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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Die neue Personen- und Gepäcktarifreform

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/MF">eit vielen Jahren war das Verlangen nach einer Vereinfachung
des Persvnentarifs und nach einer Änderung des Gepäcktarifs
im reisenden Publikum sehr groß. Im Sommer des Jahres 1901
wurde nun mit der gewünschten Vereinfachung ein rühmlicher
I Anfang gemacht, indem zu Beginn der großen Ferien zur großen
Freude und Überraschung aller Reisenden -- ganz besonders wurden alle die
erfreut und überrascht, die in den großen Ferien weitcntlegne Badeorte oder
Sommerfrischen in den Bergen aufzusuchen pflegen -- die Giltigkeit der Rück¬
fahrkarten für den Bereich der preußisch - hessischen Eisenbahngemeinschaft auf
fünfundvierzig Tage verlängert wurde. Das war wirklich ein Geschenk, für
das wir dem damaligen Eisenbahmuinister nicht dankbar genug sein konnten.
Diese segensreiche Einrichtung mußten natürlich alle deutschen Eisenbahnver-
waltungen in der kürzesten Zeit auch auf ihren Bahnen einführen. Eine Ver¬
einfachung war mit dieser Giltigkeitsverlängerung insofern verbunden, als die
Benutzung der zusammcnstellbaren Rundreisehefte -- wie mühsam und zeit¬
raubend war es oft, ein solches Heft zusammenzustellen! -- seit dem Sommer 1901
allmählich aus ein Minimum zurückgegangen ist. Aber anch eine große Ver-
billigung war Mit der Einführung der fünfundvierzigtägigen Rückfahrkarten ver¬
knüpft, da erstens Rückfahrkarten an und für sich etwas billiger als Rundreise-
Hefte sind und außerdem auch für die verlängerten Karten 25 Kilo Freigepäck
gewährt wurden, eine Vergünstigung, die im Rundreiseverkehr wegfällt. Trotzdem
wollte der Ruf nach einer weitern Vereinfachung und Verbilligung nicht ver¬
stummen; namentlich verlangte man immer lauter und lauter eine völlige Ab¬
schaffung der Rückfahrkarten. Man sagte sich, es sei ganz unsinnig, daß man
für eine Strecke von A nach B und wieder von B uach A zurück, die im
ganzen zum Beispiel 400 Kilometer betrügt, ein Viertel weniger bezahlen solle,
als wenn man von A über B nach C fahre und dabei im ganzen auch nur
400 Kilometer zurücklege. Auch würden, so sagte man weiter, im Reiseverkehr
weit mehr Rückfahrkarten als einfache Karten verlangt, und außerdem werde
der Staat bei dem System der Rückfahrkarten durch den dabei möglichen und
amtlich auch anerkannten Billettschwindel um viele Millionen alljährlich be¬
trogen.

Diesen Erwägungen konnten sich die deutschen Eisenbahnverwaltungen
auf die Dauer nicht verschließen, und so traten sie dann vor zwei Jahren in
Beratungen und Verhandlungen über eine Vereinfachung des Tarifs und




Die neue Personen- und Gepäcktarifreform

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/MF">eit vielen Jahren war das Verlangen nach einer Vereinfachung
des Persvnentarifs und nach einer Änderung des Gepäcktarifs
im reisenden Publikum sehr groß. Im Sommer des Jahres 1901
wurde nun mit der gewünschten Vereinfachung ein rühmlicher
I Anfang gemacht, indem zu Beginn der großen Ferien zur großen
Freude und Überraschung aller Reisenden — ganz besonders wurden alle die
erfreut und überrascht, die in den großen Ferien weitcntlegne Badeorte oder
Sommerfrischen in den Bergen aufzusuchen pflegen — die Giltigkeit der Rück¬
fahrkarten für den Bereich der preußisch - hessischen Eisenbahngemeinschaft auf
fünfundvierzig Tage verlängert wurde. Das war wirklich ein Geschenk, für
das wir dem damaligen Eisenbahmuinister nicht dankbar genug sein konnten.
Diese segensreiche Einrichtung mußten natürlich alle deutschen Eisenbahnver-
waltungen in der kürzesten Zeit auch auf ihren Bahnen einführen. Eine Ver¬
einfachung war mit dieser Giltigkeitsverlängerung insofern verbunden, als die
Benutzung der zusammcnstellbaren Rundreisehefte — wie mühsam und zeit¬
raubend war es oft, ein solches Heft zusammenzustellen! — seit dem Sommer 1901
allmählich aus ein Minimum zurückgegangen ist. Aber anch eine große Ver-
billigung war Mit der Einführung der fünfundvierzigtägigen Rückfahrkarten ver¬
knüpft, da erstens Rückfahrkarten an und für sich etwas billiger als Rundreise-
Hefte sind und außerdem auch für die verlängerten Karten 25 Kilo Freigepäck
gewährt wurden, eine Vergünstigung, die im Rundreiseverkehr wegfällt. Trotzdem
wollte der Ruf nach einer weitern Vereinfachung und Verbilligung nicht ver¬
stummen; namentlich verlangte man immer lauter und lauter eine völlige Ab¬
schaffung der Rückfahrkarten. Man sagte sich, es sei ganz unsinnig, daß man
für eine Strecke von A nach B und wieder von B uach A zurück, die im
ganzen zum Beispiel 400 Kilometer betrügt, ein Viertel weniger bezahlen solle,
als wenn man von A über B nach C fahre und dabei im ganzen auch nur
400 Kilometer zurücklege. Auch würden, so sagte man weiter, im Reiseverkehr
weit mehr Rückfahrkarten als einfache Karten verlangt, und außerdem werde
der Staat bei dem System der Rückfahrkarten durch den dabei möglichen und
amtlich auch anerkannten Billettschwindel um viele Millionen alljährlich be¬
trogen.

Diesen Erwägungen konnten sich die deutschen Eisenbahnverwaltungen
auf die Dauer nicht verschließen, und so traten sie dann vor zwei Jahren in
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/293>, abgerufen am 04.07.2024.