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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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seiner Lethargie zu lebensfreudigerer Anteilnahme zu erwecken- aber vergebens.
Daß ich mehr der Annahme zuneige, Onkel Franz habe Lunte gerochen und habe
in seinem Innern sogar Unbegreiflichermeise für den räuberischen Prätendenten
Partei ergriffen, hat folgenden Grund. Wer in jungen Jahren, wie Onkel Franz,
durch eine Tänzerin in die Geheimnisse der Liebeswelt eingeweiht worden ist, bleibt
für seine ganze übrige Lebensdauer, auch wenn sich Dutzende von Onkel Bern¬
hards und Tante Malwinen seiner moralischen Aufrichtung annähmen, einer ge¬
heimen Neigung zur Kuppelei zugetan.

Was Onkel Franz von Ernsts und Rosas Verhältnis gesehen hatte, war für
ihn unverständlich gewesen. Es schlug nicht in sein Fach. Wie er aber Gelegenheit
gehabt hatte, Rosa und Herzberg gestern beim Pfänderspiel und heute in der
paradiesischen Wildnis zu beobachte", so hatte ihn sein in solchen Dingen erfahrner
Sinn sofort auf die richtige Fährte gebracht.

Onkel Franz war es daher much, der vermöge der ihm von der Tänzerin cm-
erzognen feinern Spürnase Herzberg zuerst vermißte, als sich dieser, wie er glaubte,
unbemerkt nach Einbruch der Dunkelheit weggeschlichen hatte, um nach Leudeck hiu-
überzugehu. Er mußte mit ihr sprechen und den verfcchrnen Karren wieder flott
zu machen suchen. Wie, wußte er nicht. Nur das eine war ihm klar: aufgeben
konnte er sie nicht. Er hatte mit Bleistift auf eine seiner Visitenkarten geschrieben:
Bin unten ini Park. Bitte nur auf ein Paar Minuten herunter zu kommen. Warte
sehnsüchtig. Der gute Junge. Seine Phantasie verschönte alles, was mit ihr zu¬
sammenhing. Sogar die kleine Wildnis war durch sie für ihn zum Park geworden.
Wie groß, oder richtiger gesagt, wie klein das Gcirtchen war, wußte er ebenso¬
wenig, wie ihm sonst außer ihr etwas deutlich gegenwärtig war, das er iunerhnlb
der letzten vierundzwanzig Stunden gesehen hatte. Als das gute liebe Leudeck in
finstrer Nacht schweigend vor ihm lag, handelte es sich darum, jemand zu finden,
der bereit und imstande war, Rosa die für sie bestimmte, zu einem kleinen Bolzen
zusammengerollte, mit dem ersten besten Faden umwickelte Karte zu überbringen.
Jemand, der sich hinauszugehn getrauen durfte, und der Mittel und Wege kannte,
wie er inmitten des nie rastenden, allgemeinen Spioniersystcms unbemerkt bis zu
Rosa gelangen oder ihr auf sicherm Wege die für sie bestimmte Karte zukommen
lassen konnte. Da es, wie sür Diebe und Trunkenbolde, auch sür Verliebte be¬
sondre Schutzgeister gibt, deren Hilfe selten vergeblich angerufen wird, so konnte
es Herzberg nicht fehlen. Der erste Mensch, auf den er in der Dunkelheit stieß,
war Wilhelm, der Pferdeknecht, der am Eingang des Gärtchens auf den Trampel
und auf das gesegnete Viertelstündchen wartete, das für ihn und seine Johanna der
eigentliche Lichtpunkt des Tages war: da ihn der Leser, dem er nur im allgemeinen
als warmherzig gerühmt worden ist, nicht genauer kennen lernen wird, so soll ihm
hier nur ein kleines, bescheidnes Denkmal mit den Worten gesetzt werden: die seiner
Pflege anvertrauten Pferde hätten sich keinen bessern wünschen können, und der
Trampel auch uicht. Als Wilhelm hörte, worum es sich handle, schlug er zwar
jede Belohnung aus, weil es seinem Gefühle widerstrebte, sich für einen derartigen
Dienst bezahlen zu lassen, erklärte sich aber bereit, die Sache mit Hilfe von "der
gnädigen Frau ihrem Mädchen", mit dem er "bekannt" sei, zu probieren. Wer
ihn, nachdem er geschmeidig wie eine Katze aus seinen schweren Holzschuhen heraus¬
geschlüpft war, flink wie ein Eichhörnchen und immer zwei Stufen auf einmal die
Treppe hätte hinaufsteigen hören, müßte ein sehr, sehr scharfes Gehör gehabt haben.
Herzberg hätte glauben können, er habe seine Botschaft einem wesenlosen Schatten
anvertraut, so geräuschlos war Wilhelm da, wo die Treppe nach dem ersten Absatz
rechtwinklig abbog, um die Ecke geschlüpft. Auf verschlossene Herzen schien er
ebensowenig gestoßen zu sein wie auf verschlossene Türen, den" er war nach wenig


seiner Lethargie zu lebensfreudigerer Anteilnahme zu erwecken- aber vergebens.
Daß ich mehr der Annahme zuneige, Onkel Franz habe Lunte gerochen und habe
in seinem Innern sogar Unbegreiflichermeise für den räuberischen Prätendenten
Partei ergriffen, hat folgenden Grund. Wer in jungen Jahren, wie Onkel Franz,
durch eine Tänzerin in die Geheimnisse der Liebeswelt eingeweiht worden ist, bleibt
für seine ganze übrige Lebensdauer, auch wenn sich Dutzende von Onkel Bern¬
hards und Tante Malwinen seiner moralischen Aufrichtung annähmen, einer ge¬
heimen Neigung zur Kuppelei zugetan.

Was Onkel Franz von Ernsts und Rosas Verhältnis gesehen hatte, war für
ihn unverständlich gewesen. Es schlug nicht in sein Fach. Wie er aber Gelegenheit
gehabt hatte, Rosa und Herzberg gestern beim Pfänderspiel und heute in der
paradiesischen Wildnis zu beobachte», so hatte ihn sein in solchen Dingen erfahrner
Sinn sofort auf die richtige Fährte gebracht.

Onkel Franz war es daher much, der vermöge der ihm von der Tänzerin cm-
erzognen feinern Spürnase Herzberg zuerst vermißte, als sich dieser, wie er glaubte,
unbemerkt nach Einbruch der Dunkelheit weggeschlichen hatte, um nach Leudeck hiu-
überzugehu. Er mußte mit ihr sprechen und den verfcchrnen Karren wieder flott
zu machen suchen. Wie, wußte er nicht. Nur das eine war ihm klar: aufgeben
konnte er sie nicht. Er hatte mit Bleistift auf eine seiner Visitenkarten geschrieben:
Bin unten ini Park. Bitte nur auf ein Paar Minuten herunter zu kommen. Warte
sehnsüchtig. Der gute Junge. Seine Phantasie verschönte alles, was mit ihr zu¬
sammenhing. Sogar die kleine Wildnis war durch sie für ihn zum Park geworden.
Wie groß, oder richtiger gesagt, wie klein das Gcirtchen war, wußte er ebenso¬
wenig, wie ihm sonst außer ihr etwas deutlich gegenwärtig war, das er iunerhnlb
der letzten vierundzwanzig Stunden gesehen hatte. Als das gute liebe Leudeck in
finstrer Nacht schweigend vor ihm lag, handelte es sich darum, jemand zu finden,
der bereit und imstande war, Rosa die für sie bestimmte, zu einem kleinen Bolzen
zusammengerollte, mit dem ersten besten Faden umwickelte Karte zu überbringen.
Jemand, der sich hinauszugehn getrauen durfte, und der Mittel und Wege kannte,
wie er inmitten des nie rastenden, allgemeinen Spioniersystcms unbemerkt bis zu
Rosa gelangen oder ihr auf sicherm Wege die für sie bestimmte Karte zukommen
lassen konnte. Da es, wie sür Diebe und Trunkenbolde, auch sür Verliebte be¬
sondre Schutzgeister gibt, deren Hilfe selten vergeblich angerufen wird, so konnte
es Herzberg nicht fehlen. Der erste Mensch, auf den er in der Dunkelheit stieß,
war Wilhelm, der Pferdeknecht, der am Eingang des Gärtchens auf den Trampel
und auf das gesegnete Viertelstündchen wartete, das für ihn und seine Johanna der
eigentliche Lichtpunkt des Tages war: da ihn der Leser, dem er nur im allgemeinen
als warmherzig gerühmt worden ist, nicht genauer kennen lernen wird, so soll ihm
hier nur ein kleines, bescheidnes Denkmal mit den Worten gesetzt werden: die seiner
Pflege anvertrauten Pferde hätten sich keinen bessern wünschen können, und der
Trampel auch uicht. Als Wilhelm hörte, worum es sich handle, schlug er zwar
jede Belohnung aus, weil es seinem Gefühle widerstrebte, sich für einen derartigen
Dienst bezahlen zu lassen, erklärte sich aber bereit, die Sache mit Hilfe von „der
gnädigen Frau ihrem Mädchen", mit dem er „bekannt" sei, zu probieren. Wer
ihn, nachdem er geschmeidig wie eine Katze aus seinen schweren Holzschuhen heraus¬
geschlüpft war, flink wie ein Eichhörnchen und immer zwei Stufen auf einmal die
Treppe hätte hinaufsteigen hören, müßte ein sehr, sehr scharfes Gehör gehabt haben.
Herzberg hätte glauben können, er habe seine Botschaft einem wesenlosen Schatten
anvertraut, so geräuschlos war Wilhelm da, wo die Treppe nach dem ersten Absatz
rechtwinklig abbog, um die Ecke geschlüpft. Auf verschlossene Herzen schien er
ebensowenig gestoßen zu sein wie auf verschlossene Türen, den» er war nach wenig


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[0225] seiner Lethargie zu lebensfreudigerer Anteilnahme zu erwecken- aber vergebens. Daß ich mehr der Annahme zuneige, Onkel Franz habe Lunte gerochen und habe in seinem Innern sogar Unbegreiflichermeise für den räuberischen Prätendenten Partei ergriffen, hat folgenden Grund. Wer in jungen Jahren, wie Onkel Franz, durch eine Tänzerin in die Geheimnisse der Liebeswelt eingeweiht worden ist, bleibt für seine ganze übrige Lebensdauer, auch wenn sich Dutzende von Onkel Bern¬ hards und Tante Malwinen seiner moralischen Aufrichtung annähmen, einer ge¬ heimen Neigung zur Kuppelei zugetan. Was Onkel Franz von Ernsts und Rosas Verhältnis gesehen hatte, war für ihn unverständlich gewesen. Es schlug nicht in sein Fach. Wie er aber Gelegenheit gehabt hatte, Rosa und Herzberg gestern beim Pfänderspiel und heute in der paradiesischen Wildnis zu beobachte», so hatte ihn sein in solchen Dingen erfahrner Sinn sofort auf die richtige Fährte gebracht. Onkel Franz war es daher much, der vermöge der ihm von der Tänzerin cm- erzognen feinern Spürnase Herzberg zuerst vermißte, als sich dieser, wie er glaubte, unbemerkt nach Einbruch der Dunkelheit weggeschlichen hatte, um nach Leudeck hiu- überzugehu. Er mußte mit ihr sprechen und den verfcchrnen Karren wieder flott zu machen suchen. Wie, wußte er nicht. Nur das eine war ihm klar: aufgeben konnte er sie nicht. Er hatte mit Bleistift auf eine seiner Visitenkarten geschrieben: Bin unten ini Park. Bitte nur auf ein Paar Minuten herunter zu kommen. Warte sehnsüchtig. Der gute Junge. Seine Phantasie verschönte alles, was mit ihr zu¬ sammenhing. Sogar die kleine Wildnis war durch sie für ihn zum Park geworden. Wie groß, oder richtiger gesagt, wie klein das Gcirtchen war, wußte er ebenso¬ wenig, wie ihm sonst außer ihr etwas deutlich gegenwärtig war, das er iunerhnlb der letzten vierundzwanzig Stunden gesehen hatte. Als das gute liebe Leudeck in finstrer Nacht schweigend vor ihm lag, handelte es sich darum, jemand zu finden, der bereit und imstande war, Rosa die für sie bestimmte, zu einem kleinen Bolzen zusammengerollte, mit dem ersten besten Faden umwickelte Karte zu überbringen. Jemand, der sich hinauszugehn getrauen durfte, und der Mittel und Wege kannte, wie er inmitten des nie rastenden, allgemeinen Spioniersystcms unbemerkt bis zu Rosa gelangen oder ihr auf sicherm Wege die für sie bestimmte Karte zukommen lassen konnte. Da es, wie sür Diebe und Trunkenbolde, auch sür Verliebte be¬ sondre Schutzgeister gibt, deren Hilfe selten vergeblich angerufen wird, so konnte es Herzberg nicht fehlen. Der erste Mensch, auf den er in der Dunkelheit stieß, war Wilhelm, der Pferdeknecht, der am Eingang des Gärtchens auf den Trampel und auf das gesegnete Viertelstündchen wartete, das für ihn und seine Johanna der eigentliche Lichtpunkt des Tages war: da ihn der Leser, dem er nur im allgemeinen als warmherzig gerühmt worden ist, nicht genauer kennen lernen wird, so soll ihm hier nur ein kleines, bescheidnes Denkmal mit den Worten gesetzt werden: die seiner Pflege anvertrauten Pferde hätten sich keinen bessern wünschen können, und der Trampel auch uicht. Als Wilhelm hörte, worum es sich handle, schlug er zwar jede Belohnung aus, weil es seinem Gefühle widerstrebte, sich für einen derartigen Dienst bezahlen zu lassen, erklärte sich aber bereit, die Sache mit Hilfe von „der gnädigen Frau ihrem Mädchen", mit dem er „bekannt" sei, zu probieren. Wer ihn, nachdem er geschmeidig wie eine Katze aus seinen schweren Holzschuhen heraus¬ geschlüpft war, flink wie ein Eichhörnchen und immer zwei Stufen auf einmal die Treppe hätte hinaufsteigen hören, müßte ein sehr, sehr scharfes Gehör gehabt haben. Herzberg hätte glauben können, er habe seine Botschaft einem wesenlosen Schatten anvertraut, so geräuschlos war Wilhelm da, wo die Treppe nach dem ersten Absatz rechtwinklig abbog, um die Ecke geschlüpft. Auf verschlossene Herzen schien er ebensowenig gestoßen zu sein wie auf verschlossene Türen, den» er war nach wenig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/225>, abgerufen am 24.07.2024.