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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Die politische und wirtschaftliche Lage Lrasilieiis zur Jahreswende

hat 120 Pfund, Die Preisdifferenz ergibt also einen Verlust von zwölf Mark
pro Sack. So viel ungefähr mag der Staat Sav Paulo schon heute eingebüßt
haben. Es kann sich also jeder leicht ausrechnen, daß schon die ganze Valori-
sationsmileihe (Schatzwechsel) im Betrage von zwei Millionen Pfund Sterling
(Emissionskurs 94 Prozent und Zinsen 5 Prozent) von der Differenz ver¬
schlungen ist. Die großen Kaffeefirmen, die das Geschäft für die Regierung
vermittelten, verlangten daher begreiflicherweise neue ausreichende Deckung, denn
noch ist kein Ende des Preisrückganges abzusehen, und Sav Paulo will weitere
Käufe abschließe". In dieser Notlage drängt dieser Staat die Bundesregierung
zu Rio de Janeiro zum Eingreifen, "um die Situation zu retten". Der National¬
kongreß hat die Bundesregierung tatsächlich ermächtigt, die Garantie für die
Valorisationsoperationen zu übernehmen. Es wird ihr schließlich wohl auch
nichts andres übrig bleiben, als es zu tun; und wenn dann noch weitere
1^/z Millionen Sack aufgekauft werden, wie geplant ist, so kann der ganze
Spaß recht teuer zu stehen kommen.

Zwei Punkte fallen bei diesem Geschäfte ins Auge: die Einflußlosigkeit
der offizielle" Kaffeekäufe auf den Preisstand und die Größe der Verluste.
Ob sich von der großen Gesamternte vier bis fünf Millionen Sack in den
Händen der Regierung oder des Privatbesitzes befinden, kommt in der Wirkung
ziemlich auf eins heraus. Denn früher oder später werden diese Mengen ja
doch an den Konsumhandel abgestoßen werden müssen, der also von vornherein
damit rechnet und nur entsprechend niedrigere Preise bewilligt. Um den Kaffee¬
staat Sav Paulo zu entlasten, will die Bundesregierung, wie es heißt, eine
Anleihe von fünf Millionen Pfund Sterling aufnehmen. Sie wird die Wetter¬
führung dieser Valorisationsoperationen, die bis jetzt ihrem Gegenteile, nämlich
der Entwertung, nicht haben Einhalt tun können, nur unter der Voraussetzung
übernehmen können, daß sie diese Summe auch wirklich erhält. Ohne gebotene
Sicherheiten geben die auswärtigen Kapitalisten schon seit lange kein Geld
mehr her. Die Hälfte der Bnndeseinncchmen ist zwar schon verpfändet, aber
der Zuschlagsausfuhrzoll auf Kaffee und sonstige Einnahmequellen werden
ausreichen, um eine genügende Garantie für die neue Anleihe zu bieten. So
kommen immer neue Schulden und neue Ziusverbiudlichkeiten zu den alten
hinzu, und es ist vorauszusehen, daß eines Tages die Wirtschaft so wie bisher
nicht weitergehn wird.

Erfahrne Volkswirtschafter hatten von Anfang an dargelegt, daß der
Valorisationsversuch ein negatives Ergebnis haben werde. Das beste sei, den
Marktverhältnissen ihre natürliche Entwicklung zu lassen. Man hat auf diese
Mahnungen nicht hören wollen, ja man verschließt ihnen noch heute das Ohr.
Je länger man aber die Marktoperationen fortsetzt, um so größer werden die
Verluste. Zu den Preisdifferenzen treten noch die üblichen Kommissivnsspesen
für die Aufkäufer, Lagermieten usw. Es müßte auch ganz regelwidrig bei dem
Geschäfte zugehn, wenn die aufgeuommnen Anleihen nicht so ziemlich vollständig


Die politische und wirtschaftliche Lage Lrasilieiis zur Jahreswende

hat 120 Pfund, Die Preisdifferenz ergibt also einen Verlust von zwölf Mark
pro Sack. So viel ungefähr mag der Staat Sav Paulo schon heute eingebüßt
haben. Es kann sich also jeder leicht ausrechnen, daß schon die ganze Valori-
sationsmileihe (Schatzwechsel) im Betrage von zwei Millionen Pfund Sterling
(Emissionskurs 94 Prozent und Zinsen 5 Prozent) von der Differenz ver¬
schlungen ist. Die großen Kaffeefirmen, die das Geschäft für die Regierung
vermittelten, verlangten daher begreiflicherweise neue ausreichende Deckung, denn
noch ist kein Ende des Preisrückganges abzusehen, und Sav Paulo will weitere
Käufe abschließe». In dieser Notlage drängt dieser Staat die Bundesregierung
zu Rio de Janeiro zum Eingreifen, „um die Situation zu retten". Der National¬
kongreß hat die Bundesregierung tatsächlich ermächtigt, die Garantie für die
Valorisationsoperationen zu übernehmen. Es wird ihr schließlich wohl auch
nichts andres übrig bleiben, als es zu tun; und wenn dann noch weitere
1^/z Millionen Sack aufgekauft werden, wie geplant ist, so kann der ganze
Spaß recht teuer zu stehen kommen.

Zwei Punkte fallen bei diesem Geschäfte ins Auge: die Einflußlosigkeit
der offizielle« Kaffeekäufe auf den Preisstand und die Größe der Verluste.
Ob sich von der großen Gesamternte vier bis fünf Millionen Sack in den
Händen der Regierung oder des Privatbesitzes befinden, kommt in der Wirkung
ziemlich auf eins heraus. Denn früher oder später werden diese Mengen ja
doch an den Konsumhandel abgestoßen werden müssen, der also von vornherein
damit rechnet und nur entsprechend niedrigere Preise bewilligt. Um den Kaffee¬
staat Sav Paulo zu entlasten, will die Bundesregierung, wie es heißt, eine
Anleihe von fünf Millionen Pfund Sterling aufnehmen. Sie wird die Wetter¬
führung dieser Valorisationsoperationen, die bis jetzt ihrem Gegenteile, nämlich
der Entwertung, nicht haben Einhalt tun können, nur unter der Voraussetzung
übernehmen können, daß sie diese Summe auch wirklich erhält. Ohne gebotene
Sicherheiten geben die auswärtigen Kapitalisten schon seit lange kein Geld
mehr her. Die Hälfte der Bnndeseinncchmen ist zwar schon verpfändet, aber
der Zuschlagsausfuhrzoll auf Kaffee und sonstige Einnahmequellen werden
ausreichen, um eine genügende Garantie für die neue Anleihe zu bieten. So
kommen immer neue Schulden und neue Ziusverbiudlichkeiten zu den alten
hinzu, und es ist vorauszusehen, daß eines Tages die Wirtschaft so wie bisher
nicht weitergehn wird.

Erfahrne Volkswirtschafter hatten von Anfang an dargelegt, daß der
Valorisationsversuch ein negatives Ergebnis haben werde. Das beste sei, den
Marktverhältnissen ihre natürliche Entwicklung zu lassen. Man hat auf diese
Mahnungen nicht hören wollen, ja man verschließt ihnen noch heute das Ohr.
Je länger man aber die Marktoperationen fortsetzt, um so größer werden die
Verluste. Zu den Preisdifferenzen treten noch die üblichen Kommissivnsspesen
für die Aufkäufer, Lagermieten usw. Es müßte auch ganz regelwidrig bei dem
Geschäfte zugehn, wenn die aufgeuommnen Anleihen nicht so ziemlich vollständig


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[0509] Die politische und wirtschaftliche Lage Lrasilieiis zur Jahreswende hat 120 Pfund, Die Preisdifferenz ergibt also einen Verlust von zwölf Mark pro Sack. So viel ungefähr mag der Staat Sav Paulo schon heute eingebüßt haben. Es kann sich also jeder leicht ausrechnen, daß schon die ganze Valori- sationsmileihe (Schatzwechsel) im Betrage von zwei Millionen Pfund Sterling (Emissionskurs 94 Prozent und Zinsen 5 Prozent) von der Differenz ver¬ schlungen ist. Die großen Kaffeefirmen, die das Geschäft für die Regierung vermittelten, verlangten daher begreiflicherweise neue ausreichende Deckung, denn noch ist kein Ende des Preisrückganges abzusehen, und Sav Paulo will weitere Käufe abschließe». In dieser Notlage drängt dieser Staat die Bundesregierung zu Rio de Janeiro zum Eingreifen, „um die Situation zu retten". Der National¬ kongreß hat die Bundesregierung tatsächlich ermächtigt, die Garantie für die Valorisationsoperationen zu übernehmen. Es wird ihr schließlich wohl auch nichts andres übrig bleiben, als es zu tun; und wenn dann noch weitere 1^/z Millionen Sack aufgekauft werden, wie geplant ist, so kann der ganze Spaß recht teuer zu stehen kommen. Zwei Punkte fallen bei diesem Geschäfte ins Auge: die Einflußlosigkeit der offizielle« Kaffeekäufe auf den Preisstand und die Größe der Verluste. Ob sich von der großen Gesamternte vier bis fünf Millionen Sack in den Händen der Regierung oder des Privatbesitzes befinden, kommt in der Wirkung ziemlich auf eins heraus. Denn früher oder später werden diese Mengen ja doch an den Konsumhandel abgestoßen werden müssen, der also von vornherein damit rechnet und nur entsprechend niedrigere Preise bewilligt. Um den Kaffee¬ staat Sav Paulo zu entlasten, will die Bundesregierung, wie es heißt, eine Anleihe von fünf Millionen Pfund Sterling aufnehmen. Sie wird die Wetter¬ führung dieser Valorisationsoperationen, die bis jetzt ihrem Gegenteile, nämlich der Entwertung, nicht haben Einhalt tun können, nur unter der Voraussetzung übernehmen können, daß sie diese Summe auch wirklich erhält. Ohne gebotene Sicherheiten geben die auswärtigen Kapitalisten schon seit lange kein Geld mehr her. Die Hälfte der Bnndeseinncchmen ist zwar schon verpfändet, aber der Zuschlagsausfuhrzoll auf Kaffee und sonstige Einnahmequellen werden ausreichen, um eine genügende Garantie für die neue Anleihe zu bieten. So kommen immer neue Schulden und neue Ziusverbiudlichkeiten zu den alten hinzu, und es ist vorauszusehen, daß eines Tages die Wirtschaft so wie bisher nicht weitergehn wird. Erfahrne Volkswirtschafter hatten von Anfang an dargelegt, daß der Valorisationsversuch ein negatives Ergebnis haben werde. Das beste sei, den Marktverhältnissen ihre natürliche Entwicklung zu lassen. Man hat auf diese Mahnungen nicht hören wollen, ja man verschließt ihnen noch heute das Ohr. Je länger man aber die Marktoperationen fortsetzt, um so größer werden die Verluste. Zu den Preisdifferenzen treten noch die üblichen Kommissivnsspesen für die Aufkäufer, Lagermieten usw. Es müßte auch ganz regelwidrig bei dem Geschäfte zugehn, wenn die aufgeuommnen Anleihen nicht so ziemlich vollständig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/509>, abgerufen am 24.07.2024.