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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Militärische Jugenderziehung

Von den Übungen her und würden eine mutvolle Truppe abgeben, während
die Veteranen, die nur im Falle der höchsten Not aufzubieten wären, alsdann
eine wirklich brauchbare Macht abgaben, die das nötige Selbstvertrauen Hütte,
pro aris se, to<zi8 zu kämpfen.

"Man muß sich mir an die Verhältnisse von 1870/71 zurück erinnern," so
schließt General Prndhomme seine interessanten Ausführungen, "jenen verhängnis¬
vollen Krieg, wo innerhalb dreier Monate die Feldarmee nur ihre Waffenehrc
zu retten vermochte, und wo zwar in einem Augenblick neue Heere geschaffen
worden sind, die aber aus lauter gewesenen Soldaten bestanden, die ihr Hand¬
werk gänzlich vergessen hatten, sowie aus jungen Mobilgarden, denen jede
Instruktion fehlte -- wie froh wäre man damals gewesen, wenn die Leute,
die heldenmütig ihr Baterland, unerschrocken die Hauptstadt verteidigten, eingeübt
gewesen wären! Wie ganz anders hätte man damals dem beinahe beständig
siegreichen Ervbrer entgegentreten, ihm Abbruch tun können!

Sind wir wirklich ein Volk in Waffen? Was müßte ein Volk zu leisten
imstande sein, das nicht nur glühende Vaterlandsliebe, Heldenmut und eine
gute Erziehung, sondern auch eine entsprechende militärische Ausbildung hat!
Nur ein obligatorischer inilitürischer Unterricht von der Kindheit hinweg bis
ins höchste Lebensalter hinauf führt uns dazu, einmal nicht mir passiv uns
zu verteidigen -- was stets zur Niederlage führt --, souderu gegen jeden Feind
begeistert offensiv vorzugehen, ihn zu besiegen, zurückzuwerfen, vom Boden des
heiligen Vaterlandes endgiltig zu vertreiben."

Das sind große Gedanken und gewaltige Worte. Sie zeigen, wie man in
Frankreich vorgehen will, um den schlimmen Begriff "Zahl", von dem immer
noch so viel die Rede ist, mit der Zeit aus der Welt zu schaffen. Die Franzosen
haben durch die Annahme des Gesetzes über die zweijährige Dienstzeit gezeigt,
welche Opfer sie dem Vaterlande zu bringen bereit sind; wer weiß, ob nicht
auch die Prudhommcsche Idee auf fruchtbaren Boden fällt, aufgegriffen wird
und dadurch die uus benachbarte Republik zu einem zweiten Sparta macht.

Wie in Frankreich General Prndhomme so ist in England Feldmarschall
Roberts der eifrigste Vorkämpfer für eine systematisch geregelte militärische
Jugenderziehung. In Wort und Schrift tritt der greise Marschall immer wieder
dafür ein, daß sowohl in den Volksschulen wie in den niedern Klassen der
höhern Schulen die Knaben körperlich auf den Militärdienst vorbereitet werden
müßten; in den höhern Klassen dieser Schulen sei diese Ausbildung ähnlich
wie in den Kadettenanstalten einzurichten. Sämtliche Zöglinge der höhern
Bildungsanstalten hätten nach beendeten Unterricht durch eine Prüfung den
Nachweis ihrer militärischen Fähigkeit zu führen, wodurch sie die Anwart¬
schaft auf spätere Beförderung zu Offizieren bei der Miliz oder den Freiwilligen
erwürben. In das soldatische Programm aller Schulen seien Turnen, Exerzieren,
Schwimmen und vorbereitende Schießübungen aufzunehmen. Lord Roberts sieht
in der Annahme seiner Vorschläge das einzige Mittel, die Wehrkraft der Nation,


Militärische Jugenderziehung

Von den Übungen her und würden eine mutvolle Truppe abgeben, während
die Veteranen, die nur im Falle der höchsten Not aufzubieten wären, alsdann
eine wirklich brauchbare Macht abgaben, die das nötige Selbstvertrauen Hütte,
pro aris se, to<zi8 zu kämpfen.

„Man muß sich mir an die Verhältnisse von 1870/71 zurück erinnern," so
schließt General Prndhomme seine interessanten Ausführungen, „jenen verhängnis¬
vollen Krieg, wo innerhalb dreier Monate die Feldarmee nur ihre Waffenehrc
zu retten vermochte, und wo zwar in einem Augenblick neue Heere geschaffen
worden sind, die aber aus lauter gewesenen Soldaten bestanden, die ihr Hand¬
werk gänzlich vergessen hatten, sowie aus jungen Mobilgarden, denen jede
Instruktion fehlte — wie froh wäre man damals gewesen, wenn die Leute,
die heldenmütig ihr Baterland, unerschrocken die Hauptstadt verteidigten, eingeübt
gewesen wären! Wie ganz anders hätte man damals dem beinahe beständig
siegreichen Ervbrer entgegentreten, ihm Abbruch tun können!

Sind wir wirklich ein Volk in Waffen? Was müßte ein Volk zu leisten
imstande sein, das nicht nur glühende Vaterlandsliebe, Heldenmut und eine
gute Erziehung, sondern auch eine entsprechende militärische Ausbildung hat!
Nur ein obligatorischer inilitürischer Unterricht von der Kindheit hinweg bis
ins höchste Lebensalter hinauf führt uns dazu, einmal nicht mir passiv uns
zu verteidigen — was stets zur Niederlage führt —, souderu gegen jeden Feind
begeistert offensiv vorzugehen, ihn zu besiegen, zurückzuwerfen, vom Boden des
heiligen Vaterlandes endgiltig zu vertreiben."

Das sind große Gedanken und gewaltige Worte. Sie zeigen, wie man in
Frankreich vorgehen will, um den schlimmen Begriff „Zahl", von dem immer
noch so viel die Rede ist, mit der Zeit aus der Welt zu schaffen. Die Franzosen
haben durch die Annahme des Gesetzes über die zweijährige Dienstzeit gezeigt,
welche Opfer sie dem Vaterlande zu bringen bereit sind; wer weiß, ob nicht
auch die Prudhommcsche Idee auf fruchtbaren Boden fällt, aufgegriffen wird
und dadurch die uus benachbarte Republik zu einem zweiten Sparta macht.

Wie in Frankreich General Prndhomme so ist in England Feldmarschall
Roberts der eifrigste Vorkämpfer für eine systematisch geregelte militärische
Jugenderziehung. In Wort und Schrift tritt der greise Marschall immer wieder
dafür ein, daß sowohl in den Volksschulen wie in den niedern Klassen der
höhern Schulen die Knaben körperlich auf den Militärdienst vorbereitet werden
müßten; in den höhern Klassen dieser Schulen sei diese Ausbildung ähnlich
wie in den Kadettenanstalten einzurichten. Sämtliche Zöglinge der höhern
Bildungsanstalten hätten nach beendeten Unterricht durch eine Prüfung den
Nachweis ihrer militärischen Fähigkeit zu führen, wodurch sie die Anwart¬
schaft auf spätere Beförderung zu Offizieren bei der Miliz oder den Freiwilligen
erwürben. In das soldatische Programm aller Schulen seien Turnen, Exerzieren,
Schwimmen und vorbereitende Schießübungen aufzunehmen. Lord Roberts sieht
in der Annahme seiner Vorschläge das einzige Mittel, die Wehrkraft der Nation,


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[0355] Militärische Jugenderziehung Von den Übungen her und würden eine mutvolle Truppe abgeben, während die Veteranen, die nur im Falle der höchsten Not aufzubieten wären, alsdann eine wirklich brauchbare Macht abgaben, die das nötige Selbstvertrauen Hütte, pro aris se, to<zi8 zu kämpfen. „Man muß sich mir an die Verhältnisse von 1870/71 zurück erinnern," so schließt General Prndhomme seine interessanten Ausführungen, „jenen verhängnis¬ vollen Krieg, wo innerhalb dreier Monate die Feldarmee nur ihre Waffenehrc zu retten vermochte, und wo zwar in einem Augenblick neue Heere geschaffen worden sind, die aber aus lauter gewesenen Soldaten bestanden, die ihr Hand¬ werk gänzlich vergessen hatten, sowie aus jungen Mobilgarden, denen jede Instruktion fehlte — wie froh wäre man damals gewesen, wenn die Leute, die heldenmütig ihr Baterland, unerschrocken die Hauptstadt verteidigten, eingeübt gewesen wären! Wie ganz anders hätte man damals dem beinahe beständig siegreichen Ervbrer entgegentreten, ihm Abbruch tun können! Sind wir wirklich ein Volk in Waffen? Was müßte ein Volk zu leisten imstande sein, das nicht nur glühende Vaterlandsliebe, Heldenmut und eine gute Erziehung, sondern auch eine entsprechende militärische Ausbildung hat! Nur ein obligatorischer inilitürischer Unterricht von der Kindheit hinweg bis ins höchste Lebensalter hinauf führt uns dazu, einmal nicht mir passiv uns zu verteidigen — was stets zur Niederlage führt —, souderu gegen jeden Feind begeistert offensiv vorzugehen, ihn zu besiegen, zurückzuwerfen, vom Boden des heiligen Vaterlandes endgiltig zu vertreiben." Das sind große Gedanken und gewaltige Worte. Sie zeigen, wie man in Frankreich vorgehen will, um den schlimmen Begriff „Zahl", von dem immer noch so viel die Rede ist, mit der Zeit aus der Welt zu schaffen. Die Franzosen haben durch die Annahme des Gesetzes über die zweijährige Dienstzeit gezeigt, welche Opfer sie dem Vaterlande zu bringen bereit sind; wer weiß, ob nicht auch die Prudhommcsche Idee auf fruchtbaren Boden fällt, aufgegriffen wird und dadurch die uus benachbarte Republik zu einem zweiten Sparta macht. Wie in Frankreich General Prndhomme so ist in England Feldmarschall Roberts der eifrigste Vorkämpfer für eine systematisch geregelte militärische Jugenderziehung. In Wort und Schrift tritt der greise Marschall immer wieder dafür ein, daß sowohl in den Volksschulen wie in den niedern Klassen der höhern Schulen die Knaben körperlich auf den Militärdienst vorbereitet werden müßten; in den höhern Klassen dieser Schulen sei diese Ausbildung ähnlich wie in den Kadettenanstalten einzurichten. Sämtliche Zöglinge der höhern Bildungsanstalten hätten nach beendeten Unterricht durch eine Prüfung den Nachweis ihrer militärischen Fähigkeit zu führen, wodurch sie die Anwart¬ schaft auf spätere Beförderung zu Offizieren bei der Miliz oder den Freiwilligen erwürben. In das soldatische Programm aller Schulen seien Turnen, Exerzieren, Schwimmen und vorbereitende Schießübungen aufzunehmen. Lord Roberts sieht in der Annahme seiner Vorschläge das einzige Mittel, die Wehrkraft der Nation,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/355>, abgerufen am 24.07.2024.