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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Fünfzig Jahre deutschor Schiffahrt

gesellschaft auf das Wirtschaftsleben Deutschlands sehr groß, so ist sie seither
noch viel größer und tiefer gehend geworden. Bis dahin hatte der Lloyd seine
Dampferlinien ausschließlich nach Amerika gerichtet! indem er jetzt auch nach
den übrigen drei Weltteilen sein Liniennetz ausdehnte, folgte er einer von der
deutschen Regierung ausgehenden Initiative, die von der Herstellung direkter
deutscher Postdampferlinien zwischen Deutschland und China, Japan und
Australien nicht bloß für die Erweiterung des Absatzmarktes für deutsche Er¬
zeugnisse in überseeischen Ländern, sondern auch für die Zwecke der Kaiserlichen
Marine (wegen Beförderung des Postdieustes im Verkehr mit den deutschen
Marinestationen und der Marineablösungsmannschaften und sonstiger Militär¬
transporte) einen wesentlichen Nutzen erwartete. Die Regierung schickte damals
ein Submissionsausschreiben für die Errichtung der Linien an mehrere Ham¬
burger und Bremer Firmen; den Auftrag erhielt als die leistungsfähigste
Reederei der Lloyd. Die zwanzigjährige Geschichte der Reichspostdampferlinien
ist ein fortlaufender Beweis für den richtigen Blick, den die Regierung mit dieser
Anregung gezeigt hat. Der Einfluß der Reichspostdampferlinien auf die wirtschaft¬
lichen und politischen Beziehungen Deutschlands zu Ostasien und Australien ist ein
ungeheurer geworden. Dieser Einfluß wäre, wie Dr. Neubaur in seinem Buche
"Die deutschen Reichspostdampferlinien nach Ostasien und Australien" hervor¬
hebt, "bei weitem nicht in dem Maße in die Erscheinung getreten, wenn nicht
der norddeutsche Lloyd dieselbe Weite des Blickes im Betriebe und in der
Ausgestaltung der Schiffahrtsverbiudungen mit Ostasien und Australien gezeigt
hätte, wie sie die Reichsregierung in der Schaffung der Linien bekundet hat.
Die Ausgestaltung der Linien liegt zum großen Teil außerhalb des Sub¬
ventionsvertrags und ist eigenstes Werk der Bremer Reederei. Ebenso ist als
deren eigenstes Verdienst die Rückwirkung anzusprechen, die der Betrieb der
Reichspostdampferlinien auf den deutschen Schiffbau gehabt hat." Das Ver¬
dienst, die Reichspostdampferlinien zu richtigem Prosperieren gebracht zu haben,
ist um so größer, als der Kontrakt der Schiffahrtsgesellschaft eine Menge Ver¬
pflichtungen auferlegt, die der freien Bewegung oft sehr hinderlich sind.

Die Reichspostdampferlinien, an deren Routenführung im Laufe der Jahre
manche Änderungen vorgenommen wurden, sind heute folgende: eine Hauptlinie
nach China und Japan, eine zweite Linie nach Australien, und dazu eine
Zweiglinie von Sydney über Neu-Guinea nach Jokohama (die Zweiglinie ver¬
bindet also den größten Teil unsrer Südseebesitzungen mit der ostasiatischen und
australischen Hauptlinie).

Zu ihrem vollen geschäftlichen Werte für den Lloyd wie für den deutsche"
Handel gelangten die Reichspostdampferlinien erst, als auf Anregung des
Generaldirektors Dr. Wiegcmd der Lloyd zwei englische Dampferlinien, die bis
dahin den größten Teil des Passagier- und Frachtverkehrs an der indischen
und südchinesischen Küste besorgt hatten, aufkaufte und dadurch den dortigen
Handel unter deutschen Einfluß brachte. Die Errichtung einer Dampferfahrt


Fünfzig Jahre deutschor Schiffahrt

gesellschaft auf das Wirtschaftsleben Deutschlands sehr groß, so ist sie seither
noch viel größer und tiefer gehend geworden. Bis dahin hatte der Lloyd seine
Dampferlinien ausschließlich nach Amerika gerichtet! indem er jetzt auch nach
den übrigen drei Weltteilen sein Liniennetz ausdehnte, folgte er einer von der
deutschen Regierung ausgehenden Initiative, die von der Herstellung direkter
deutscher Postdampferlinien zwischen Deutschland und China, Japan und
Australien nicht bloß für die Erweiterung des Absatzmarktes für deutsche Er¬
zeugnisse in überseeischen Ländern, sondern auch für die Zwecke der Kaiserlichen
Marine (wegen Beförderung des Postdieustes im Verkehr mit den deutschen
Marinestationen und der Marineablösungsmannschaften und sonstiger Militär¬
transporte) einen wesentlichen Nutzen erwartete. Die Regierung schickte damals
ein Submissionsausschreiben für die Errichtung der Linien an mehrere Ham¬
burger und Bremer Firmen; den Auftrag erhielt als die leistungsfähigste
Reederei der Lloyd. Die zwanzigjährige Geschichte der Reichspostdampferlinien
ist ein fortlaufender Beweis für den richtigen Blick, den die Regierung mit dieser
Anregung gezeigt hat. Der Einfluß der Reichspostdampferlinien auf die wirtschaft¬
lichen und politischen Beziehungen Deutschlands zu Ostasien und Australien ist ein
ungeheurer geworden. Dieser Einfluß wäre, wie Dr. Neubaur in seinem Buche
„Die deutschen Reichspostdampferlinien nach Ostasien und Australien" hervor¬
hebt, „bei weitem nicht in dem Maße in die Erscheinung getreten, wenn nicht
der norddeutsche Lloyd dieselbe Weite des Blickes im Betriebe und in der
Ausgestaltung der Schiffahrtsverbiudungen mit Ostasien und Australien gezeigt
hätte, wie sie die Reichsregierung in der Schaffung der Linien bekundet hat.
Die Ausgestaltung der Linien liegt zum großen Teil außerhalb des Sub¬
ventionsvertrags und ist eigenstes Werk der Bremer Reederei. Ebenso ist als
deren eigenstes Verdienst die Rückwirkung anzusprechen, die der Betrieb der
Reichspostdampferlinien auf den deutschen Schiffbau gehabt hat." Das Ver¬
dienst, die Reichspostdampferlinien zu richtigem Prosperieren gebracht zu haben,
ist um so größer, als der Kontrakt der Schiffahrtsgesellschaft eine Menge Ver¬
pflichtungen auferlegt, die der freien Bewegung oft sehr hinderlich sind.

Die Reichspostdampferlinien, an deren Routenführung im Laufe der Jahre
manche Änderungen vorgenommen wurden, sind heute folgende: eine Hauptlinie
nach China und Japan, eine zweite Linie nach Australien, und dazu eine
Zweiglinie von Sydney über Neu-Guinea nach Jokohama (die Zweiglinie ver¬
bindet also den größten Teil unsrer Südseebesitzungen mit der ostasiatischen und
australischen Hauptlinie).

Zu ihrem vollen geschäftlichen Werte für den Lloyd wie für den deutsche»
Handel gelangten die Reichspostdampferlinien erst, als auf Anregung des
Generaldirektors Dr. Wiegcmd der Lloyd zwei englische Dampferlinien, die bis
dahin den größten Teil des Passagier- und Frachtverkehrs an der indischen
und südchinesischen Küste besorgt hatten, aufkaufte und dadurch den dortigen
Handel unter deutschen Einfluß brachte. Die Errichtung einer Dampferfahrt


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[0406] Fünfzig Jahre deutschor Schiffahrt gesellschaft auf das Wirtschaftsleben Deutschlands sehr groß, so ist sie seither noch viel größer und tiefer gehend geworden. Bis dahin hatte der Lloyd seine Dampferlinien ausschließlich nach Amerika gerichtet! indem er jetzt auch nach den übrigen drei Weltteilen sein Liniennetz ausdehnte, folgte er einer von der deutschen Regierung ausgehenden Initiative, die von der Herstellung direkter deutscher Postdampferlinien zwischen Deutschland und China, Japan und Australien nicht bloß für die Erweiterung des Absatzmarktes für deutsche Er¬ zeugnisse in überseeischen Ländern, sondern auch für die Zwecke der Kaiserlichen Marine (wegen Beförderung des Postdieustes im Verkehr mit den deutschen Marinestationen und der Marineablösungsmannschaften und sonstiger Militär¬ transporte) einen wesentlichen Nutzen erwartete. Die Regierung schickte damals ein Submissionsausschreiben für die Errichtung der Linien an mehrere Ham¬ burger und Bremer Firmen; den Auftrag erhielt als die leistungsfähigste Reederei der Lloyd. Die zwanzigjährige Geschichte der Reichspostdampferlinien ist ein fortlaufender Beweis für den richtigen Blick, den die Regierung mit dieser Anregung gezeigt hat. Der Einfluß der Reichspostdampferlinien auf die wirtschaft¬ lichen und politischen Beziehungen Deutschlands zu Ostasien und Australien ist ein ungeheurer geworden. Dieser Einfluß wäre, wie Dr. Neubaur in seinem Buche „Die deutschen Reichspostdampferlinien nach Ostasien und Australien" hervor¬ hebt, „bei weitem nicht in dem Maße in die Erscheinung getreten, wenn nicht der norddeutsche Lloyd dieselbe Weite des Blickes im Betriebe und in der Ausgestaltung der Schiffahrtsverbiudungen mit Ostasien und Australien gezeigt hätte, wie sie die Reichsregierung in der Schaffung der Linien bekundet hat. Die Ausgestaltung der Linien liegt zum großen Teil außerhalb des Sub¬ ventionsvertrags und ist eigenstes Werk der Bremer Reederei. Ebenso ist als deren eigenstes Verdienst die Rückwirkung anzusprechen, die der Betrieb der Reichspostdampferlinien auf den deutschen Schiffbau gehabt hat." Das Ver¬ dienst, die Reichspostdampferlinien zu richtigem Prosperieren gebracht zu haben, ist um so größer, als der Kontrakt der Schiffahrtsgesellschaft eine Menge Ver¬ pflichtungen auferlegt, die der freien Bewegung oft sehr hinderlich sind. Die Reichspostdampferlinien, an deren Routenführung im Laufe der Jahre manche Änderungen vorgenommen wurden, sind heute folgende: eine Hauptlinie nach China und Japan, eine zweite Linie nach Australien, und dazu eine Zweiglinie von Sydney über Neu-Guinea nach Jokohama (die Zweiglinie ver¬ bindet also den größten Teil unsrer Südseebesitzungen mit der ostasiatischen und australischen Hauptlinie). Zu ihrem vollen geschäftlichen Werte für den Lloyd wie für den deutsche» Handel gelangten die Reichspostdampferlinien erst, als auf Anregung des Generaldirektors Dr. Wiegcmd der Lloyd zwei englische Dampferlinien, die bis dahin den größten Teil des Passagier- und Frachtverkehrs an der indischen und südchinesischen Küste besorgt hatten, aufkaufte und dadurch den dortigen Handel unter deutschen Einfluß brachte. Die Errichtung einer Dampferfahrt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/406>, abgerufen am 04.07.2024.