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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Eine Ferienfahrt nach Brasilien

der von einer für das väterliche Geschäft unternommnen Weltreise nach Hause
zurückkehrte und anschaulich über das Erlebte und das Gesehene zu erzählen
wußte. Die Herren von der Dania, Kapitän Bonath an der Spitze, standen
ihren Kameraden vom Prinz Sigismund in keiner Hinsicht nach, sodaß sich das
Leben sehr gemütlich gestaltete, und sich wohl jeder bald wie in einem größern
Familienhaushalt fühlte. Hierin änderte sich auch nichts, als in Lissabon uoch
ein westfälischer Großindustrieller mit seiner Gattin und ein portugiesischer Kauf¬
mann hinzukamen. Die Tage verbrachten wir in derselben Art wie während
der Ausreise. Eine nette Unterhaltung hatten wir durch eine Schar von Kindern
aus dem Zwischendeck, die durch ihre übermütig fröhlichen Spiele auch den
ärgsten Hypochonder zum Lachen gebracht hätten. Auch die Beschäftigung mit der
an Bord untergebrachten Menagerie, die aus einem für den Zoologischen Garten
in Hamburg bestimmten ausgewachsenen Jaguar, einigen Affen und vielen Papa¬
geien bestand, nahm täglich einige Zeit in Anspruch. Spaßhaft war die
Schlauheit und die Behendigkeit der kleinen Affen, wenn sie -- zum Zwecke
der Bewegung ins Freie gebracht -- ihren als sichersten Hort betrachteten Käfig
wiederzugewinnen trachteten, und ebenso waren der Ernst und der Eifer der
Papageien belustigend, wenn sie, die bisher nur portugiesische Worte sprechen
konnten, ihre Zungen allmählich an deutsche Laute zu gewöhnen suchten. Einige
Krankheits- und Todesfälle unter den Tieren erregten allgemeine Teilnahme.

Über das Schiff selbst und den Dienst konnte ich mich unter den ob¬
waltenden Umständen viel eingehender unterrichten, als es mir auf einem größern
Schiff mit zahlreichern Passagieren möglich gewesen wäre. Oben auf der
Kommandobrücke und unten in den Schiffsräumen nahm vieles für mich wieder
Gestalt und Leben an, was mir vor Jahren in frühern amtlichen Stellungen
vertraut geworden war. Einen Begriff von den Verhältnissen auf der Dania
wird die Angabe erwecken, daß die Besatzung mit den Offizieren 56 Köpfe stark
war, von denen 20 auf das Deckpersonal, 21 auf das Maschinenpersonal und
15 auf das Küchen- und Stewardpersonal entfielen, und daß die Ladung mit
den in Lissabon eingenommnen Gütern aus 44000 Sack Kaffee, 4000 Sack
Kleie, 240 Sack Gummi, 1000 Sack Kakao, 400 Ballen ^ 78000 Kilo Kork,
15 Faß Wein und 300 Kisten (zu je 15 Kilo) Weintrauben bestand. Der Zahl¬
meister teilte mir mit, daß sich die Fracht- und Passageeinnahmen der Aus- und
der Heimreise zusammen ans 250000 Mark beliefen, denen außer den sonstigen
Betriebskosten die Hauptausgabe von 40000 Mark für Kohlen gegenüberstand.

Die Verbrecherinscl Fernando Noronha passierten wir wiederum bei Tage
und in so geringer Entfernung, daß wir uns mit der Signalstation verständigen
konnten. Von der Sonnenfinsternis am 30. August ist nichts weiter zu berichten,
als daß wir sie durch die vom Kapitüu hergerichteten Gläser gut beobachten
konnten. Vor Madeira langten wir am Morgen des 3. September, eines
Sonntags, an. Weil die Dania Kohlen einnehmen mußte, hatten wir viel Zeit
und konnten oben vom Hotel Belmonte aus einen lungern Spaziergang in ein


Eine Ferienfahrt nach Brasilien

der von einer für das väterliche Geschäft unternommnen Weltreise nach Hause
zurückkehrte und anschaulich über das Erlebte und das Gesehene zu erzählen
wußte. Die Herren von der Dania, Kapitän Bonath an der Spitze, standen
ihren Kameraden vom Prinz Sigismund in keiner Hinsicht nach, sodaß sich das
Leben sehr gemütlich gestaltete, und sich wohl jeder bald wie in einem größern
Familienhaushalt fühlte. Hierin änderte sich auch nichts, als in Lissabon uoch
ein westfälischer Großindustrieller mit seiner Gattin und ein portugiesischer Kauf¬
mann hinzukamen. Die Tage verbrachten wir in derselben Art wie während
der Ausreise. Eine nette Unterhaltung hatten wir durch eine Schar von Kindern
aus dem Zwischendeck, die durch ihre übermütig fröhlichen Spiele auch den
ärgsten Hypochonder zum Lachen gebracht hätten. Auch die Beschäftigung mit der
an Bord untergebrachten Menagerie, die aus einem für den Zoologischen Garten
in Hamburg bestimmten ausgewachsenen Jaguar, einigen Affen und vielen Papa¬
geien bestand, nahm täglich einige Zeit in Anspruch. Spaßhaft war die
Schlauheit und die Behendigkeit der kleinen Affen, wenn sie — zum Zwecke
der Bewegung ins Freie gebracht — ihren als sichersten Hort betrachteten Käfig
wiederzugewinnen trachteten, und ebenso waren der Ernst und der Eifer der
Papageien belustigend, wenn sie, die bisher nur portugiesische Worte sprechen
konnten, ihre Zungen allmählich an deutsche Laute zu gewöhnen suchten. Einige
Krankheits- und Todesfälle unter den Tieren erregten allgemeine Teilnahme.

Über das Schiff selbst und den Dienst konnte ich mich unter den ob¬
waltenden Umständen viel eingehender unterrichten, als es mir auf einem größern
Schiff mit zahlreichern Passagieren möglich gewesen wäre. Oben auf der
Kommandobrücke und unten in den Schiffsräumen nahm vieles für mich wieder
Gestalt und Leben an, was mir vor Jahren in frühern amtlichen Stellungen
vertraut geworden war. Einen Begriff von den Verhältnissen auf der Dania
wird die Angabe erwecken, daß die Besatzung mit den Offizieren 56 Köpfe stark
war, von denen 20 auf das Deckpersonal, 21 auf das Maschinenpersonal und
15 auf das Küchen- und Stewardpersonal entfielen, und daß die Ladung mit
den in Lissabon eingenommnen Gütern aus 44000 Sack Kaffee, 4000 Sack
Kleie, 240 Sack Gummi, 1000 Sack Kakao, 400 Ballen ^ 78000 Kilo Kork,
15 Faß Wein und 300 Kisten (zu je 15 Kilo) Weintrauben bestand. Der Zahl¬
meister teilte mir mit, daß sich die Fracht- und Passageeinnahmen der Aus- und
der Heimreise zusammen ans 250000 Mark beliefen, denen außer den sonstigen
Betriebskosten die Hauptausgabe von 40000 Mark für Kohlen gegenüberstand.

Die Verbrecherinscl Fernando Noronha passierten wir wiederum bei Tage
und in so geringer Entfernung, daß wir uns mit der Signalstation verständigen
konnten. Von der Sonnenfinsternis am 30. August ist nichts weiter zu berichten,
als daß wir sie durch die vom Kapitüu hergerichteten Gläser gut beobachten
konnten. Vor Madeira langten wir am Morgen des 3. September, eines
Sonntags, an. Weil die Dania Kohlen einnehmen mußte, hatten wir viel Zeit
und konnten oben vom Hotel Belmonte aus einen lungern Spaziergang in ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/487>, abgerufen am 24.07.2024.