Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.Russische Briefe des Zartums, sondern erstreckt sich über ganz Litauen tief hinein nach Wei߬ Die Zentrale für die Kulturtätigkeit liegt in den Händen der "Macierz Wie gewissenhaft und folgerichtig der Verein vorgeht, zeigt auch eine Enquete, Russische Briefe des Zartums, sondern erstreckt sich über ganz Litauen tief hinein nach Wei߬ Die Zentrale für die Kulturtätigkeit liegt in den Händen der „Macierz Wie gewissenhaft und folgerichtig der Verein vorgeht, zeigt auch eine Enquete, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0560" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301814"/> <fw type="header" place="top"> Russische Briefe</fw><lb/> <p xml:id="ID_2068" prev="#ID_2067"> des Zartums, sondern erstreckt sich über ganz Litauen tief hinein nach Wei߬<lb/> rußland und Kurland und über Wolhynien nach Kleinrußland.</p><lb/> <p xml:id="ID_2069"> Die Zentrale für die Kulturtätigkeit liegt in den Händen der „Macierz<lb/> polska" zu Lemberg. Die Gesellschaft hat den Zweck, im polnischen Volk den<lb/> nationalen Gedanken lebendig zu erhalten, Privatschulen einzurichten, die<lb/> katholischen Priester in ihrem Einfluß zu heben, die Verbindung der in den<lb/> drei Teilungsmächten einzeln lebenden Polen untereinander aufrecht zu erhalten.<lb/> Bis 1905 hat der Verein besonders in Oberschlesien gewirkt und lebhaft teil¬<lb/> genommen an der Redaktion der „sozialdemokratischen" Gazeta Nobotnicza, zu<lb/> der die deutsche Sozialdemokratie jährlich 30000 Mark beigesteuert hat — deutsche<lb/> Arbeitergroschen! Nach den Erlassen vom 17. April und 25. Juli 1905 ist<lb/> die Macierz polska auch öffentlich in Nußland hervorgetreten. In allen Pfarr¬<lb/> orten hat der Verein schon polnische Elementarschulen eingerichtet mit dem<lb/> Programm: Religion, Polnisch, Geschichte und Geographie. In welchem Sinne<lb/> der Unterricht in diesen Schulen geführt wird, lehrt uns die jüngste (dreiund¬<lb/> achtzigste) Veröffentlichung des Vereins „Polska, obrazy i opisy" (Polen,<lb/> Skizzen und Beschreibungen, Band I, 930 Seiten mit 3 Karten und 370 Bildern.<lb/> Lemberg, 1906). Aus diesem Buche erfahren wir zunächst, welches die polnischen<lb/> Lande sind. Ihre Grenzen: die Oder, die Ostsee, Dura, Dujepr, Schwarzes<lb/> Meer, Karpaten! (S. 6/7) — Seite 139/65 ist der Beschreibung der preußischen<lb/> „Polen" gewidmet. Diese Polen sind: unsre braven schlesischen Bauern, die<lb/> Bamberger Posens, die Bewohner der Weichselniederung, die Kassuben und<lb/> Masuren, also alle Katholiken Ostdeutschlands. Am Schluß (S. 165) heißt es<lb/> unter besondern! Hinweis auf die Presse wörtlich: „Ihre Menge und die Zahl<lb/> der Abnehmer zeugen von der mächtigen Vergrößerung des Leserkreises, aber<lb/> zugleich auch von der Lebendigkeit der polnischen Idee in den am<lb/> meisten gefährdeten Teilen." Was bedeutet neben diesem Bekenntnis<lb/> die wiederholte Versicherung polnischer Aristokraten an deutsche, der Glaube<lb/> an einen polnischen Staat sei erloschen!</p><lb/> <p xml:id="ID_2070" next="#ID_2071"> Wie gewissenhaft und folgerichtig der Verein vorgeht, zeigt auch eine Enquete,<lb/> die eins seiner Organe, der Przegls,d Powszechny, unter der Spitzmarke „Die<lb/> heutigen Aufgaben des Katholizismus" (Krakau, 1906, 30 und 514 S.) veröffent¬<lb/> licht hat. Antworten haben zehn Bischöfe, acht Vereine und sechsundsechzig Schrift¬<lb/> steller aller Schattierungen eingesandt. Die Namen der Erzbischöfe Stablewski,<lb/> Likowski, der Schriftsteller Sienkiewicz, Morawski, Klaczko, der Politiker Graf<lb/> Mieroszewski, Graf Rostworowski, Graf Szczeptycki sind darunter. Aus den Er¬<lb/> gebnissen der Rundfrage sei hervorgehoben, daß als eine der wesentlichsten Auf¬<lb/> gaben der katholischen Kirche bezeichnet wird: „die Unterstützung des Polentums<lb/> dort, wo es am meisten bedroht ist, in Preußen, Schlesien, Posen, Rußland"<lb/> (S.494). Die beiden verstorbnen Kirchenhirten, Erzbischof Florian Stablewski und<lb/> Bischof Likowski, fügen noch hinzu, die Kirche habe alles jüdische aus dem Volt zu<lb/> vertreiben (S. 2 und 496). Ich empfehle, es möchte sich ein Verlag zur Über-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0560]
Russische Briefe
des Zartums, sondern erstreckt sich über ganz Litauen tief hinein nach Wei߬
rußland und Kurland und über Wolhynien nach Kleinrußland.
Die Zentrale für die Kulturtätigkeit liegt in den Händen der „Macierz
polska" zu Lemberg. Die Gesellschaft hat den Zweck, im polnischen Volk den
nationalen Gedanken lebendig zu erhalten, Privatschulen einzurichten, die
katholischen Priester in ihrem Einfluß zu heben, die Verbindung der in den
drei Teilungsmächten einzeln lebenden Polen untereinander aufrecht zu erhalten.
Bis 1905 hat der Verein besonders in Oberschlesien gewirkt und lebhaft teil¬
genommen an der Redaktion der „sozialdemokratischen" Gazeta Nobotnicza, zu
der die deutsche Sozialdemokratie jährlich 30000 Mark beigesteuert hat — deutsche
Arbeitergroschen! Nach den Erlassen vom 17. April und 25. Juli 1905 ist
die Macierz polska auch öffentlich in Nußland hervorgetreten. In allen Pfarr¬
orten hat der Verein schon polnische Elementarschulen eingerichtet mit dem
Programm: Religion, Polnisch, Geschichte und Geographie. In welchem Sinne
der Unterricht in diesen Schulen geführt wird, lehrt uns die jüngste (dreiund¬
achtzigste) Veröffentlichung des Vereins „Polska, obrazy i opisy" (Polen,
Skizzen und Beschreibungen, Band I, 930 Seiten mit 3 Karten und 370 Bildern.
Lemberg, 1906). Aus diesem Buche erfahren wir zunächst, welches die polnischen
Lande sind. Ihre Grenzen: die Oder, die Ostsee, Dura, Dujepr, Schwarzes
Meer, Karpaten! (S. 6/7) — Seite 139/65 ist der Beschreibung der preußischen
„Polen" gewidmet. Diese Polen sind: unsre braven schlesischen Bauern, die
Bamberger Posens, die Bewohner der Weichselniederung, die Kassuben und
Masuren, also alle Katholiken Ostdeutschlands. Am Schluß (S. 165) heißt es
unter besondern! Hinweis auf die Presse wörtlich: „Ihre Menge und die Zahl
der Abnehmer zeugen von der mächtigen Vergrößerung des Leserkreises, aber
zugleich auch von der Lebendigkeit der polnischen Idee in den am
meisten gefährdeten Teilen." Was bedeutet neben diesem Bekenntnis
die wiederholte Versicherung polnischer Aristokraten an deutsche, der Glaube
an einen polnischen Staat sei erloschen!
Wie gewissenhaft und folgerichtig der Verein vorgeht, zeigt auch eine Enquete,
die eins seiner Organe, der Przegls,d Powszechny, unter der Spitzmarke „Die
heutigen Aufgaben des Katholizismus" (Krakau, 1906, 30 und 514 S.) veröffent¬
licht hat. Antworten haben zehn Bischöfe, acht Vereine und sechsundsechzig Schrift¬
steller aller Schattierungen eingesandt. Die Namen der Erzbischöfe Stablewski,
Likowski, der Schriftsteller Sienkiewicz, Morawski, Klaczko, der Politiker Graf
Mieroszewski, Graf Rostworowski, Graf Szczeptycki sind darunter. Aus den Er¬
gebnissen der Rundfrage sei hervorgehoben, daß als eine der wesentlichsten Auf¬
gaben der katholischen Kirche bezeichnet wird: „die Unterstützung des Polentums
dort, wo es am meisten bedroht ist, in Preußen, Schlesien, Posen, Rußland"
(S.494). Die beiden verstorbnen Kirchenhirten, Erzbischof Florian Stablewski und
Bischof Likowski, fügen noch hinzu, die Kirche habe alles jüdische aus dem Volt zu
vertreiben (S. 2 und 496). Ich empfehle, es möchte sich ein Verlag zur Über-
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