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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Las Mexiko des Porfirio Diciz

aber Juarez von der Union nach wie vor als rechtmäßiges Oberhaupt des
Landes anerkannt, hatte weder das Land verlassen noch die Regierung auf¬
gelöst. Die von ihm ernannten Befehlshaber als "Verbrecher und Banditen"
zu bezeichnen, war deshalb ein grober Mißgriff. Als dann aber verschiedne
höhere Offiziere der Republikaner gefangen genommen und auf Grund des
Erlasses binnen vierundzwanzig Stunden kriegsrechtlich erschossen wurden, flammte
die Entrüstung über dieses barbarische Vorgehn der kaiserlichen Negierung im
ganzen Lande auf und entfremdete Maximilian die wenigen Anhänger, die er
damals noch hatte. In einem an Bazaine kurz vor dessen Abreise gerichteten
Briefe vom 21. Oktober 1866 gibt der Kaiser seinen Irrtum auch unumwunden
zu, indem er schreibt: "Drei Punkte lasten schwer auf mir, und ich wünsche
mich von der drückenden Verantwortlichkeit zu befreien.

Erstens: Politische Verbrecher sollen nicht mehr dem Urteil des Kriegs¬
gerichts unterworfen werden.

Zweitens: Der Erlaß vom 3. Oktober soll sofort aufgehoben werden.

Drittens: Niemand soll seiner politischen Ansicht wegen verfolgt, und alle
Feindseligkeiten sollen eingestellt werden."

Zu spät! Die Beendigung des amerikanischen Bürgerkrieges machte die
Streitkräfte der für Juarez günstig gesinnten Nordstaaten für eine etwaige Aktion
gegen Maximilian und das französische Okkupationsheer frei. Eine Beobachtungs¬
armee wurde, als man in Washington die Nachrichten von den in Maximilians
Namen vorgenommnen Füsilierungen erhalten hatte, an die mexikanische Grenze
entsandt, und zugleich wurde Napoleon durch eine energische diplomatische
Note aufgefordert, seine Truppen zurückzuberufen. Napoleon, der sich in dem
Vertrage von Miramare verpflichtet hatte, sechs Jahre lang in Mexiko fünf¬
undzwanzigtausend Mann zu unterhalten, setzte sich mit souveräner Verachtung
über die ihn bindenden Abmachungen hinweg und rief alle Truppen zurück,
nachdem sie noch nicht zwei volle Jahre ans mexikanischen Boden gewesen
waren. Auch die Reise der Kaiserin Charlotte nach Paris vermochte hieran
nichts zu ändern.'

Eine geradezu erbärmliche Rolle spielte aber nach den Aufzeichnungen
des Generals Diciz der französische Oberbefehlshaber Marschall Bazaine. Dieser
bot Diaz, dem in offnem Felde gegen Maximilian stehenden General, die noch
vorrätige wertvolle Ausrüstung der französischen Truppen zu lächerlich geringem
Preise an, nämlich zu einem Dollar für jede Muskete oder eine Drillichuniform
mit Stiefeln. Don Porfirio war aber noch schlauer als der abgefeimte Fran¬
zose, entnahm aus dem Anerbieten Bazaines, daß die Franzosen keine Trans¬
portmittel hatten, um die Ausrüstnngsgegenstände mitzunehmen, und erklärte
in einem weit verbreiteten Rundschreiben alles, was die Franzosen unter
irgendeinem Vorwande in Mexiko zurücklassen würden, für Kriegskonterbande.
Der Erfolg war so bedeutend, daß Diaz mehrere tausend Mann mit der
in seine Hände gefallnen Ausrüstung der abgezognen Franzosen uniformieren,
bewaffnen und mit Munition versehen konnte.


Grenzboten I 1907 31
Las Mexiko des Porfirio Diciz

aber Juarez von der Union nach wie vor als rechtmäßiges Oberhaupt des
Landes anerkannt, hatte weder das Land verlassen noch die Regierung auf¬
gelöst. Die von ihm ernannten Befehlshaber als „Verbrecher und Banditen"
zu bezeichnen, war deshalb ein grober Mißgriff. Als dann aber verschiedne
höhere Offiziere der Republikaner gefangen genommen und auf Grund des
Erlasses binnen vierundzwanzig Stunden kriegsrechtlich erschossen wurden, flammte
die Entrüstung über dieses barbarische Vorgehn der kaiserlichen Negierung im
ganzen Lande auf und entfremdete Maximilian die wenigen Anhänger, die er
damals noch hatte. In einem an Bazaine kurz vor dessen Abreise gerichteten
Briefe vom 21. Oktober 1866 gibt der Kaiser seinen Irrtum auch unumwunden
zu, indem er schreibt: „Drei Punkte lasten schwer auf mir, und ich wünsche
mich von der drückenden Verantwortlichkeit zu befreien.

Erstens: Politische Verbrecher sollen nicht mehr dem Urteil des Kriegs¬
gerichts unterworfen werden.

Zweitens: Der Erlaß vom 3. Oktober soll sofort aufgehoben werden.

Drittens: Niemand soll seiner politischen Ansicht wegen verfolgt, und alle
Feindseligkeiten sollen eingestellt werden."

Zu spät! Die Beendigung des amerikanischen Bürgerkrieges machte die
Streitkräfte der für Juarez günstig gesinnten Nordstaaten für eine etwaige Aktion
gegen Maximilian und das französische Okkupationsheer frei. Eine Beobachtungs¬
armee wurde, als man in Washington die Nachrichten von den in Maximilians
Namen vorgenommnen Füsilierungen erhalten hatte, an die mexikanische Grenze
entsandt, und zugleich wurde Napoleon durch eine energische diplomatische
Note aufgefordert, seine Truppen zurückzuberufen. Napoleon, der sich in dem
Vertrage von Miramare verpflichtet hatte, sechs Jahre lang in Mexiko fünf¬
undzwanzigtausend Mann zu unterhalten, setzte sich mit souveräner Verachtung
über die ihn bindenden Abmachungen hinweg und rief alle Truppen zurück,
nachdem sie noch nicht zwei volle Jahre ans mexikanischen Boden gewesen
waren. Auch die Reise der Kaiserin Charlotte nach Paris vermochte hieran
nichts zu ändern.'

Eine geradezu erbärmliche Rolle spielte aber nach den Aufzeichnungen
des Generals Diciz der französische Oberbefehlshaber Marschall Bazaine. Dieser
bot Diaz, dem in offnem Felde gegen Maximilian stehenden General, die noch
vorrätige wertvolle Ausrüstung der französischen Truppen zu lächerlich geringem
Preise an, nämlich zu einem Dollar für jede Muskete oder eine Drillichuniform
mit Stiefeln. Don Porfirio war aber noch schlauer als der abgefeimte Fran¬
zose, entnahm aus dem Anerbieten Bazaines, daß die Franzosen keine Trans¬
portmittel hatten, um die Ausrüstnngsgegenstände mitzunehmen, und erklärte
in einem weit verbreiteten Rundschreiben alles, was die Franzosen unter
irgendeinem Vorwande in Mexiko zurücklassen würden, für Kriegskonterbande.
Der Erfolg war so bedeutend, daß Diaz mehrere tausend Mann mit der
in seine Hände gefallnen Ausrüstung der abgezognen Franzosen uniformieren,
bewaffnen und mit Munition versehen konnte.


Grenzboten I 1907 31
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[0241] Las Mexiko des Porfirio Diciz aber Juarez von der Union nach wie vor als rechtmäßiges Oberhaupt des Landes anerkannt, hatte weder das Land verlassen noch die Regierung auf¬ gelöst. Die von ihm ernannten Befehlshaber als „Verbrecher und Banditen" zu bezeichnen, war deshalb ein grober Mißgriff. Als dann aber verschiedne höhere Offiziere der Republikaner gefangen genommen und auf Grund des Erlasses binnen vierundzwanzig Stunden kriegsrechtlich erschossen wurden, flammte die Entrüstung über dieses barbarische Vorgehn der kaiserlichen Negierung im ganzen Lande auf und entfremdete Maximilian die wenigen Anhänger, die er damals noch hatte. In einem an Bazaine kurz vor dessen Abreise gerichteten Briefe vom 21. Oktober 1866 gibt der Kaiser seinen Irrtum auch unumwunden zu, indem er schreibt: „Drei Punkte lasten schwer auf mir, und ich wünsche mich von der drückenden Verantwortlichkeit zu befreien. Erstens: Politische Verbrecher sollen nicht mehr dem Urteil des Kriegs¬ gerichts unterworfen werden. Zweitens: Der Erlaß vom 3. Oktober soll sofort aufgehoben werden. Drittens: Niemand soll seiner politischen Ansicht wegen verfolgt, und alle Feindseligkeiten sollen eingestellt werden." Zu spät! Die Beendigung des amerikanischen Bürgerkrieges machte die Streitkräfte der für Juarez günstig gesinnten Nordstaaten für eine etwaige Aktion gegen Maximilian und das französische Okkupationsheer frei. Eine Beobachtungs¬ armee wurde, als man in Washington die Nachrichten von den in Maximilians Namen vorgenommnen Füsilierungen erhalten hatte, an die mexikanische Grenze entsandt, und zugleich wurde Napoleon durch eine energische diplomatische Note aufgefordert, seine Truppen zurückzuberufen. Napoleon, der sich in dem Vertrage von Miramare verpflichtet hatte, sechs Jahre lang in Mexiko fünf¬ undzwanzigtausend Mann zu unterhalten, setzte sich mit souveräner Verachtung über die ihn bindenden Abmachungen hinweg und rief alle Truppen zurück, nachdem sie noch nicht zwei volle Jahre ans mexikanischen Boden gewesen waren. Auch die Reise der Kaiserin Charlotte nach Paris vermochte hieran nichts zu ändern.' Eine geradezu erbärmliche Rolle spielte aber nach den Aufzeichnungen des Generals Diciz der französische Oberbefehlshaber Marschall Bazaine. Dieser bot Diaz, dem in offnem Felde gegen Maximilian stehenden General, die noch vorrätige wertvolle Ausrüstung der französischen Truppen zu lächerlich geringem Preise an, nämlich zu einem Dollar für jede Muskete oder eine Drillichuniform mit Stiefeln. Don Porfirio war aber noch schlauer als der abgefeimte Fran¬ zose, entnahm aus dem Anerbieten Bazaines, daß die Franzosen keine Trans¬ portmittel hatten, um die Ausrüstnngsgegenstände mitzunehmen, und erklärte in einem weit verbreiteten Rundschreiben alles, was die Franzosen unter irgendeinem Vorwande in Mexiko zurücklassen würden, für Kriegskonterbande. Der Erfolg war so bedeutend, daß Diaz mehrere tausend Mann mit der in seine Hände gefallnen Ausrüstung der abgezognen Franzosen uniformieren, bewaffnen und mit Munition versehen konnte. Grenzboten I 1907 31

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/241>, abgerufen am 24.07.2024.