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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Der Paragraph 2Z dos preußischen Einkommensteuergesetzes vom ^y. Juni ^06

dürfte die abgeschlossene Veranlagung zeigen, daß die Einführung der Lvhu-
nachweisungen eine so schwerwiegende und nachhaltige Wirkung haben wird, wie
sie beim Erlaß des Gesetzes weder beabsichtigt noch geahnt wurde.

Als in der Kommission des Abgeordnetenhauses der uatioualliberalc
Antragsteller unter Hinweis ans eine gleiche Bestimmung im sächsischen Ein¬
kommensteuergesetz den Antrag auf Einforderung von Lohnlisten stellte, rief
er beim Finanzminister und seineu Räten nicht geringe Überraschung hervor.
Der Minister bezeichnete, allerdings irrtümlich, den Antrag als schon früher
von der Regierung eingebracht, stimmte ihm nach Besprechung mit seinen
Räten aber dann wohl nicht ungern zu. Ihm wie jenen dürfte er aber mehr
als eine willkommne Maßregel zur Erleichterung der Veranlagungsarbeiten
erschienen sein, während sie die von ihm zu erwartenden finanziellen Ergebnisse
nicht allzu hoch anschlugen. Um so angenehmer muß die Überraschung der
Regierung sein, wenn sie, wie solches jetzt schon der Fall sein mag, erfährt,
welche Summen diese Maßnahme dein Staate einbringen wird.

Den Antragsteller leitete wohl die Absicht, den Behörden die Möglichkeit
und die Mittel an die Hand zu geben, die gegen Lohn beschäftigten Personen,
deren zutreffende Einschätzung überaus schwierig ist, angemessen zu veranlagen
und damit dem freilich unerreichbaren Ideal einer durchweg gerechten Be¬
steuerung aller Bevölkerungsklassen nahe zu kommen. Dabei schwebte hin¬
sichtlich der finanziellen Wirkung mehr das Interesse der Gemeinden als des
Staates vor seinen Augen.

Das ist jedenfalls unbestreitbar. Der für alle Steuern zu fordernde, so
schwer zu erfüllende Grundsatz der Gerechtigkeit erfährt durch jene Vorschrift
eine mit Genugtuung zu begrüßende Förderung. So mancher Arbeitgeber, der
sie als unbequeme Neuerung empfindet, sie als belästigende Zumutung der
Behörden ansieht, hat sich ihre weitreichende Bedeutung für die Allgemeinheit,
für Gemeinde und Staat nicht klar gemacht. Selbstische Rücksichten, Besorgnis
vor Unannehmlichkeiten mit Behörden und Arbeiter", Vermehrung der Arbeit,
in großen Betrieben Verstärkung des Beamtenpersonals traten in den Vorder¬
grund und trübten den Blick.

Es kann zugegeben werden, daß die Ausführung der Bestimmung Be¬
trieben mit großer Arbeiterzahl Pflichten auferlegt, die unvorbereitet gefordert
mis schwere Last empfunden werden. Sie sind genötigt, früher nicht verlangte
Nachweisungen aufzustellen, die in großen Städten ihnen in der Regel unbe¬
kannten Wohnungen ihrer Arbeiter sollen ermittelt werden. Dazu treten die
Zweifel über die gestellten einzelnen Fragen. Für welche Zeitabschnitte, bis
zu welchem Zeitpunkt sollen die Löhne eingetragen werden? Das Gesetz
legt der Veranlagung das Kalenderjahr zugrunde. Aber zur Zeit der Ein¬
forderung der Nachweisungen ist dieses noch nicht abgelaufen. Für die Be¬
hörden ist die Angabe der Wohnungen der Arbeiter meist unentbehrlich. Ohne
solche ist es fast unmöglich, in größern Städten, bei Betrieben, die aus-


Der Paragraph 2Z dos preußischen Einkommensteuergesetzes vom ^y. Juni ^06

dürfte die abgeschlossene Veranlagung zeigen, daß die Einführung der Lvhu-
nachweisungen eine so schwerwiegende und nachhaltige Wirkung haben wird, wie
sie beim Erlaß des Gesetzes weder beabsichtigt noch geahnt wurde.

Als in der Kommission des Abgeordnetenhauses der uatioualliberalc
Antragsteller unter Hinweis ans eine gleiche Bestimmung im sächsischen Ein¬
kommensteuergesetz den Antrag auf Einforderung von Lohnlisten stellte, rief
er beim Finanzminister und seineu Räten nicht geringe Überraschung hervor.
Der Minister bezeichnete, allerdings irrtümlich, den Antrag als schon früher
von der Regierung eingebracht, stimmte ihm nach Besprechung mit seinen
Räten aber dann wohl nicht ungern zu. Ihm wie jenen dürfte er aber mehr
als eine willkommne Maßregel zur Erleichterung der Veranlagungsarbeiten
erschienen sein, während sie die von ihm zu erwartenden finanziellen Ergebnisse
nicht allzu hoch anschlugen. Um so angenehmer muß die Überraschung der
Regierung sein, wenn sie, wie solches jetzt schon der Fall sein mag, erfährt,
welche Summen diese Maßnahme dein Staate einbringen wird.

Den Antragsteller leitete wohl die Absicht, den Behörden die Möglichkeit
und die Mittel an die Hand zu geben, die gegen Lohn beschäftigten Personen,
deren zutreffende Einschätzung überaus schwierig ist, angemessen zu veranlagen
und damit dem freilich unerreichbaren Ideal einer durchweg gerechten Be¬
steuerung aller Bevölkerungsklassen nahe zu kommen. Dabei schwebte hin¬
sichtlich der finanziellen Wirkung mehr das Interesse der Gemeinden als des
Staates vor seinen Augen.

Das ist jedenfalls unbestreitbar. Der für alle Steuern zu fordernde, so
schwer zu erfüllende Grundsatz der Gerechtigkeit erfährt durch jene Vorschrift
eine mit Genugtuung zu begrüßende Förderung. So mancher Arbeitgeber, der
sie als unbequeme Neuerung empfindet, sie als belästigende Zumutung der
Behörden ansieht, hat sich ihre weitreichende Bedeutung für die Allgemeinheit,
für Gemeinde und Staat nicht klar gemacht. Selbstische Rücksichten, Besorgnis
vor Unannehmlichkeiten mit Behörden und Arbeiter», Vermehrung der Arbeit,
in großen Betrieben Verstärkung des Beamtenpersonals traten in den Vorder¬
grund und trübten den Blick.

Es kann zugegeben werden, daß die Ausführung der Bestimmung Be¬
trieben mit großer Arbeiterzahl Pflichten auferlegt, die unvorbereitet gefordert
mis schwere Last empfunden werden. Sie sind genötigt, früher nicht verlangte
Nachweisungen aufzustellen, die in großen Städten ihnen in der Regel unbe¬
kannten Wohnungen ihrer Arbeiter sollen ermittelt werden. Dazu treten die
Zweifel über die gestellten einzelnen Fragen. Für welche Zeitabschnitte, bis
zu welchem Zeitpunkt sollen die Löhne eingetragen werden? Das Gesetz
legt der Veranlagung das Kalenderjahr zugrunde. Aber zur Zeit der Ein¬
forderung der Nachweisungen ist dieses noch nicht abgelaufen. Für die Be¬
hörden ist die Angabe der Wohnungen der Arbeiter meist unentbehrlich. Ohne
solche ist es fast unmöglich, in größern Städten, bei Betrieben, die aus-


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[0301] Der Paragraph 2Z dos preußischen Einkommensteuergesetzes vom ^y. Juni ^06 dürfte die abgeschlossene Veranlagung zeigen, daß die Einführung der Lvhu- nachweisungen eine so schwerwiegende und nachhaltige Wirkung haben wird, wie sie beim Erlaß des Gesetzes weder beabsichtigt noch geahnt wurde. Als in der Kommission des Abgeordnetenhauses der uatioualliberalc Antragsteller unter Hinweis ans eine gleiche Bestimmung im sächsischen Ein¬ kommensteuergesetz den Antrag auf Einforderung von Lohnlisten stellte, rief er beim Finanzminister und seineu Räten nicht geringe Überraschung hervor. Der Minister bezeichnete, allerdings irrtümlich, den Antrag als schon früher von der Regierung eingebracht, stimmte ihm nach Besprechung mit seinen Räten aber dann wohl nicht ungern zu. Ihm wie jenen dürfte er aber mehr als eine willkommne Maßregel zur Erleichterung der Veranlagungsarbeiten erschienen sein, während sie die von ihm zu erwartenden finanziellen Ergebnisse nicht allzu hoch anschlugen. Um so angenehmer muß die Überraschung der Regierung sein, wenn sie, wie solches jetzt schon der Fall sein mag, erfährt, welche Summen diese Maßnahme dein Staate einbringen wird. Den Antragsteller leitete wohl die Absicht, den Behörden die Möglichkeit und die Mittel an die Hand zu geben, die gegen Lohn beschäftigten Personen, deren zutreffende Einschätzung überaus schwierig ist, angemessen zu veranlagen und damit dem freilich unerreichbaren Ideal einer durchweg gerechten Be¬ steuerung aller Bevölkerungsklassen nahe zu kommen. Dabei schwebte hin¬ sichtlich der finanziellen Wirkung mehr das Interesse der Gemeinden als des Staates vor seinen Augen. Das ist jedenfalls unbestreitbar. Der für alle Steuern zu fordernde, so schwer zu erfüllende Grundsatz der Gerechtigkeit erfährt durch jene Vorschrift eine mit Genugtuung zu begrüßende Förderung. So mancher Arbeitgeber, der sie als unbequeme Neuerung empfindet, sie als belästigende Zumutung der Behörden ansieht, hat sich ihre weitreichende Bedeutung für die Allgemeinheit, für Gemeinde und Staat nicht klar gemacht. Selbstische Rücksichten, Besorgnis vor Unannehmlichkeiten mit Behörden und Arbeiter», Vermehrung der Arbeit, in großen Betrieben Verstärkung des Beamtenpersonals traten in den Vorder¬ grund und trübten den Blick. Es kann zugegeben werden, daß die Ausführung der Bestimmung Be¬ trieben mit großer Arbeiterzahl Pflichten auferlegt, die unvorbereitet gefordert mis schwere Last empfunden werden. Sie sind genötigt, früher nicht verlangte Nachweisungen aufzustellen, die in großen Städten ihnen in der Regel unbe¬ kannten Wohnungen ihrer Arbeiter sollen ermittelt werden. Dazu treten die Zweifel über die gestellten einzelnen Fragen. Für welche Zeitabschnitte, bis zu welchem Zeitpunkt sollen die Löhne eingetragen werden? Das Gesetz legt der Veranlagung das Kalenderjahr zugrunde. Aber zur Zeit der Ein¬ forderung der Nachweisungen ist dieses noch nicht abgelaufen. Für die Be¬ hörden ist die Angabe der Wohnungen der Arbeiter meist unentbehrlich. Ohne solche ist es fast unmöglich, in größern Städten, bei Betrieben, die aus-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/301>, abgerufen am 24.07.2024.