Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.Schicksal Ah! kam es aus dem Munde des schmalwangigen Asketenkopfes, er schnellte Nein nein, sagte Lex. Er zeigte wieder und wieder auf seinen gezeichneten Lex schlenderte weiter durch die Straßen unter den vergitterten und verglasten Lex streifte umher und beobachtete. Auf der Chorseite der Kathedrale fand Lex war entschlossen, sich beritten zu machen. Er zeigte dem Alten seinen erhabnen Der Alte schüttelte den Kopf. Er mochte sagen wollen, daß diese Reitgelegen¬ Sie blieben auch mit ihrer Auseinandersetzung nicht lange unter vier Augen. Lex kam seine Leibeslänge zustatten. Das Gerassel der fremden Sprache blieb Hu ?esso, sagte er laut in gleichmäßigen Zwischenräumen, und wenn er es Ein Beifallsgelächter drang siebenstimmig aus dem Chor, und der Alte mit den Die Gefolgschaft verlor sich von selber, als der Weg aus der Stadt heraus Schicksal Ah! kam es aus dem Munde des schmalwangigen Asketenkopfes, er schnellte Nein nein, sagte Lex. Er zeigte wieder und wieder auf seinen gezeichneten Lex schlenderte weiter durch die Straßen unter den vergitterten und verglasten Lex streifte umher und beobachtete. Auf der Chorseite der Kathedrale fand Lex war entschlossen, sich beritten zu machen. Er zeigte dem Alten seinen erhabnen Der Alte schüttelte den Kopf. Er mochte sagen wollen, daß diese Reitgelegen¬ Sie blieben auch mit ihrer Auseinandersetzung nicht lange unter vier Augen. Lex kam seine Leibeslänge zustatten. Das Gerassel der fremden Sprache blieb Hu ?esso, sagte er laut in gleichmäßigen Zwischenräumen, und wenn er es Ein Beifallsgelächter drang siebenstimmig aus dem Chor, und der Alte mit den Die Gefolgschaft verlor sich von selber, als der Weg aus der Stadt heraus <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0435" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301689"/> <fw type="header" place="top"> Schicksal</fw><lb/> <p xml:id="ID_1608"> Ah! kam es aus dem Munde des schmalwangigen Asketenkopfes, er schnellte<lb/> am Fenster und winkte einer Droschke, die Heranfuhr wie elektrisch gezogen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1609"> Nein nein, sagte Lex. Er zeigte wieder und wieder auf seinen gezeichneten<lb/> Esel. Aber das Bild mußte doch wohl nicht ganz getroffen sein. Sie lächelten<lb/> beide, er und der Spanier, schüttelten die Köpfe und trennten sich.</p><lb/> <p xml:id="ID_1610"> Lex schlenderte weiter durch die Straßen unter den vergitterten und verglasten<lb/> Balkonen, die an allen Häusern klebten und Wohl ein Überbleibsel maurischer Sitte<lb/> waren. Ein Ausguck für die Frauen, um ungesehen sehen zu können. Die<lb/> mohammedanische Sitte war gefallen, aber die Form war geblieben, ähnlich wie<lb/> es mit der Vermummung der Frauen gegangen sein mochte, deren Überbleibsel sich<lb/> noch immer in der Sitte hielt. Hüte sah man wohl hier und da; aber die all¬<lb/> gemeine Straßentracht waren die Tücher. Da waren grobe Tücher für die Armem,<lb/> leichte schwarze Wolltücher für die Feinern, in denen sich die Gestalt geschmeidig<lb/> abzeichnete, langherabreichende zarte Flortücher, und kleine Spitzentücher, die nur<lb/> als Schmuck um den Kopf gesteckt waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1611"> Lex streifte umher und beobachtete. Auf der Chorseite der Kathedrale fand<lb/> er einen Alten, schmalwangtg und asketisch wie jenen Kellner, aber mit weißen<lb/> Bartstoppeln und weißem Haupthaar unter dem breiten Hut. Er hockte neben<lb/> einem Esel, der in der üblichen Ausrüstung dastand mit buntverbrämten Scheu¬<lb/> klappen, den Rücken zu beiden Seiten durch strohgeflochtne Korbtaschen verbreitert<lb/> und über die ganze Ausdehnung dieses Sitzes Stoffe gebreitet, vielleicht alles, was<lb/> der Alte an Kleidungsstücken besaß, außer dem Hemd und der Hose auf seiner<lb/> braunen Haut.</p><lb/> <p xml:id="ID_1612"> Lex war entschlossen, sich beritten zu machen. Er zeigte dem Alten seinen erhabnen<lb/> Daumen: Hu ?«zssta,! und zeigte mit der andern Hand hinauf nach dem Gibralfaro.</p><lb/> <p xml:id="ID_1613"> Der Alte schüttelte den Kopf. Er mochte sagen wollen, daß diese Reitgelegen¬<lb/> heit wohl für Landeskinder, nicht aber für Fremde und für Herrschaften wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_1614"> Sie blieben auch mit ihrer Auseinandersetzung nicht lange unter vier Augen.<lb/> Eine sechs- bis siebenköpfige Zuschauerschaft hatte sich gleich gesammelt und setzte<lb/> sich ohne Zögern mit in Handlung, so als wenn eine siebenstimmige spanische An¬<lb/> rede geeigneter wäre, in ein deutsches Ohr Eingang zu finden als die Worte eines<lb/> Einzigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1615"> Lex kam seine Leibeslänge zustatten. Das Gerassel der fremden Sprache blieb<lb/> ziemlich weit unter ihm, er dagegen hielt sich an den Anblick seines erhobnen Daumens:</p><lb/> <p xml:id="ID_1616"> Hu ?esso, sagte er laut in gleichmäßigen Zwischenräumen, und wenn er es<lb/> gesagt hatte, drehte er sich langsam und zeigte mit der andern Hund nach dem<lb/> Gibralfaro. Um aber die Deutlichkeit dieser Zeichensprache überzeugender zu machen,<lb/> trat er auf die Stufen, neben denen der Esel angebunden war, und bestieg ihn vor<lb/> aller Augen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1617"> Ein Beifallsgelächter drang siebenstimmig aus dem Chor, und der Alte mit den<lb/> ernsten Mienen in dem weißen Stoppelgesicht faßte den Strick seines Tieres und<lb/> tat, wie es bestimmt war, leitete es bergauf.</p><lb/> <p xml:id="ID_1618"> Die Gefolgschaft verlor sich von selber, als der Weg aus der Stadt heraus<lb/> trat und steil und sonnig wurde, aber auch der Eselführer hätte sich dem Schicksal<lb/> gern entzogen. Es kamen Gemäuerreste, in deren festgebliebnem Kern hier und da<lb/> neue Fensterrahmen mit wirklichen Scheiben blinkten, zum Zeichen, daß sich noch<lb/> einmal Menschen eingenistet hatten, und Gesichter tauchten ans, dann zogen sich wieder<lb/> felsige Halden mit Gestrüpp empor, aus denen nur noch vereinzelte Brocken alten<lb/> Gemäuers ragten. Der Führer mit ernstem, geneigtem Haupte führte den Esel und<lb/> führte ihn wieder bergab — zur andern Seite hinunter.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0435]
Schicksal
Ah! kam es aus dem Munde des schmalwangigen Asketenkopfes, er schnellte
am Fenster und winkte einer Droschke, die Heranfuhr wie elektrisch gezogen.
Nein nein, sagte Lex. Er zeigte wieder und wieder auf seinen gezeichneten
Esel. Aber das Bild mußte doch wohl nicht ganz getroffen sein. Sie lächelten
beide, er und der Spanier, schüttelten die Köpfe und trennten sich.
Lex schlenderte weiter durch die Straßen unter den vergitterten und verglasten
Balkonen, die an allen Häusern klebten und Wohl ein Überbleibsel maurischer Sitte
waren. Ein Ausguck für die Frauen, um ungesehen sehen zu können. Die
mohammedanische Sitte war gefallen, aber die Form war geblieben, ähnlich wie
es mit der Vermummung der Frauen gegangen sein mochte, deren Überbleibsel sich
noch immer in der Sitte hielt. Hüte sah man wohl hier und da; aber die all¬
gemeine Straßentracht waren die Tücher. Da waren grobe Tücher für die Armem,
leichte schwarze Wolltücher für die Feinern, in denen sich die Gestalt geschmeidig
abzeichnete, langherabreichende zarte Flortücher, und kleine Spitzentücher, die nur
als Schmuck um den Kopf gesteckt waren.
Lex streifte umher und beobachtete. Auf der Chorseite der Kathedrale fand
er einen Alten, schmalwangtg und asketisch wie jenen Kellner, aber mit weißen
Bartstoppeln und weißem Haupthaar unter dem breiten Hut. Er hockte neben
einem Esel, der in der üblichen Ausrüstung dastand mit buntverbrämten Scheu¬
klappen, den Rücken zu beiden Seiten durch strohgeflochtne Korbtaschen verbreitert
und über die ganze Ausdehnung dieses Sitzes Stoffe gebreitet, vielleicht alles, was
der Alte an Kleidungsstücken besaß, außer dem Hemd und der Hose auf seiner
braunen Haut.
Lex war entschlossen, sich beritten zu machen. Er zeigte dem Alten seinen erhabnen
Daumen: Hu ?«zssta,! und zeigte mit der andern Hand hinauf nach dem Gibralfaro.
Der Alte schüttelte den Kopf. Er mochte sagen wollen, daß diese Reitgelegen¬
heit wohl für Landeskinder, nicht aber für Fremde und für Herrschaften wäre.
Sie blieben auch mit ihrer Auseinandersetzung nicht lange unter vier Augen.
Eine sechs- bis siebenköpfige Zuschauerschaft hatte sich gleich gesammelt und setzte
sich ohne Zögern mit in Handlung, so als wenn eine siebenstimmige spanische An¬
rede geeigneter wäre, in ein deutsches Ohr Eingang zu finden als die Worte eines
Einzigen.
Lex kam seine Leibeslänge zustatten. Das Gerassel der fremden Sprache blieb
ziemlich weit unter ihm, er dagegen hielt sich an den Anblick seines erhobnen Daumens:
Hu ?esso, sagte er laut in gleichmäßigen Zwischenräumen, und wenn er es
gesagt hatte, drehte er sich langsam und zeigte mit der andern Hund nach dem
Gibralfaro. Um aber die Deutlichkeit dieser Zeichensprache überzeugender zu machen,
trat er auf die Stufen, neben denen der Esel angebunden war, und bestieg ihn vor
aller Augen.
Ein Beifallsgelächter drang siebenstimmig aus dem Chor, und der Alte mit den
ernsten Mienen in dem weißen Stoppelgesicht faßte den Strick seines Tieres und
tat, wie es bestimmt war, leitete es bergauf.
Die Gefolgschaft verlor sich von selber, als der Weg aus der Stadt heraus
trat und steil und sonnig wurde, aber auch der Eselführer hätte sich dem Schicksal
gern entzogen. Es kamen Gemäuerreste, in deren festgebliebnem Kern hier und da
neue Fensterrahmen mit wirklichen Scheiben blinkten, zum Zeichen, daß sich noch
einmal Menschen eingenistet hatten, und Gesichter tauchten ans, dann zogen sich wieder
felsige Halden mit Gestrüpp empor, aus denen nur noch vereinzelte Brocken alten
Gemäuers ragten. Der Führer mit ernstem, geneigtem Haupte führte den Esel und
führte ihn wieder bergab — zur andern Seite hinunter.
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