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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Militärische Jugenderziehung

erreichen, so wie die Dinge nun heute im allgemeinen im Staat und in den
Schulen liegen. Um zu günstigen Resultaten zu kommen, wird es besonders
notwendig werden, daß sich Heer und Schule mit uoch größerm Verständnis
als bisher gegenseitig in die Hände arbeiten, und daß vor allen Dingen die
Schule auch die militärische Erziehung des jungen Nachwuchses der Nation
im Auge hat und sie leicht und zielbewußt vorwärts bringt. In Betracht
kommen hierfür natürlich nicht nur die Gymnasien und Realschulen, sondern
namentlich auch die Volks- und Fortbildungsschulen, die an diesen großen
Aufgaben mitwirken und nach einem ganz bestimmten, in den leitenden Grund¬
sätzen völlig übereinstimmenden Programm arbeiten müssen. Schon Moltke
hat nach dieser Richtung den Schulen die Wege angedeutet, die zum Ziele
führen, als er das geflügelte Wort von dem preußischen Schulmeister, der die
Schlacht von Königgrätz gewonnen habe, dahin berichtigte, daß "nicht der
Schulmeister, sondern der Erzieher, der Militürstand, unsre Schlachten gewonnen
hat". Und den Moltkeschen Gedanken hat Graf Häseler mit ganz besondrer
Wärme aufgenommen und weiterentwickelt, indem er auch in Wort und Schrift
darauf hinwies, worauf es bei dieser militärischen Jugenderziehung ankommt,
und was erstrebt werden müsse. Aus seinen Hinweisen ist zu entnehmen,
daß sich die Schule in Zukunft nicht mehr damit begnügen dürfe, den Körper
durch turnerische Übungen geschmeidig und biegsam zu machen oder durch
exerziermüßige Bewegungen und dergleichen auf den Spielplätzen ihren jungen
Zöglingen eine ausreichende Vorbereitung auf die spätre militärische Dienst¬
zeit oder für den Soldatenbernf überhaupt geben zu wollen, sondern daß sie
ganz besonders bestrebt sein müsse, auch den Geist und Verstand für die Be¬
deutung unsers gesamten Heerwesens zu wecken, daß sie Hand und Auge unsrer
Jugend üben solle durch militärische Spaziergänge in das Gelände, die mit
kleinen Zeichenaufgaben, Entfernungschätzen usw. zu verbinden seien, und daß
sie namentlich in den niedern Volksschichten durch geschichtliche Belehrung den
Patriotismus und das Interesse für die Armee anspornen und auch erhalten
müsse. Auf den zuletzt genannten Punkt hat Graf Hüseler schon in seiner
Eigenschaft als kommandierender General ganz besondern Wert gelegt, und
wer je Gelegenheit gehabt hat, ihn bei den Jnstruktionsbesichtigungen der
Rekruten zu sehen, der wird sich gern und lebhaft erinnern, wie er mit
seinen Fragen immer wieder auf die vaterländische Geschichte zurückkam und
dabei betonte, daß ihre Kenntnis das Fundament sein müsse, das jeder junge
Soldat aus der Schule in seine Dienstzeit mit hinüberbringen müsse.

Natürlich müssen wir uns aber bei allen diesen wertvollen Bestrebungen
vor Übertreibungen hüten und dürfen nicht in Extreme verfallen, die von
Nachteil sein können. Also Schülerbataillone oder Schießübungen auf der
Schule, wie sie anderwärts organisiert sind und gepflegt werden, gehn nach
unserm Dafürhalten über das Ziel hinaus, dagegen muß nach einem mili¬
tärischen Bindeglied gesucht werden, das das auf der Schule Erlernte bis zum


Militärische Jugenderziehung

erreichen, so wie die Dinge nun heute im allgemeinen im Staat und in den
Schulen liegen. Um zu günstigen Resultaten zu kommen, wird es besonders
notwendig werden, daß sich Heer und Schule mit uoch größerm Verständnis
als bisher gegenseitig in die Hände arbeiten, und daß vor allen Dingen die
Schule auch die militärische Erziehung des jungen Nachwuchses der Nation
im Auge hat und sie leicht und zielbewußt vorwärts bringt. In Betracht
kommen hierfür natürlich nicht nur die Gymnasien und Realschulen, sondern
namentlich auch die Volks- und Fortbildungsschulen, die an diesen großen
Aufgaben mitwirken und nach einem ganz bestimmten, in den leitenden Grund¬
sätzen völlig übereinstimmenden Programm arbeiten müssen. Schon Moltke
hat nach dieser Richtung den Schulen die Wege angedeutet, die zum Ziele
führen, als er das geflügelte Wort von dem preußischen Schulmeister, der die
Schlacht von Königgrätz gewonnen habe, dahin berichtigte, daß „nicht der
Schulmeister, sondern der Erzieher, der Militürstand, unsre Schlachten gewonnen
hat". Und den Moltkeschen Gedanken hat Graf Häseler mit ganz besondrer
Wärme aufgenommen und weiterentwickelt, indem er auch in Wort und Schrift
darauf hinwies, worauf es bei dieser militärischen Jugenderziehung ankommt,
und was erstrebt werden müsse. Aus seinen Hinweisen ist zu entnehmen,
daß sich die Schule in Zukunft nicht mehr damit begnügen dürfe, den Körper
durch turnerische Übungen geschmeidig und biegsam zu machen oder durch
exerziermüßige Bewegungen und dergleichen auf den Spielplätzen ihren jungen
Zöglingen eine ausreichende Vorbereitung auf die spätre militärische Dienst¬
zeit oder für den Soldatenbernf überhaupt geben zu wollen, sondern daß sie
ganz besonders bestrebt sein müsse, auch den Geist und Verstand für die Be¬
deutung unsers gesamten Heerwesens zu wecken, daß sie Hand und Auge unsrer
Jugend üben solle durch militärische Spaziergänge in das Gelände, die mit
kleinen Zeichenaufgaben, Entfernungschätzen usw. zu verbinden seien, und daß
sie namentlich in den niedern Volksschichten durch geschichtliche Belehrung den
Patriotismus und das Interesse für die Armee anspornen und auch erhalten
müsse. Auf den zuletzt genannten Punkt hat Graf Hüseler schon in seiner
Eigenschaft als kommandierender General ganz besondern Wert gelegt, und
wer je Gelegenheit gehabt hat, ihn bei den Jnstruktionsbesichtigungen der
Rekruten zu sehen, der wird sich gern und lebhaft erinnern, wie er mit
seinen Fragen immer wieder auf die vaterländische Geschichte zurückkam und
dabei betonte, daß ihre Kenntnis das Fundament sein müsse, das jeder junge
Soldat aus der Schule in seine Dienstzeit mit hinüberbringen müsse.

Natürlich müssen wir uns aber bei allen diesen wertvollen Bestrebungen
vor Übertreibungen hüten und dürfen nicht in Extreme verfallen, die von
Nachteil sein können. Also Schülerbataillone oder Schießübungen auf der
Schule, wie sie anderwärts organisiert sind und gepflegt werden, gehn nach
unserm Dafürhalten über das Ziel hinaus, dagegen muß nach einem mili¬
tärischen Bindeglied gesucht werden, das das auf der Schule Erlernte bis zum


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[0345] Militärische Jugenderziehung erreichen, so wie die Dinge nun heute im allgemeinen im Staat und in den Schulen liegen. Um zu günstigen Resultaten zu kommen, wird es besonders notwendig werden, daß sich Heer und Schule mit uoch größerm Verständnis als bisher gegenseitig in die Hände arbeiten, und daß vor allen Dingen die Schule auch die militärische Erziehung des jungen Nachwuchses der Nation im Auge hat und sie leicht und zielbewußt vorwärts bringt. In Betracht kommen hierfür natürlich nicht nur die Gymnasien und Realschulen, sondern namentlich auch die Volks- und Fortbildungsschulen, die an diesen großen Aufgaben mitwirken und nach einem ganz bestimmten, in den leitenden Grund¬ sätzen völlig übereinstimmenden Programm arbeiten müssen. Schon Moltke hat nach dieser Richtung den Schulen die Wege angedeutet, die zum Ziele führen, als er das geflügelte Wort von dem preußischen Schulmeister, der die Schlacht von Königgrätz gewonnen habe, dahin berichtigte, daß „nicht der Schulmeister, sondern der Erzieher, der Militürstand, unsre Schlachten gewonnen hat". Und den Moltkeschen Gedanken hat Graf Häseler mit ganz besondrer Wärme aufgenommen und weiterentwickelt, indem er auch in Wort und Schrift darauf hinwies, worauf es bei dieser militärischen Jugenderziehung ankommt, und was erstrebt werden müsse. Aus seinen Hinweisen ist zu entnehmen, daß sich die Schule in Zukunft nicht mehr damit begnügen dürfe, den Körper durch turnerische Übungen geschmeidig und biegsam zu machen oder durch exerziermüßige Bewegungen und dergleichen auf den Spielplätzen ihren jungen Zöglingen eine ausreichende Vorbereitung auf die spätre militärische Dienst¬ zeit oder für den Soldatenbernf überhaupt geben zu wollen, sondern daß sie ganz besonders bestrebt sein müsse, auch den Geist und Verstand für die Be¬ deutung unsers gesamten Heerwesens zu wecken, daß sie Hand und Auge unsrer Jugend üben solle durch militärische Spaziergänge in das Gelände, die mit kleinen Zeichenaufgaben, Entfernungschätzen usw. zu verbinden seien, und daß sie namentlich in den niedern Volksschichten durch geschichtliche Belehrung den Patriotismus und das Interesse für die Armee anspornen und auch erhalten müsse. Auf den zuletzt genannten Punkt hat Graf Hüseler schon in seiner Eigenschaft als kommandierender General ganz besondern Wert gelegt, und wer je Gelegenheit gehabt hat, ihn bei den Jnstruktionsbesichtigungen der Rekruten zu sehen, der wird sich gern und lebhaft erinnern, wie er mit seinen Fragen immer wieder auf die vaterländische Geschichte zurückkam und dabei betonte, daß ihre Kenntnis das Fundament sein müsse, das jeder junge Soldat aus der Schule in seine Dienstzeit mit hinüberbringen müsse. Natürlich müssen wir uns aber bei allen diesen wertvollen Bestrebungen vor Übertreibungen hüten und dürfen nicht in Extreme verfallen, die von Nachteil sein können. Also Schülerbataillone oder Schießübungen auf der Schule, wie sie anderwärts organisiert sind und gepflegt werden, gehn nach unserm Dafürhalten über das Ziel hinaus, dagegen muß nach einem mili¬ tärischen Bindeglied gesucht werden, das das auf der Schule Erlernte bis zum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/345>, abgerufen am 24.07.2024.