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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Einfluß der Parteibestrebungen relativ am günstigsten zur Geltung kommen kann.
Ein solches Bewußtsein kann schwer durchdringen und zu eiuer ausschlaggebenden
Rolle bei politischen Entscheidungen gelangen, solange die Möglichkeit besteht, daß
die Regierung immer noch mit einer Partei wie dem Zentrum rechnet oder gar
rechnen muß. Diese Erwägung begründet die schroffe Abschüttlung des Zentrums
zur Genüge.

Im Zentrum hat man das auch sehr wohl gefühlt, und darum empfindet die
Partei die Fehler, die sie in der letzten Zeit des alten Reichstags unter der
Führung ihres demokratischen Flügels gemacht hat. jetzt mit um so größerer Bitter¬
keit, als die Lage ihr nicht gestattet, sie einzugestehn. Es hilft um einmal nichts,
sie muß von dem Sessel der Macht heruntersteigen und ihr Heil an der Seite der
Sozialdemokratie in der Opposition suchen. Man kann nicht sagen, daß das
Zentrum diese Rolle besonders glücklich begonnen hat. Die richtige Taktik ist nach
den Zeiten des Glücks und der Verwöhnung nicht leicht zu finden. Der Abge¬
ordnete spähn, der die Hauptrede zum Etat zu halten hatte, bemühte sich sachlich
zu sein und ging erst im zweiten Teil zu einer elegischen Betrachtung der Lage
seiner Partei über. Die Rede spiegelte noch die Hoffnung wider, daß die Re¬
gierung vielleicht einiges Entgegenkommen zeigen werde. Die Rede des Reichs¬
kanzlers war die Erwiderung darauf; sie zerstörte die letzte Hoffnung vollkommen.
Später haben die Herren Grober und Sabatier die neue Lage für ihre Partei zu
bestimmen sich bemüht, und beide haben gezeigt, wie schwer sich das Zentrum in
seine Stellung hineinfindet. Der Zorn und die Stimmung, die aus einer Ent¬
täuschung zu entspringen pflegt, sind schlechte Ratgeber. Keine klare Erfassung der
Lage, nur ein krampfhaftes Bemühen, die wirklichen Ereignisse auf den Kopf zu
stellen, kennzeichnete die Rede Gröbers, die einen überaus schlechten Eindruck machte,
und sein bayrischer Genosse Sabatier suchte durch Länge und Breite zu ersetze",
was ihm an Gewicht der Gründe fehlte.

Unter den Eindrücken der neuen parlamentarischen Lage gestaltete sich auch
die herkömmliche Abrechnung des Reichskanzlers mit Bebel zu einem bedeutungs¬
vollen Symptom der eingetretnen Veränderungen. Fürst Bülow hat schon oft
glücklich und gewichtig gegen Bebel geredet, und er hatte parlamentarische Erfolge
gegen den Sozialistenhäuptling zu verzeichnen, obwohl dieser viel bester gesprochen hatte
als am 26. Februar dieses Jahres. Früher verstand es Bebel oft, durch seine ge¬
schickte Ausnutzung weitverbreiteter, kritischer Stimmungen und dnrch seine temperament¬
volle Art auch solche Leute fortzureißen und in ihrem Urteil über seine Reden zu
beeinflussen, die sonst der Sozialdemokratie ganz fern standen. Diese hinreißende
Kunst hat der alte Bebel vollständig eingebüßt. Wo ihn nicht das gläubige Ver¬
trauen seiner eignen Gemeinde unterstützt, erscheint er nur noch als der geschwätzige
Alte, der in der Hingabe an einen maßlosen Fanatismus Urteilskraft und Selbst¬
zucht vollständig eingebüßt hat. Seinen Reden fehlt das früher über viele Mängel
hinwegtäuschende Band einer Überzeugung von etwas prophetischem Charakter, wenn
es auch eine oft fehlgehende Prophetie des Hasses war; diese Reden werden jetzt
mehr und mehr ein italienischer Salat von Zeitungsausschnitten, die von zusammen¬
hanglosen Phrasen und heftigen Ausfällen, die die Ohnmacht dieses Hasses nicht
mehr verdecken können, mühsam zu einer scheinbaren Einheit zusammengestellt werden.
Die Dispositionslosigkeit der Reden wirkt nachgerade peinigend ans den Zuhörer.
Man darf also sagen, daß der allmählich zur Ruine werdende Führer der Sozial¬
demokratie es diesmal dem Reichskanzler wesentlich erleichterte, ihn aufs Haupt zu
schlagen. Während aber früher selbst ausgezeichnete Reden des Fürsten Bülow
>,egen Bebel von bürgerlichen Kritikern oft mit einer ungerechten und tendenziösen
Schärfe zergliedert und mit einem weitgehenden Skeptizismus hinsichtlich ihrer


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Einfluß der Parteibestrebungen relativ am günstigsten zur Geltung kommen kann.
Ein solches Bewußtsein kann schwer durchdringen und zu eiuer ausschlaggebenden
Rolle bei politischen Entscheidungen gelangen, solange die Möglichkeit besteht, daß
die Regierung immer noch mit einer Partei wie dem Zentrum rechnet oder gar
rechnen muß. Diese Erwägung begründet die schroffe Abschüttlung des Zentrums
zur Genüge.

Im Zentrum hat man das auch sehr wohl gefühlt, und darum empfindet die
Partei die Fehler, die sie in der letzten Zeit des alten Reichstags unter der
Führung ihres demokratischen Flügels gemacht hat. jetzt mit um so größerer Bitter¬
keit, als die Lage ihr nicht gestattet, sie einzugestehn. Es hilft um einmal nichts,
sie muß von dem Sessel der Macht heruntersteigen und ihr Heil an der Seite der
Sozialdemokratie in der Opposition suchen. Man kann nicht sagen, daß das
Zentrum diese Rolle besonders glücklich begonnen hat. Die richtige Taktik ist nach
den Zeiten des Glücks und der Verwöhnung nicht leicht zu finden. Der Abge¬
ordnete spähn, der die Hauptrede zum Etat zu halten hatte, bemühte sich sachlich
zu sein und ging erst im zweiten Teil zu einer elegischen Betrachtung der Lage
seiner Partei über. Die Rede spiegelte noch die Hoffnung wider, daß die Re¬
gierung vielleicht einiges Entgegenkommen zeigen werde. Die Rede des Reichs¬
kanzlers war die Erwiderung darauf; sie zerstörte die letzte Hoffnung vollkommen.
Später haben die Herren Grober und Sabatier die neue Lage für ihre Partei zu
bestimmen sich bemüht, und beide haben gezeigt, wie schwer sich das Zentrum in
seine Stellung hineinfindet. Der Zorn und die Stimmung, die aus einer Ent¬
täuschung zu entspringen pflegt, sind schlechte Ratgeber. Keine klare Erfassung der
Lage, nur ein krampfhaftes Bemühen, die wirklichen Ereignisse auf den Kopf zu
stellen, kennzeichnete die Rede Gröbers, die einen überaus schlechten Eindruck machte,
und sein bayrischer Genosse Sabatier suchte durch Länge und Breite zu ersetze»,
was ihm an Gewicht der Gründe fehlte.

Unter den Eindrücken der neuen parlamentarischen Lage gestaltete sich auch
die herkömmliche Abrechnung des Reichskanzlers mit Bebel zu einem bedeutungs¬
vollen Symptom der eingetretnen Veränderungen. Fürst Bülow hat schon oft
glücklich und gewichtig gegen Bebel geredet, und er hatte parlamentarische Erfolge
gegen den Sozialistenhäuptling zu verzeichnen, obwohl dieser viel bester gesprochen hatte
als am 26. Februar dieses Jahres. Früher verstand es Bebel oft, durch seine ge¬
schickte Ausnutzung weitverbreiteter, kritischer Stimmungen und dnrch seine temperament¬
volle Art auch solche Leute fortzureißen und in ihrem Urteil über seine Reden zu
beeinflussen, die sonst der Sozialdemokratie ganz fern standen. Diese hinreißende
Kunst hat der alte Bebel vollständig eingebüßt. Wo ihn nicht das gläubige Ver¬
trauen seiner eignen Gemeinde unterstützt, erscheint er nur noch als der geschwätzige
Alte, der in der Hingabe an einen maßlosen Fanatismus Urteilskraft und Selbst¬
zucht vollständig eingebüßt hat. Seinen Reden fehlt das früher über viele Mängel
hinwegtäuschende Band einer Überzeugung von etwas prophetischem Charakter, wenn
es auch eine oft fehlgehende Prophetie des Hasses war; diese Reden werden jetzt
mehr und mehr ein italienischer Salat von Zeitungsausschnitten, die von zusammen¬
hanglosen Phrasen und heftigen Ausfällen, die die Ohnmacht dieses Hasses nicht
mehr verdecken können, mühsam zu einer scheinbaren Einheit zusammengestellt werden.
Die Dispositionslosigkeit der Reden wirkt nachgerade peinigend ans den Zuhörer.
Man darf also sagen, daß der allmählich zur Ruine werdende Führer der Sozial¬
demokratie es diesmal dem Reichskanzler wesentlich erleichterte, ihn aufs Haupt zu
schlagen. Während aber früher selbst ausgezeichnete Reden des Fürsten Bülow
>,egen Bebel von bürgerlichen Kritikern oft mit einer ungerechten und tendenziösen
Schärfe zergliedert und mit einem weitgehenden Skeptizismus hinsichtlich ihrer


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[0548] Maßgebliches und Unmaßgebliches Einfluß der Parteibestrebungen relativ am günstigsten zur Geltung kommen kann. Ein solches Bewußtsein kann schwer durchdringen und zu eiuer ausschlaggebenden Rolle bei politischen Entscheidungen gelangen, solange die Möglichkeit besteht, daß die Regierung immer noch mit einer Partei wie dem Zentrum rechnet oder gar rechnen muß. Diese Erwägung begründet die schroffe Abschüttlung des Zentrums zur Genüge. Im Zentrum hat man das auch sehr wohl gefühlt, und darum empfindet die Partei die Fehler, die sie in der letzten Zeit des alten Reichstags unter der Führung ihres demokratischen Flügels gemacht hat. jetzt mit um so größerer Bitter¬ keit, als die Lage ihr nicht gestattet, sie einzugestehn. Es hilft um einmal nichts, sie muß von dem Sessel der Macht heruntersteigen und ihr Heil an der Seite der Sozialdemokratie in der Opposition suchen. Man kann nicht sagen, daß das Zentrum diese Rolle besonders glücklich begonnen hat. Die richtige Taktik ist nach den Zeiten des Glücks und der Verwöhnung nicht leicht zu finden. Der Abge¬ ordnete spähn, der die Hauptrede zum Etat zu halten hatte, bemühte sich sachlich zu sein und ging erst im zweiten Teil zu einer elegischen Betrachtung der Lage seiner Partei über. Die Rede spiegelte noch die Hoffnung wider, daß die Re¬ gierung vielleicht einiges Entgegenkommen zeigen werde. Die Rede des Reichs¬ kanzlers war die Erwiderung darauf; sie zerstörte die letzte Hoffnung vollkommen. Später haben die Herren Grober und Sabatier die neue Lage für ihre Partei zu bestimmen sich bemüht, und beide haben gezeigt, wie schwer sich das Zentrum in seine Stellung hineinfindet. Der Zorn und die Stimmung, die aus einer Ent¬ täuschung zu entspringen pflegt, sind schlechte Ratgeber. Keine klare Erfassung der Lage, nur ein krampfhaftes Bemühen, die wirklichen Ereignisse auf den Kopf zu stellen, kennzeichnete die Rede Gröbers, die einen überaus schlechten Eindruck machte, und sein bayrischer Genosse Sabatier suchte durch Länge und Breite zu ersetze», was ihm an Gewicht der Gründe fehlte. Unter den Eindrücken der neuen parlamentarischen Lage gestaltete sich auch die herkömmliche Abrechnung des Reichskanzlers mit Bebel zu einem bedeutungs¬ vollen Symptom der eingetretnen Veränderungen. Fürst Bülow hat schon oft glücklich und gewichtig gegen Bebel geredet, und er hatte parlamentarische Erfolge gegen den Sozialistenhäuptling zu verzeichnen, obwohl dieser viel bester gesprochen hatte als am 26. Februar dieses Jahres. Früher verstand es Bebel oft, durch seine ge¬ schickte Ausnutzung weitverbreiteter, kritischer Stimmungen und dnrch seine temperament¬ volle Art auch solche Leute fortzureißen und in ihrem Urteil über seine Reden zu beeinflussen, die sonst der Sozialdemokratie ganz fern standen. Diese hinreißende Kunst hat der alte Bebel vollständig eingebüßt. Wo ihn nicht das gläubige Ver¬ trauen seiner eignen Gemeinde unterstützt, erscheint er nur noch als der geschwätzige Alte, der in der Hingabe an einen maßlosen Fanatismus Urteilskraft und Selbst¬ zucht vollständig eingebüßt hat. Seinen Reden fehlt das früher über viele Mängel hinwegtäuschende Band einer Überzeugung von etwas prophetischem Charakter, wenn es auch eine oft fehlgehende Prophetie des Hasses war; diese Reden werden jetzt mehr und mehr ein italienischer Salat von Zeitungsausschnitten, die von zusammen¬ hanglosen Phrasen und heftigen Ausfällen, die die Ohnmacht dieses Hasses nicht mehr verdecken können, mühsam zu einer scheinbaren Einheit zusammengestellt werden. Die Dispositionslosigkeit der Reden wirkt nachgerade peinigend ans den Zuhörer. Man darf also sagen, daß der allmählich zur Ruine werdende Führer der Sozial¬ demokratie es diesmal dem Reichskanzler wesentlich erleichterte, ihn aufs Haupt zu schlagen. Während aber früher selbst ausgezeichnete Reden des Fürsten Bülow >,egen Bebel von bürgerlichen Kritikern oft mit einer ungerechten und tendenziösen Schärfe zergliedert und mit einem weitgehenden Skeptizismus hinsichtlich ihrer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/548>, abgerufen am 24.07.2024.