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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Goetheerinnerungen im nordwestlichen Böhmen

Was sagen Sie zu den Paria Gedichten? Ist es nicht etwas ungeheuer
Großes? Feruer das von Deutscher Baukunst/') ist es nicht gleichfalls ein großes
Gedicht?

Leben Sie wohl, mein theurer Freund. Goethe ist voller Gesundheit und
Jngend, Mit dieser angenehmen Nachricht will ich Ihnen zu fortwährender
Freundschaft auf das beste empfohlen sein als Ihr getreuer und im Geist treu
Eckermann. Verbundener

Wie die auf diesen Brief in der Mappe folgenden Gedichte zeige", hat
Eckermann dem Freunde spater doch einige seiner Lyrika gesandt. Die beiden
andern Briefe, aus den Jahren 1832 und 1837, enthalten nichts Bemerkens¬
wertes.

Goethe besuchte am 21. August 1821 das Stift Tepl; im Jahre 1823
kam er meines Wissens nicht dahin, doch empfing er schon am Tage nach
seiner Ankunft in Marienbad den Besuch des Abtes Nciteubcrger. "Zum deut¬
lichern Begriff, schreibt er am 25. Juli an seinen Sohn, was Tepl für ein
schönes Local sei, lege des Prälaten Visiten-Charte bei." Das zierliche, mit
Goldschnitt geschmückte Kärtchen klebt noch heute in der untern Ecke des letzten
Bricfblcittes, die nach oben gekehrte Rückseite zeigt eine von Nosmäsler in
Dresden 1820 in Kupfer gestochne Ansicht der Klostergebäude, auf der Vorder¬
seite steht, ebenfalls in Kupfer gestochen: I,s Z?r6ig,t cle Isxl, Lliiulss Keitsu-
l)vrss"?.r xmir tÄrs viÄt". Lebhaftes Interesse bezeugt Goethe fortgesetzt für
die im Stift regelmüßig angestellten barometrischen und thermometrischen
Messungen, deren Übersichten er für die durch ihn veranlaßten graphischen
Darstellungen der Barometerstände verschiedner Orte eifrig erbat und ver¬
wertete. Die naturwissenschaftlichen Snmmlnngen des Klosters bereicherte er,
wie schon früher, so auch 1823 durch Schenkung lehrreicher Gebirgs- und
Mineralienfolgen.

Während die von Goethe auf der Rückfahrt von Tepl nach Marienbad
benutzte Fahrstraße nördlich über Ober-Gramling und Abaschin führt, sodaß
der Podhornberg dem Reisenden zur Linken bleibt, nimmt die Eisenbahn ihren
Weg südlich, erreicht bei Habaklcidrau ihre höchste Höhe, 706 Meter, und sinkt
dann in mannigfachen Windungen auf sehr reizvoller Fahrt zur Station Marien¬
bad hinab.

Werfen wir einen Blick auf den Stadtplan des heutigen Marienbad (nebst
dem sich im Süden unmittelbar anschließenden Vorort Schönem), so füllt uns
sogleich die merkwürdig scharf ausgeprägte Form des Umrisses auf: dieser hat
fast genau die Gestalt eines Beiles oder einer Axt; die Schneide zeigt nach
Osten, der Stiel nach Süden, mit einer leichten Krümmung des untern Drittels
nach Südwesten; am äußersten Ende des Stiels liegt der Bahnhof, seinen obern
Hauptteil bildet die langgestreckte, herrliche Kaiserstraße, zur Linken von einer



Goethes Aufsatz "Von deutscher Baukunst, v. U. tÄvini s, AsinbaoK. 1773" und
die Paria-Gedichte waren vor kurzem in der Zeitschrift "Über Kunst und Alterthum" erschienen.
Goetheerinnerungen im nordwestlichen Böhmen

Was sagen Sie zu den Paria Gedichten? Ist es nicht etwas ungeheuer
Großes? Feruer das von Deutscher Baukunst/') ist es nicht gleichfalls ein großes
Gedicht?

Leben Sie wohl, mein theurer Freund. Goethe ist voller Gesundheit und
Jngend, Mit dieser angenehmen Nachricht will ich Ihnen zu fortwährender
Freundschaft auf das beste empfohlen sein als Ihr getreuer und im Geist treu
Eckermann. Verbundener

Wie die auf diesen Brief in der Mappe folgenden Gedichte zeige», hat
Eckermann dem Freunde spater doch einige seiner Lyrika gesandt. Die beiden
andern Briefe, aus den Jahren 1832 und 1837, enthalten nichts Bemerkens¬
wertes.

Goethe besuchte am 21. August 1821 das Stift Tepl; im Jahre 1823
kam er meines Wissens nicht dahin, doch empfing er schon am Tage nach
seiner Ankunft in Marienbad den Besuch des Abtes Nciteubcrger. „Zum deut¬
lichern Begriff, schreibt er am 25. Juli an seinen Sohn, was Tepl für ein
schönes Local sei, lege des Prälaten Visiten-Charte bei." Das zierliche, mit
Goldschnitt geschmückte Kärtchen klebt noch heute in der untern Ecke des letzten
Bricfblcittes, die nach oben gekehrte Rückseite zeigt eine von Nosmäsler in
Dresden 1820 in Kupfer gestochne Ansicht der Klostergebäude, auf der Vorder¬
seite steht, ebenfalls in Kupfer gestochen: I,s Z?r6ig,t cle Isxl, Lliiulss Keitsu-
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die im Stift regelmüßig angestellten barometrischen und thermometrischen
Messungen, deren Übersichten er für die durch ihn veranlaßten graphischen
Darstellungen der Barometerstände verschiedner Orte eifrig erbat und ver¬
wertete. Die naturwissenschaftlichen Snmmlnngen des Klosters bereicherte er,
wie schon früher, so auch 1823 durch Schenkung lehrreicher Gebirgs- und
Mineralienfolgen.

Während die von Goethe auf der Rückfahrt von Tepl nach Marienbad
benutzte Fahrstraße nördlich über Ober-Gramling und Abaschin führt, sodaß
der Podhornberg dem Reisenden zur Linken bleibt, nimmt die Eisenbahn ihren
Weg südlich, erreicht bei Habaklcidrau ihre höchste Höhe, 706 Meter, und sinkt
dann in mannigfachen Windungen auf sehr reizvoller Fahrt zur Station Marien¬
bad hinab.

Werfen wir einen Blick auf den Stadtplan des heutigen Marienbad (nebst
dem sich im Süden unmittelbar anschließenden Vorort Schönem), so füllt uns
sogleich die merkwürdig scharf ausgeprägte Form des Umrisses auf: dieser hat
fast genau die Gestalt eines Beiles oder einer Axt; die Schneide zeigt nach
Osten, der Stiel nach Süden, mit einer leichten Krümmung des untern Drittels
nach Südwesten; am äußersten Ende des Stiels liegt der Bahnhof, seinen obern
Hauptteil bildet die langgestreckte, herrliche Kaiserstraße, zur Linken von einer



Goethes Aufsatz „Von deutscher Baukunst, v. U. tÄvini s, AsinbaoK. 1773" und
die Paria-Gedichte waren vor kurzem in der Zeitschrift „Über Kunst und Alterthum" erschienen.
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[0028] Goetheerinnerungen im nordwestlichen Böhmen Was sagen Sie zu den Paria Gedichten? Ist es nicht etwas ungeheuer Großes? Feruer das von Deutscher Baukunst/') ist es nicht gleichfalls ein großes Gedicht? Leben Sie wohl, mein theurer Freund. Goethe ist voller Gesundheit und Jngend, Mit dieser angenehmen Nachricht will ich Ihnen zu fortwährender Freundschaft auf das beste empfohlen sein als Ihr getreuer und im Geist treu Eckermann. Verbundener Wie die auf diesen Brief in der Mappe folgenden Gedichte zeige», hat Eckermann dem Freunde spater doch einige seiner Lyrika gesandt. Die beiden andern Briefe, aus den Jahren 1832 und 1837, enthalten nichts Bemerkens¬ wertes. Goethe besuchte am 21. August 1821 das Stift Tepl; im Jahre 1823 kam er meines Wissens nicht dahin, doch empfing er schon am Tage nach seiner Ankunft in Marienbad den Besuch des Abtes Nciteubcrger. „Zum deut¬ lichern Begriff, schreibt er am 25. Juli an seinen Sohn, was Tepl für ein schönes Local sei, lege des Prälaten Visiten-Charte bei." Das zierliche, mit Goldschnitt geschmückte Kärtchen klebt noch heute in der untern Ecke des letzten Bricfblcittes, die nach oben gekehrte Rückseite zeigt eine von Nosmäsler in Dresden 1820 in Kupfer gestochne Ansicht der Klostergebäude, auf der Vorder¬ seite steht, ebenfalls in Kupfer gestochen: I,s Z?r6ig,t cle Isxl, Lliiulss Keitsu- l)vrss«?.r xmir tÄrs viÄt«. Lebhaftes Interesse bezeugt Goethe fortgesetzt für die im Stift regelmüßig angestellten barometrischen und thermometrischen Messungen, deren Übersichten er für die durch ihn veranlaßten graphischen Darstellungen der Barometerstände verschiedner Orte eifrig erbat und ver¬ wertete. Die naturwissenschaftlichen Snmmlnngen des Klosters bereicherte er, wie schon früher, so auch 1823 durch Schenkung lehrreicher Gebirgs- und Mineralienfolgen. Während die von Goethe auf der Rückfahrt von Tepl nach Marienbad benutzte Fahrstraße nördlich über Ober-Gramling und Abaschin führt, sodaß der Podhornberg dem Reisenden zur Linken bleibt, nimmt die Eisenbahn ihren Weg südlich, erreicht bei Habaklcidrau ihre höchste Höhe, 706 Meter, und sinkt dann in mannigfachen Windungen auf sehr reizvoller Fahrt zur Station Marien¬ bad hinab. Werfen wir einen Blick auf den Stadtplan des heutigen Marienbad (nebst dem sich im Süden unmittelbar anschließenden Vorort Schönem), so füllt uns sogleich die merkwürdig scharf ausgeprägte Form des Umrisses auf: dieser hat fast genau die Gestalt eines Beiles oder einer Axt; die Schneide zeigt nach Osten, der Stiel nach Süden, mit einer leichten Krümmung des untern Drittels nach Südwesten; am äußersten Ende des Stiels liegt der Bahnhof, seinen obern Hauptteil bildet die langgestreckte, herrliche Kaiserstraße, zur Linken von einer Goethes Aufsatz „Von deutscher Baukunst, v. U. tÄvini s, AsinbaoK. 1773" und die Paria-Gedichte waren vor kurzem in der Zeitschrift „Über Kunst und Alterthum" erschienen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/28>, abgerufen am 24.07.2024.