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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Aufforderung zum Kampf gegen die unechten Farben

Fabrikanten und zum Färber durchdringen. Sie werden durch Ausflüchte, andre
Vorschläge, schließlich vielleicht durch eine kleine Preisermäßigung vom Ver¬
käufer pariert und unwirksam gemacht.

Das Publikum sollte sich erstens beim Einkauf versichern, daß der Verkäufer
für seine Ware einsteht, und zweitens, wenn die Ware nicht hält, was von ihr
versprochen worden war, das Ungenügende dem Verkäufer zur Verfügung stellen
und vollgiltigen Ersatz verlangen, gleichviel, ob der Stoff inzwischen in Kleider
oder sonst etwas verarbeitet worden ist. Freilich ist es oft schwierig, ja un¬
möglich, nach längerer Zeit noch solche Beschwerden zu machen oder überhaupt
des Verkäufers habhaft zu werden. Deshalb ist in allen Fällen, auch wenn
die Echtheit garantiert ist, eine Vorprüfung das Sicherste.

Und nun zurück zu unsern Farben! Wenn man einen Teil eines Musters
an sonnigen Tagen eine Woche lang dem Licht aussetzt und den andern Teil
entweder mit undurchsichtiger Pappe bedeckt oder im Dunkeln aufbewahrt, so
kann man für die meisten Fälle schon nach dieser Zeit durch Vergleichung der
beiden Teile ein Urteil gewinnen, ob die Farbe lichtecht ist, denn wenn der
ausgesetzte Teil sich ganz und gar nicht verändert hat, würde er voraussichtlich
auch noch länger so bleiben. Hat er aber angefangen zu verbleichen oder auch
nur einen andern Ton angenommen, so wird er mehr oder weniger rasch
vollends zugrunde gehn. Wenn es sich um den Einkauf schwerer, teurer Stoffe,
etwa für Vorhänge oder Teppiche handelt, ist es doch gewiß der Mühe wert,
solche Prüfungen zu machen und von einer Anzahl den besten Stoff aus¬
zuwählen.

Viel rascher läßt sich die Waschechtheit feststellen. Man nimmt etwas
warmes Wasser (Wolle soll ja nicht heißer als 60 Grad Celsius gewaschen werden),
reibt sich damit und mit Seife einen Schaum in die (reinen) Hände, nimmt
etwas von dem Muster (nicht alles) und ein paar Fädchen weiße Wolle und
weiße Baumwolle und reibt tüchtig. Farbe sich der Schaum, so ist das noch
kein endgiltig schlechtes Zeichen, färbt sich aber auch die mitgewaschne Weiße
Faser (was man erst nach Auswaschen der Seife und Trocknen der Fäden
sehen kann), so ist man gewiß, daß man keine waschechte Färbung vor sich
hat. Man spült gut mit Wasser nach, trocknet bei gelinder Wärme und kann
dann noch durch Vergleichung des gewaschnen Musters mit dem ungewaschnen
Rest beurteilen, wieviel die Färbung an Kraft verloren hat. Es ist wesentlich,
daß bei dieser Probe, wie überhaupt beim Waschen wollener Sachen, die Seife
vor dem Trocknen durch Spülen in Wasser gut entfernt werde, daß dann die
Sachen möglichst trocken ausgewrungen werden, und daß das Trocknen bei
mäßiger Wärme geschehe. Die Waschprobe läßt sich beliebig oft wiederholen,
und man kann auf diese Weise rasch sehen, wie eine Ware etwa nach zehn¬
maliger Wäsche aussehen wird.

Meine Leser sehen schon aus diesen zwei Beispielen, den Proben auf
Lichtechtheit und Waschechtheit, daß die zuverlässigsten und besten Proben die


Grenzboten I 1907 74
Aufforderung zum Kampf gegen die unechten Farben

Fabrikanten und zum Färber durchdringen. Sie werden durch Ausflüchte, andre
Vorschläge, schließlich vielleicht durch eine kleine Preisermäßigung vom Ver¬
käufer pariert und unwirksam gemacht.

Das Publikum sollte sich erstens beim Einkauf versichern, daß der Verkäufer
für seine Ware einsteht, und zweitens, wenn die Ware nicht hält, was von ihr
versprochen worden war, das Ungenügende dem Verkäufer zur Verfügung stellen
und vollgiltigen Ersatz verlangen, gleichviel, ob der Stoff inzwischen in Kleider
oder sonst etwas verarbeitet worden ist. Freilich ist es oft schwierig, ja un¬
möglich, nach längerer Zeit noch solche Beschwerden zu machen oder überhaupt
des Verkäufers habhaft zu werden. Deshalb ist in allen Fällen, auch wenn
die Echtheit garantiert ist, eine Vorprüfung das Sicherste.

Und nun zurück zu unsern Farben! Wenn man einen Teil eines Musters
an sonnigen Tagen eine Woche lang dem Licht aussetzt und den andern Teil
entweder mit undurchsichtiger Pappe bedeckt oder im Dunkeln aufbewahrt, so
kann man für die meisten Fälle schon nach dieser Zeit durch Vergleichung der
beiden Teile ein Urteil gewinnen, ob die Farbe lichtecht ist, denn wenn der
ausgesetzte Teil sich ganz und gar nicht verändert hat, würde er voraussichtlich
auch noch länger so bleiben. Hat er aber angefangen zu verbleichen oder auch
nur einen andern Ton angenommen, so wird er mehr oder weniger rasch
vollends zugrunde gehn. Wenn es sich um den Einkauf schwerer, teurer Stoffe,
etwa für Vorhänge oder Teppiche handelt, ist es doch gewiß der Mühe wert,
solche Prüfungen zu machen und von einer Anzahl den besten Stoff aus¬
zuwählen.

Viel rascher läßt sich die Waschechtheit feststellen. Man nimmt etwas
warmes Wasser (Wolle soll ja nicht heißer als 60 Grad Celsius gewaschen werden),
reibt sich damit und mit Seife einen Schaum in die (reinen) Hände, nimmt
etwas von dem Muster (nicht alles) und ein paar Fädchen weiße Wolle und
weiße Baumwolle und reibt tüchtig. Farbe sich der Schaum, so ist das noch
kein endgiltig schlechtes Zeichen, färbt sich aber auch die mitgewaschne Weiße
Faser (was man erst nach Auswaschen der Seife und Trocknen der Fäden
sehen kann), so ist man gewiß, daß man keine waschechte Färbung vor sich
hat. Man spült gut mit Wasser nach, trocknet bei gelinder Wärme und kann
dann noch durch Vergleichung des gewaschnen Musters mit dem ungewaschnen
Rest beurteilen, wieviel die Färbung an Kraft verloren hat. Es ist wesentlich,
daß bei dieser Probe, wie überhaupt beim Waschen wollener Sachen, die Seife
vor dem Trocknen durch Spülen in Wasser gut entfernt werde, daß dann die
Sachen möglichst trocken ausgewrungen werden, und daß das Trocknen bei
mäßiger Wärme geschehe. Die Waschprobe läßt sich beliebig oft wiederholen,
und man kann auf diese Weise rasch sehen, wie eine Ware etwa nach zehn¬
maliger Wäsche aussehen wird.

Meine Leser sehen schon aus diesen zwei Beispielen, den Proben auf
Lichtechtheit und Waschechtheit, daß die zuverlässigsten und besten Proben die


Grenzboten I 1907 74
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/577>, abgerufen am 24.07.2024.