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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Oer Paragraph 22 dos preußischen Einkommensteuergesetzes von" Juni ^HO6

N'artige Arbeiter beschäftigen, den einzelnen Steuerpflichtigen mit Sicherheit
festzustellen. Der Arbeitgeber wendet dagegen ein, er kümmere sich nicht um
die Wohnungen seiner Arbeiter, habe mich kein Mittel, deren Angabe von
ihnen zu erzwingen.

Das sind Schwierigkeiten, die nicht kurzerhand können abgetan werden,
die bei gutem Willen aber behoben werden. Die Anweisungen zur Aus¬
führung des Gesetzes sind leider spät ergangen. Die Aufforderungen zur Ein-
reichuug der Lohnlisten kamen vielen Arbeitgebern überraschend und fanden
keine Vorarbeiten. Die Auskünfte der Behörden über entstandne Zweifel
waren nicht immer einwandfrei; zu den Unklarheiten traten Mißverständnisse,
die Abneigung gegen die Anordnungen der Behörden wuchs und ließen diese
als Schikane, als zu weitgehende Belästigungen erscheinen.

Bei der nächsten Veranlagung wird die Ausführung der alsdann nicht mehr
unbekannten Vorschrift, auf die sich einzurichten nunmehr die Betriebe in der
Lage gewesen sind, auf keine großen Schwierigkeiten mehr stoßen. Unerfindlich
wäre auch, weshalb in Preußen nicht ausführbar sein soll, was in Sachsen,
und zwar in schärferer Form -- das sächsische Gesetz ist wie in seinen meisten
sonstigen Bestimmungen anch hier weniger rücksichtsvoll gegen die Steuer¬
pflichtigen als das preußische -- möglich ist. Wie wenig übrigens die
sächsischen Arbeitgeber die Auflage der Eiureichnng von Lohnnachweisungen
als Last empfinden, zeigt das Verhalten an der Grenze seßhafter Fabrikbesitzer,
die schon seit Jahren preußischen Gemeindebehörden Lohnlisten ihrer in Preußen
wohnenden Arbeiter zusenden.

In großen Unternehmen müssen gegenwärtig schon zur Bearbeitung der
sozialpolitischen Aufgaben und Auflagen Beamte gehalten werden. Es wird
keine Schwierigkeiten machen, diesen Beamten die Aufstellung der vom Ein¬
kommensteuergesetz geforderten Listen zuzuweisen.

Wenn bei der ersten Veranlagung nach dem neuen Gesetz mit Recht
Entgegenkommen und Milde geübt worden ist, so wird und muß späterhin Wohl
ein schärferer Wind wehen. Im Interesse einer zutreffenden Veranlagung der
Steuerpflichtigen könn.en sich die Behörden nicht der Pflicht entziehen, aus¬
reichende Auskunft gebende Unterlagen für die Einschätzung einzufordern.
Unternehmen mit großer Arbeiterzahl ist es deshalb zu empfehlen, nicht erst
die Aufforderung der Gemeindebehörde abzuwarten, sondern sich schon vorher
mit ihr über Form und Inhalt der einzureichenden Listen zu verständige".
Hingewiesen sei hierbei auf eine Probe mit Lohnkarten, die für den einzelnen
Arbeiter ausgefertigt und im Herbst der Behörde eingereicht werden.

Wenn in einem bekannten Berliner Blatte ein bewegliches Klagelied an¬
gestimmt wurde, die armen Arbeiter würden dnrch die Vorschrift des Para¬
graphen 23 des Einkommensteuergesetzes nunmehr bis auf deu letzten Pfennig
besteuert, so kauu ein solches oberflächliches Geschwätz nicht scharf genug ver¬
urteilt werden. Die Behörden haben die Aufgabe, das Einkommen der Steuer-


Oer Paragraph 22 dos preußischen Einkommensteuergesetzes von» Juni ^HO6

N'artige Arbeiter beschäftigen, den einzelnen Steuerpflichtigen mit Sicherheit
festzustellen. Der Arbeitgeber wendet dagegen ein, er kümmere sich nicht um
die Wohnungen seiner Arbeiter, habe mich kein Mittel, deren Angabe von
ihnen zu erzwingen.

Das sind Schwierigkeiten, die nicht kurzerhand können abgetan werden,
die bei gutem Willen aber behoben werden. Die Anweisungen zur Aus¬
führung des Gesetzes sind leider spät ergangen. Die Aufforderungen zur Ein-
reichuug der Lohnlisten kamen vielen Arbeitgebern überraschend und fanden
keine Vorarbeiten. Die Auskünfte der Behörden über entstandne Zweifel
waren nicht immer einwandfrei; zu den Unklarheiten traten Mißverständnisse,
die Abneigung gegen die Anordnungen der Behörden wuchs und ließen diese
als Schikane, als zu weitgehende Belästigungen erscheinen.

Bei der nächsten Veranlagung wird die Ausführung der alsdann nicht mehr
unbekannten Vorschrift, auf die sich einzurichten nunmehr die Betriebe in der
Lage gewesen sind, auf keine großen Schwierigkeiten mehr stoßen. Unerfindlich
wäre auch, weshalb in Preußen nicht ausführbar sein soll, was in Sachsen,
und zwar in schärferer Form — das sächsische Gesetz ist wie in seinen meisten
sonstigen Bestimmungen anch hier weniger rücksichtsvoll gegen die Steuer¬
pflichtigen als das preußische — möglich ist. Wie wenig übrigens die
sächsischen Arbeitgeber die Auflage der Eiureichnng von Lohnnachweisungen
als Last empfinden, zeigt das Verhalten an der Grenze seßhafter Fabrikbesitzer,
die schon seit Jahren preußischen Gemeindebehörden Lohnlisten ihrer in Preußen
wohnenden Arbeiter zusenden.

In großen Unternehmen müssen gegenwärtig schon zur Bearbeitung der
sozialpolitischen Aufgaben und Auflagen Beamte gehalten werden. Es wird
keine Schwierigkeiten machen, diesen Beamten die Aufstellung der vom Ein¬
kommensteuergesetz geforderten Listen zuzuweisen.

Wenn bei der ersten Veranlagung nach dem neuen Gesetz mit Recht
Entgegenkommen und Milde geübt worden ist, so wird und muß späterhin Wohl
ein schärferer Wind wehen. Im Interesse einer zutreffenden Veranlagung der
Steuerpflichtigen könn.en sich die Behörden nicht der Pflicht entziehen, aus¬
reichende Auskunft gebende Unterlagen für die Einschätzung einzufordern.
Unternehmen mit großer Arbeiterzahl ist es deshalb zu empfehlen, nicht erst
die Aufforderung der Gemeindebehörde abzuwarten, sondern sich schon vorher
mit ihr über Form und Inhalt der einzureichenden Listen zu verständige».
Hingewiesen sei hierbei auf eine Probe mit Lohnkarten, die für den einzelnen
Arbeiter ausgefertigt und im Herbst der Behörde eingereicht werden.

Wenn in einem bekannten Berliner Blatte ein bewegliches Klagelied an¬
gestimmt wurde, die armen Arbeiter würden dnrch die Vorschrift des Para¬
graphen 23 des Einkommensteuergesetzes nunmehr bis auf deu letzten Pfennig
besteuert, so kauu ein solches oberflächliches Geschwätz nicht scharf genug ver¬
urteilt werden. Die Behörden haben die Aufgabe, das Einkommen der Steuer-


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[0302] Oer Paragraph 22 dos preußischen Einkommensteuergesetzes von» Juni ^HO6 N'artige Arbeiter beschäftigen, den einzelnen Steuerpflichtigen mit Sicherheit festzustellen. Der Arbeitgeber wendet dagegen ein, er kümmere sich nicht um die Wohnungen seiner Arbeiter, habe mich kein Mittel, deren Angabe von ihnen zu erzwingen. Das sind Schwierigkeiten, die nicht kurzerhand können abgetan werden, die bei gutem Willen aber behoben werden. Die Anweisungen zur Aus¬ führung des Gesetzes sind leider spät ergangen. Die Aufforderungen zur Ein- reichuug der Lohnlisten kamen vielen Arbeitgebern überraschend und fanden keine Vorarbeiten. Die Auskünfte der Behörden über entstandne Zweifel waren nicht immer einwandfrei; zu den Unklarheiten traten Mißverständnisse, die Abneigung gegen die Anordnungen der Behörden wuchs und ließen diese als Schikane, als zu weitgehende Belästigungen erscheinen. Bei der nächsten Veranlagung wird die Ausführung der alsdann nicht mehr unbekannten Vorschrift, auf die sich einzurichten nunmehr die Betriebe in der Lage gewesen sind, auf keine großen Schwierigkeiten mehr stoßen. Unerfindlich wäre auch, weshalb in Preußen nicht ausführbar sein soll, was in Sachsen, und zwar in schärferer Form — das sächsische Gesetz ist wie in seinen meisten sonstigen Bestimmungen anch hier weniger rücksichtsvoll gegen die Steuer¬ pflichtigen als das preußische — möglich ist. Wie wenig übrigens die sächsischen Arbeitgeber die Auflage der Eiureichnng von Lohnnachweisungen als Last empfinden, zeigt das Verhalten an der Grenze seßhafter Fabrikbesitzer, die schon seit Jahren preußischen Gemeindebehörden Lohnlisten ihrer in Preußen wohnenden Arbeiter zusenden. In großen Unternehmen müssen gegenwärtig schon zur Bearbeitung der sozialpolitischen Aufgaben und Auflagen Beamte gehalten werden. Es wird keine Schwierigkeiten machen, diesen Beamten die Aufstellung der vom Ein¬ kommensteuergesetz geforderten Listen zuzuweisen. Wenn bei der ersten Veranlagung nach dem neuen Gesetz mit Recht Entgegenkommen und Milde geübt worden ist, so wird und muß späterhin Wohl ein schärferer Wind wehen. Im Interesse einer zutreffenden Veranlagung der Steuerpflichtigen könn.en sich die Behörden nicht der Pflicht entziehen, aus¬ reichende Auskunft gebende Unterlagen für die Einschätzung einzufordern. Unternehmen mit großer Arbeiterzahl ist es deshalb zu empfehlen, nicht erst die Aufforderung der Gemeindebehörde abzuwarten, sondern sich schon vorher mit ihr über Form und Inhalt der einzureichenden Listen zu verständige». Hingewiesen sei hierbei auf eine Probe mit Lohnkarten, die für den einzelnen Arbeiter ausgefertigt und im Herbst der Behörde eingereicht werden. Wenn in einem bekannten Berliner Blatte ein bewegliches Klagelied an¬ gestimmt wurde, die armen Arbeiter würden dnrch die Vorschrift des Para¬ graphen 23 des Einkommensteuergesetzes nunmehr bis auf deu letzten Pfennig besteuert, so kauu ein solches oberflächliches Geschwätz nicht scharf genug ver¬ urteilt werden. Die Behörden haben die Aufgabe, das Einkommen der Steuer-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/302>, abgerufen am 24.07.2024.