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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Das Land Transkaspien

In einer Schlußbetrachtung: "Unsre Pflicht" wird gerügt, daß die katholischen
Literaten auch so bedeutende Zeiterscheinungen wie Nietzsche und Ibsen vor-
überziehn lassen, ohne sich gründlich und entschieden darüber zu äußern. "Wie
man, heißt es am Schluß, ein unbändiges Pferd nur in der Gewalt hat.
wenn man dem vorwärts strebenden selbst vorwärts strebend ans dem Rücken
sitzt und die Zügel führt, so beherrscht man auch eine Zeitströmung nur, wenn
man tüchtig mitten drin wirkt, nach dem herzhaften Worte des Freiherrn von
Hertling: Um eine machtvolle Bewegung in richtige Bahnen zu leiten, gibt es
kein andres Mittel, als sich mitten hinein zu werfen."

Zwei der Ursachen literarischer Rückständigkeit seiner Glaubensgenosse",
die Karl Muth beklagt, sind unter seiner Mitwirkung beseitigt worden. Im
Jahre 1900 wurde die Literarische Warte gegründet, die in seinem Geiste ge¬
leitet wird, und 1903 die Monatsschrift "Hochland", deren Leitung er selbst
übernommen hat. Das Hochland erscheint in der Jos. Köselschen Buchhandlung
zu München und Kempten in gediegner Ausstattung und kommt inhaltlich
Westermanns Monatsheften am nächsten, nur daß es nicht illustriert ist. Das
Format ist etwas kleiner, aber ein Heft ist dicker als ein Doppelheft von
Westermann. Wie dieser schließt Hochland die Politik aus und behandelt alle
Kulturzweige. Daß es, wenigstens vorläufig noch nicht, wie Westermann, in
jedem Hefte zwei Romanfortsetzungen und eine Novelle bringen kann, ist bei
dem beschriebnen Zustande der katholischen Novellistik und den Grundsätzen
Muths selbstverständlich. Auch an größern wissenschaftlichen Abhandlungen
ist es nicht so reich wie jener. Dafür hat es viele kleine Sachen aus allen
möglichen Gebieten, auch viel Gedichte und sehr viel literarische und Kunst-
kritik. Von dieser wollen wir einige Proben vorlegen. Der Leitspruch der
Zeitschrift, der den Namen rechtfertigen soll, lautet:




Das Land Transkaspien
R H. Toepfer eiseerinnerungen von

s erscheint vielleicht verwegen, nach den wenigen Tagen einer
Eisenbahnfahrt durch Transkaspien dieses weite Land in seiner
Eigenart kurz schildern zu wollen; aber der Versuch ist möglich,
denn Transkaspien ist ein Land, das in der Gleichartigkeit seiner
Bodengestaltung und seiner klimatischen Verhältnisse kaum über-
! troffen werden dürfte. Zudem wird der aufmerksame Reisende
während der langsamen Eisenbahnfahrt mit allen Formen und Erscheinungen
schnell genug vertraut: er fährt unter dem Wüstengebirasrand zunächst auf schmalen
Uferstreifen zum Großen Balchan, durchschneidet die Kulturzone, Sandsteppe undiWltzH^z":
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Das Land Transkaspien

In einer Schlußbetrachtung: „Unsre Pflicht" wird gerügt, daß die katholischen
Literaten auch so bedeutende Zeiterscheinungen wie Nietzsche und Ibsen vor-
überziehn lassen, ohne sich gründlich und entschieden darüber zu äußern. „Wie
man, heißt es am Schluß, ein unbändiges Pferd nur in der Gewalt hat.
wenn man dem vorwärts strebenden selbst vorwärts strebend ans dem Rücken
sitzt und die Zügel führt, so beherrscht man auch eine Zeitströmung nur, wenn
man tüchtig mitten drin wirkt, nach dem herzhaften Worte des Freiherrn von
Hertling: Um eine machtvolle Bewegung in richtige Bahnen zu leiten, gibt es
kein andres Mittel, als sich mitten hinein zu werfen."

Zwei der Ursachen literarischer Rückständigkeit seiner Glaubensgenosse»,
die Karl Muth beklagt, sind unter seiner Mitwirkung beseitigt worden. Im
Jahre 1900 wurde die Literarische Warte gegründet, die in seinem Geiste ge¬
leitet wird, und 1903 die Monatsschrift „Hochland", deren Leitung er selbst
übernommen hat. Das Hochland erscheint in der Jos. Köselschen Buchhandlung
zu München und Kempten in gediegner Ausstattung und kommt inhaltlich
Westermanns Monatsheften am nächsten, nur daß es nicht illustriert ist. Das
Format ist etwas kleiner, aber ein Heft ist dicker als ein Doppelheft von
Westermann. Wie dieser schließt Hochland die Politik aus und behandelt alle
Kulturzweige. Daß es, wenigstens vorläufig noch nicht, wie Westermann, in
jedem Hefte zwei Romanfortsetzungen und eine Novelle bringen kann, ist bei
dem beschriebnen Zustande der katholischen Novellistik und den Grundsätzen
Muths selbstverständlich. Auch an größern wissenschaftlichen Abhandlungen
ist es nicht so reich wie jener. Dafür hat es viele kleine Sachen aus allen
möglichen Gebieten, auch viel Gedichte und sehr viel literarische und Kunst-
kritik. Von dieser wollen wir einige Proben vorlegen. Der Leitspruch der
Zeitschrift, der den Namen rechtfertigen soll, lautet:




Das Land Transkaspien
R H. Toepfer eiseerinnerungen von

s erscheint vielleicht verwegen, nach den wenigen Tagen einer
Eisenbahnfahrt durch Transkaspien dieses weite Land in seiner
Eigenart kurz schildern zu wollen; aber der Versuch ist möglich,
denn Transkaspien ist ein Land, das in der Gleichartigkeit seiner
Bodengestaltung und seiner klimatischen Verhältnisse kaum über-
! troffen werden dürfte. Zudem wird der aufmerksame Reisende
während der langsamen Eisenbahnfahrt mit allen Formen und Erscheinungen
schnell genug vertraut: er fährt unter dem Wüstengebirasrand zunächst auf schmalen
Uferstreifen zum Großen Balchan, durchschneidet die Kulturzone, Sandsteppe undiWltzH^z«:
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[0422] Das Land Transkaspien In einer Schlußbetrachtung: „Unsre Pflicht" wird gerügt, daß die katholischen Literaten auch so bedeutende Zeiterscheinungen wie Nietzsche und Ibsen vor- überziehn lassen, ohne sich gründlich und entschieden darüber zu äußern. „Wie man, heißt es am Schluß, ein unbändiges Pferd nur in der Gewalt hat. wenn man dem vorwärts strebenden selbst vorwärts strebend ans dem Rücken sitzt und die Zügel führt, so beherrscht man auch eine Zeitströmung nur, wenn man tüchtig mitten drin wirkt, nach dem herzhaften Worte des Freiherrn von Hertling: Um eine machtvolle Bewegung in richtige Bahnen zu leiten, gibt es kein andres Mittel, als sich mitten hinein zu werfen." Zwei der Ursachen literarischer Rückständigkeit seiner Glaubensgenosse», die Karl Muth beklagt, sind unter seiner Mitwirkung beseitigt worden. Im Jahre 1900 wurde die Literarische Warte gegründet, die in seinem Geiste ge¬ leitet wird, und 1903 die Monatsschrift „Hochland", deren Leitung er selbst übernommen hat. Das Hochland erscheint in der Jos. Köselschen Buchhandlung zu München und Kempten in gediegner Ausstattung und kommt inhaltlich Westermanns Monatsheften am nächsten, nur daß es nicht illustriert ist. Das Format ist etwas kleiner, aber ein Heft ist dicker als ein Doppelheft von Westermann. Wie dieser schließt Hochland die Politik aus und behandelt alle Kulturzweige. Daß es, wenigstens vorläufig noch nicht, wie Westermann, in jedem Hefte zwei Romanfortsetzungen und eine Novelle bringen kann, ist bei dem beschriebnen Zustande der katholischen Novellistik und den Grundsätzen Muths selbstverständlich. Auch an größern wissenschaftlichen Abhandlungen ist es nicht so reich wie jener. Dafür hat es viele kleine Sachen aus allen möglichen Gebieten, auch viel Gedichte und sehr viel literarische und Kunst- kritik. Von dieser wollen wir einige Proben vorlegen. Der Leitspruch der Zeitschrift, der den Namen rechtfertigen soll, lautet: Das Land Transkaspien R H. Toepfer eiseerinnerungen von s erscheint vielleicht verwegen, nach den wenigen Tagen einer Eisenbahnfahrt durch Transkaspien dieses weite Land in seiner Eigenart kurz schildern zu wollen; aber der Versuch ist möglich, denn Transkaspien ist ein Land, das in der Gleichartigkeit seiner Bodengestaltung und seiner klimatischen Verhältnisse kaum über- ! troffen werden dürfte. Zudem wird der aufmerksame Reisende während der langsamen Eisenbahnfahrt mit allen Formen und Erscheinungen schnell genug vertraut: er fährt unter dem Wüstengebirasrand zunächst auf schmalen Uferstreifen zum Großen Balchan, durchschneidet die Kulturzone, Sandsteppe undiWltzH^z«: A7>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/422>, abgerufen am 05.07.2024.