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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Aufforderung zum Uampf gegen die unechten Farben

Wer mir bis hierher gefolgt ist, wird jetzt ohne Schwierigkeit ein weiteres
Beispiel des Niedergangs verstehen, das ich anführe: die früher allgemein
gebrauchten halbwollnen Futterstoffe (Kette Baumwolle, Schuß Wolle) werden
immer mehr durch die billigern ganz baumwollner Stoffe ersetzt, sehr zum
Schaden des Publikums. Es werden diesen Baumwollenstoffen durch allerhand
mechanische und chemische Mittel der Glanz und Griff, die Fülle und das
ganze Aussehen der Halbwollstoffe gegeben, aber diese schönen Eigenschaften
sind so unecht, daß ein Tropfen Wasser, ein heißes Bügeleisen, ja manchmal
schon ein feuchtes Klima die Täuschung zerstört, und zwar auf Nimmerwieder¬
sehen. Dagegen können die Halbwollstoffe bei schönem Glanz Wasser- und
bügelecht und auch schweißecht gemacht werden, tragen sich vorzüglich und
werden nicht faltig. Auch da wird ein doppelter Baumwollfaden als Ketten¬
garn eine solidere Ware geben als ein einfacher.

Die Färbung selbst zu prüfen ist dann die letzte, aber auch die schwierigste
Aufgabe. Wir wollen die drei hauptsächlich gebrauchten Fasern zur Besprechung
wählen: Wolle, Baumwolle und Seide. Die andern Fasern verhalten sich
ähnlich, je nachdem sie tierischen Ursprungs sind, wie Wolle oder Seide, oder
pflanzlichen, wie Baumwolle.

Die Wolle in all den Spielarten und Mischungen, wie sie in den ver-
schiednen Geweben und Garnen vorkommt, ist leicht echt zu färben, und das
Publikum sollte es nicht dulden, daß ihm Färbungen verkauft werden, die nicht
vollständig den gerechten Ansprüchen genügen. Welcher Art die Echtheits¬
ansprüche sind, geht aus dem Zwecke hervor, für den man die Ware benutzen
will, und das Nähere darüber habe ich großenteils schon gesagt. Gibt es aber
noch mehr Wünsche, so sollen sie vom Publikum geäußert werden, und es soll
sich nicht täuschen lassen durch schöne Fabrikmarken, auf denen steht: "Garantiert
echt", was meist nichts andres heißt, als daß die Ware von einem bestimmten
Fabrikanten gemacht ist. Man muß verlangen, zu sehen: garantiert lichtecht,
garantiert bügelecht, garantiert waschecht usw., und muß obendrein noch erfahren
können, welcher Grad von Echtheit garantiert wird. Denn Waschen und Waschen
ist zweierlei, und es ist ein andres, ob man einmal wäscht, oder ob man zehn¬
mal wäscht!

Es gibt Firmen, die mit ihren Waren gedruckte Anweisungen versenden,
wie die Waren zum Beispiel in der Wüsche behandelt werden sollen. Ein
solches Vorgehen ist nicht nur sehr lobenswert, es zeigt auch, wie willig und
bereit die Verkäufer sein können, dem Publikum zu helfen, und daß dieses
seinerseits nur des richtigen Verständnisses bedarf, damit befriedigende Ver-
hältnisse erreicht werden. Ist aber einmal die garantierte Echtheit nicht vor¬
handen, so erreicht man gar nichts damit, daß man dem Verkäufer sagt, man
wolle eine bessere Qualität haben als das letztemal, es hilft auch nichts, daß
man in einen andern Laden geht und es da versucht, auch mit Klagen allein
ist nichts getan -- alles dies sind nur halbe Maßregeln, die nicht bis zum


Aufforderung zum Uampf gegen die unechten Farben

Wer mir bis hierher gefolgt ist, wird jetzt ohne Schwierigkeit ein weiteres
Beispiel des Niedergangs verstehen, das ich anführe: die früher allgemein
gebrauchten halbwollnen Futterstoffe (Kette Baumwolle, Schuß Wolle) werden
immer mehr durch die billigern ganz baumwollner Stoffe ersetzt, sehr zum
Schaden des Publikums. Es werden diesen Baumwollenstoffen durch allerhand
mechanische und chemische Mittel der Glanz und Griff, die Fülle und das
ganze Aussehen der Halbwollstoffe gegeben, aber diese schönen Eigenschaften
sind so unecht, daß ein Tropfen Wasser, ein heißes Bügeleisen, ja manchmal
schon ein feuchtes Klima die Täuschung zerstört, und zwar auf Nimmerwieder¬
sehen. Dagegen können die Halbwollstoffe bei schönem Glanz Wasser- und
bügelecht und auch schweißecht gemacht werden, tragen sich vorzüglich und
werden nicht faltig. Auch da wird ein doppelter Baumwollfaden als Ketten¬
garn eine solidere Ware geben als ein einfacher.

Die Färbung selbst zu prüfen ist dann die letzte, aber auch die schwierigste
Aufgabe. Wir wollen die drei hauptsächlich gebrauchten Fasern zur Besprechung
wählen: Wolle, Baumwolle und Seide. Die andern Fasern verhalten sich
ähnlich, je nachdem sie tierischen Ursprungs sind, wie Wolle oder Seide, oder
pflanzlichen, wie Baumwolle.

Die Wolle in all den Spielarten und Mischungen, wie sie in den ver-
schiednen Geweben und Garnen vorkommt, ist leicht echt zu färben, und das
Publikum sollte es nicht dulden, daß ihm Färbungen verkauft werden, die nicht
vollständig den gerechten Ansprüchen genügen. Welcher Art die Echtheits¬
ansprüche sind, geht aus dem Zwecke hervor, für den man die Ware benutzen
will, und das Nähere darüber habe ich großenteils schon gesagt. Gibt es aber
noch mehr Wünsche, so sollen sie vom Publikum geäußert werden, und es soll
sich nicht täuschen lassen durch schöne Fabrikmarken, auf denen steht: „Garantiert
echt", was meist nichts andres heißt, als daß die Ware von einem bestimmten
Fabrikanten gemacht ist. Man muß verlangen, zu sehen: garantiert lichtecht,
garantiert bügelecht, garantiert waschecht usw., und muß obendrein noch erfahren
können, welcher Grad von Echtheit garantiert wird. Denn Waschen und Waschen
ist zweierlei, und es ist ein andres, ob man einmal wäscht, oder ob man zehn¬
mal wäscht!

Es gibt Firmen, die mit ihren Waren gedruckte Anweisungen versenden,
wie die Waren zum Beispiel in der Wüsche behandelt werden sollen. Ein
solches Vorgehen ist nicht nur sehr lobenswert, es zeigt auch, wie willig und
bereit die Verkäufer sein können, dem Publikum zu helfen, und daß dieses
seinerseits nur des richtigen Verständnisses bedarf, damit befriedigende Ver-
hältnisse erreicht werden. Ist aber einmal die garantierte Echtheit nicht vor¬
handen, so erreicht man gar nichts damit, daß man dem Verkäufer sagt, man
wolle eine bessere Qualität haben als das letztemal, es hilft auch nichts, daß
man in einen andern Laden geht und es da versucht, auch mit Klagen allein
ist nichts getan — alles dies sind nur halbe Maßregeln, die nicht bis zum


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[0576] Aufforderung zum Uampf gegen die unechten Farben Wer mir bis hierher gefolgt ist, wird jetzt ohne Schwierigkeit ein weiteres Beispiel des Niedergangs verstehen, das ich anführe: die früher allgemein gebrauchten halbwollnen Futterstoffe (Kette Baumwolle, Schuß Wolle) werden immer mehr durch die billigern ganz baumwollner Stoffe ersetzt, sehr zum Schaden des Publikums. Es werden diesen Baumwollenstoffen durch allerhand mechanische und chemische Mittel der Glanz und Griff, die Fülle und das ganze Aussehen der Halbwollstoffe gegeben, aber diese schönen Eigenschaften sind so unecht, daß ein Tropfen Wasser, ein heißes Bügeleisen, ja manchmal schon ein feuchtes Klima die Täuschung zerstört, und zwar auf Nimmerwieder¬ sehen. Dagegen können die Halbwollstoffe bei schönem Glanz Wasser- und bügelecht und auch schweißecht gemacht werden, tragen sich vorzüglich und werden nicht faltig. Auch da wird ein doppelter Baumwollfaden als Ketten¬ garn eine solidere Ware geben als ein einfacher. Die Färbung selbst zu prüfen ist dann die letzte, aber auch die schwierigste Aufgabe. Wir wollen die drei hauptsächlich gebrauchten Fasern zur Besprechung wählen: Wolle, Baumwolle und Seide. Die andern Fasern verhalten sich ähnlich, je nachdem sie tierischen Ursprungs sind, wie Wolle oder Seide, oder pflanzlichen, wie Baumwolle. Die Wolle in all den Spielarten und Mischungen, wie sie in den ver- schiednen Geweben und Garnen vorkommt, ist leicht echt zu färben, und das Publikum sollte es nicht dulden, daß ihm Färbungen verkauft werden, die nicht vollständig den gerechten Ansprüchen genügen. Welcher Art die Echtheits¬ ansprüche sind, geht aus dem Zwecke hervor, für den man die Ware benutzen will, und das Nähere darüber habe ich großenteils schon gesagt. Gibt es aber noch mehr Wünsche, so sollen sie vom Publikum geäußert werden, und es soll sich nicht täuschen lassen durch schöne Fabrikmarken, auf denen steht: „Garantiert echt", was meist nichts andres heißt, als daß die Ware von einem bestimmten Fabrikanten gemacht ist. Man muß verlangen, zu sehen: garantiert lichtecht, garantiert bügelecht, garantiert waschecht usw., und muß obendrein noch erfahren können, welcher Grad von Echtheit garantiert wird. Denn Waschen und Waschen ist zweierlei, und es ist ein andres, ob man einmal wäscht, oder ob man zehn¬ mal wäscht! Es gibt Firmen, die mit ihren Waren gedruckte Anweisungen versenden, wie die Waren zum Beispiel in der Wüsche behandelt werden sollen. Ein solches Vorgehen ist nicht nur sehr lobenswert, es zeigt auch, wie willig und bereit die Verkäufer sein können, dem Publikum zu helfen, und daß dieses seinerseits nur des richtigen Verständnisses bedarf, damit befriedigende Ver- hältnisse erreicht werden. Ist aber einmal die garantierte Echtheit nicht vor¬ handen, so erreicht man gar nichts damit, daß man dem Verkäufer sagt, man wolle eine bessere Qualität haben als das letztemal, es hilft auch nichts, daß man in einen andern Laden geht und es da versucht, auch mit Klagen allein ist nichts getan — alles dies sind nur halbe Maßregeln, die nicht bis zum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/576>, abgerufen am 24.07.2024.