidet auch sonst. Wachsen doch in Fritz auch andre Begierden wieder. Seine Eitelkeit kehrt auch zurück. Wie einst will er „leger und adrett" sein und scherzt und lacht auch aufs neue. Aber seine Scherze sind meist zweideutiger oder roher Natur, und sein Lachen hat etwas Unechtes und Verletzendes. Seine Liebens¬ würdigkeit, besonders gegen Fremde, ist nicht der Schatten von der einstigen echten. Und dann wieder, oft gerade wenn er sich dabei recht angestrengt hatte, muß er selber an Ecken und Enden bemerken, daß man ihn im Grunde doch meidet. Lange hatte er das scheue Benehmen der Leute bitter lachend seinem Unglück und seiner so merkwürdig täuschenden, geradezu unheimlichen Beweglichkeit zuge¬ schrieben. Aber er ist nicht dumm genug, um nicht zu sehen, daß man ihn ein¬ fach nicht mag, sogar gerade die am wenigsten, die früher den Tänzelfritze so gern gehabt hatten. Auch nicht auf dem Wege des Erbarmens und des Mitleids finden sie sich jetzt zu ihm zurück, der ihnen ein Fremder geworden war. Viele meiden den Krüppel nur nicht ganz um Malwine Reichhardts willen, vor der man großen Respekt hat. Mit Kopfschütteln und Mienen ehrlicher Teilnahme, aber auch reich¬ lichen Grauens berichten sie, Fritz Telemann erzähle jedem, der es hören will, daß er in nächstem Herbst mit Wine Hochzeit mache. Ist davon in der Familie die Rede, dann wird das Mädchen einen Schatten bleicher. In Gedanken aber faßt es sein Herz fester und bleibt heiter und freundlich. Nur ist Wine so sehr froh, daß sie jetzt schon seit Monaten drüben bei der verwitweten Müllerin schlafen darf.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/598>, abgerufen am 25.07.2024.