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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Der geflügelte Sieger

einen bovsr, wie es Milton nennt, brauchten, griff die Wirkung des vergifteten
Pfeils, jede verständige Erwägung im Keime zerstörend, immer gewaltiger um sich.
Das Bild des Majoratserben, das vom ersten Augenblick an Herzberg nie zürnend
vor Augen gestanden hatte, schien auch für Rosa mehr und mehr zu verblassen wie
ein Nebelbild, das dem nächsten Platz zu machen im Begriff ist. Wenn liebende
Ehepaare -- denn ihnen werden ja solche moralische Geschichten mit besondrer Vor¬
liebe erzählt -- sich freundlich erinnern wollen, wie es ihnen im ähnlichen Falle
trotz der festesten Grundsätze gegangen ist, wie sie nach einer Weile, statt reizende
Albernheiten zu stammeln, es ganz aufgegeben haben, anders als uur mit den
Augen zu reden, wie sie immer dichter und dichter nebeneinander hergetaumelt sind,
wie sich ohne ihr Zutun die Hände gefunden und nicht wieder losgelassen haben,
und wie es endlich -- bei Gott, ganz ohne Absicht -- zum Allerschrecklichsten, zum
ersten Kuß gekommen ist, so werden sie meiner im Vergleich zu ihren Erinnerungen
doch ohnehin kühlen Beschreibung nicht bedürfen, wogegen ich in solchen Dingen
"nerfahrnen Herzen ans einem so gefährlichen Pfade lieber nicht als Wegweiser dienen
möchte. Als Hans fast unmittelbar nach einem solchen "unversehens" gewechselten
Kuß zurückkehrte, wurde bei seinem Eintritt in den Holunder- und Liebesgarten
vor Rosas geistigem Auge die zur Mumie eingetrocknete Gestalt ihres Verlobten
mit einemmal wieder lebendig, und es war ihr, als könne sie nicht versteh", wie
sie sich und wie sich Herzberg zu etwas so Unehrenhaftem habe hinreißen lassen
können. Man bezeichnet das als den moralischen Rückschlag, und unser Stamm-
elternpaar hatte in einem ähnlichen Falle zum abgepflückten Laub der Bäume und
zum Sichverstecken seine Zuflucht genommen. Herzberg verabschiedete sich bald.
Da das Geschwisterpaar und Onkel Franz für Mittag in Lunzeuau erwartet wurden,
war es ja ohnehin keine Trennung für lange, und Herzberg ritt Schritt, wie er
gekommen war, aber nun auf geradesten Wege zu dem Schlosse zurück, für dessen
gastlichen Empfang er sich in so sonderbarer Weise erkenntlich gezeigt hatte. Als
einigermaßen entlastendes Moment kann ich nur das eine berichten, daß beide,
Herzberg wie Rosa, Hans für seine Rückkehr aufrichtig dankbar waren, während
ihn ein weniger wnrzelechtes Paar als Störenfried angesehen haben würde. Noch
war also an ihnen Hopfen und Malz nicht verloren. Als Herzberg in den Hos
ritt, traf er mit Ernst zusammen, der den Braunen lobte und ihm den schönen,
wie Allas glänzenden Hals streichelte. Würde er das auch getan haben, wenn er
gewußt hätte, was der schöne Braune, der in der Wildnis behaglich herumgeschnuppert
hatte, indes sein Herr im Irrgarten der Liebe herumtaumelte, gesehen hatte oder
doch hätte sehen können? Keiner von uns ahnt, wie oft er sich in einer der selt¬
samen Lagen befindet, wo er dem Komödiendichter zum Opfer fallen müßte, wenn
der eine Ahnung von der sich abspielenden Ironie des Schicksals hätte, und wo,
wie mit Recht gesagt wird, iAnoraueö buff ist.

Als man zu Tisch ging, erfuhr Herzberg, daß sich Rosa hatte entschuldigen
lassen. Obwohl er sich dieser Nachricht gegenüber ebenso kühl stellen mußte, als
sie der Bräutigam tatsächlich ohne besonders warme Teilnahme aufgenommen hatte,
so war es für ihn doch mit jeder Freude an der ihn umgebenden Geselligkeit vorbei.
Aber statt sich, wie es am Platz gewesen wäre, über seine mindestens unüberlegte
Handlungsweise Vorwürfe zu machen, faßte er -- solch närrische Kerle sind wir
alle, wenn uns der allgewaltige Vesieger der Olympier wie der Sterblichen beim
Wickel hat -- einen ganz unmotivierten Widerwillen gegen Rosas Verlobten, den
doch, abgesehen von seiner Froschnatnr, für die er nichts konnte, keinerlei Schuld
traf. Entweder fand Onkel Franz, der bei Tisch neben Herzberg saß, daß dieser
kein so guter Gesellschafter sei, wie er ihm gestern geschienen hatte, oder ihm schwante
etwas, denn er versuchte es mehrere male, den in trübe Gedanken Versunlnen aus


Der geflügelte Sieger

einen bovsr, wie es Milton nennt, brauchten, griff die Wirkung des vergifteten
Pfeils, jede verständige Erwägung im Keime zerstörend, immer gewaltiger um sich.
Das Bild des Majoratserben, das vom ersten Augenblick an Herzberg nie zürnend
vor Augen gestanden hatte, schien auch für Rosa mehr und mehr zu verblassen wie
ein Nebelbild, das dem nächsten Platz zu machen im Begriff ist. Wenn liebende
Ehepaare — denn ihnen werden ja solche moralische Geschichten mit besondrer Vor¬
liebe erzählt — sich freundlich erinnern wollen, wie es ihnen im ähnlichen Falle
trotz der festesten Grundsätze gegangen ist, wie sie nach einer Weile, statt reizende
Albernheiten zu stammeln, es ganz aufgegeben haben, anders als uur mit den
Augen zu reden, wie sie immer dichter und dichter nebeneinander hergetaumelt sind,
wie sich ohne ihr Zutun die Hände gefunden und nicht wieder losgelassen haben,
und wie es endlich — bei Gott, ganz ohne Absicht — zum Allerschrecklichsten, zum
ersten Kuß gekommen ist, so werden sie meiner im Vergleich zu ihren Erinnerungen
doch ohnehin kühlen Beschreibung nicht bedürfen, wogegen ich in solchen Dingen
»nerfahrnen Herzen ans einem so gefährlichen Pfade lieber nicht als Wegweiser dienen
möchte. Als Hans fast unmittelbar nach einem solchen „unversehens" gewechselten
Kuß zurückkehrte, wurde bei seinem Eintritt in den Holunder- und Liebesgarten
vor Rosas geistigem Auge die zur Mumie eingetrocknete Gestalt ihres Verlobten
mit einemmal wieder lebendig, und es war ihr, als könne sie nicht versteh», wie
sie sich und wie sich Herzberg zu etwas so Unehrenhaftem habe hinreißen lassen
können. Man bezeichnet das als den moralischen Rückschlag, und unser Stamm-
elternpaar hatte in einem ähnlichen Falle zum abgepflückten Laub der Bäume und
zum Sichverstecken seine Zuflucht genommen. Herzberg verabschiedete sich bald.
Da das Geschwisterpaar und Onkel Franz für Mittag in Lunzeuau erwartet wurden,
war es ja ohnehin keine Trennung für lange, und Herzberg ritt Schritt, wie er
gekommen war, aber nun auf geradesten Wege zu dem Schlosse zurück, für dessen
gastlichen Empfang er sich in so sonderbarer Weise erkenntlich gezeigt hatte. Als
einigermaßen entlastendes Moment kann ich nur das eine berichten, daß beide,
Herzberg wie Rosa, Hans für seine Rückkehr aufrichtig dankbar waren, während
ihn ein weniger wnrzelechtes Paar als Störenfried angesehen haben würde. Noch
war also an ihnen Hopfen und Malz nicht verloren. Als Herzberg in den Hos
ritt, traf er mit Ernst zusammen, der den Braunen lobte und ihm den schönen,
wie Allas glänzenden Hals streichelte. Würde er das auch getan haben, wenn er
gewußt hätte, was der schöne Braune, der in der Wildnis behaglich herumgeschnuppert
hatte, indes sein Herr im Irrgarten der Liebe herumtaumelte, gesehen hatte oder
doch hätte sehen können? Keiner von uns ahnt, wie oft er sich in einer der selt¬
samen Lagen befindet, wo er dem Komödiendichter zum Opfer fallen müßte, wenn
der eine Ahnung von der sich abspielenden Ironie des Schicksals hätte, und wo,
wie mit Recht gesagt wird, iAnoraueö buff ist.

Als man zu Tisch ging, erfuhr Herzberg, daß sich Rosa hatte entschuldigen
lassen. Obwohl er sich dieser Nachricht gegenüber ebenso kühl stellen mußte, als
sie der Bräutigam tatsächlich ohne besonders warme Teilnahme aufgenommen hatte,
so war es für ihn doch mit jeder Freude an der ihn umgebenden Geselligkeit vorbei.
Aber statt sich, wie es am Platz gewesen wäre, über seine mindestens unüberlegte
Handlungsweise Vorwürfe zu machen, faßte er — solch närrische Kerle sind wir
alle, wenn uns der allgewaltige Vesieger der Olympier wie der Sterblichen beim
Wickel hat — einen ganz unmotivierten Widerwillen gegen Rosas Verlobten, den
doch, abgesehen von seiner Froschnatnr, für die er nichts konnte, keinerlei Schuld
traf. Entweder fand Onkel Franz, der bei Tisch neben Herzberg saß, daß dieser
kein so guter Gesellschafter sei, wie er ihm gestern geschienen hatte, oder ihm schwante
etwas, denn er versuchte es mehrere male, den in trübe Gedanken Versunlnen aus


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[0224] Der geflügelte Sieger einen bovsr, wie es Milton nennt, brauchten, griff die Wirkung des vergifteten Pfeils, jede verständige Erwägung im Keime zerstörend, immer gewaltiger um sich. Das Bild des Majoratserben, das vom ersten Augenblick an Herzberg nie zürnend vor Augen gestanden hatte, schien auch für Rosa mehr und mehr zu verblassen wie ein Nebelbild, das dem nächsten Platz zu machen im Begriff ist. Wenn liebende Ehepaare — denn ihnen werden ja solche moralische Geschichten mit besondrer Vor¬ liebe erzählt — sich freundlich erinnern wollen, wie es ihnen im ähnlichen Falle trotz der festesten Grundsätze gegangen ist, wie sie nach einer Weile, statt reizende Albernheiten zu stammeln, es ganz aufgegeben haben, anders als uur mit den Augen zu reden, wie sie immer dichter und dichter nebeneinander hergetaumelt sind, wie sich ohne ihr Zutun die Hände gefunden und nicht wieder losgelassen haben, und wie es endlich — bei Gott, ganz ohne Absicht — zum Allerschrecklichsten, zum ersten Kuß gekommen ist, so werden sie meiner im Vergleich zu ihren Erinnerungen doch ohnehin kühlen Beschreibung nicht bedürfen, wogegen ich in solchen Dingen »nerfahrnen Herzen ans einem so gefährlichen Pfade lieber nicht als Wegweiser dienen möchte. Als Hans fast unmittelbar nach einem solchen „unversehens" gewechselten Kuß zurückkehrte, wurde bei seinem Eintritt in den Holunder- und Liebesgarten vor Rosas geistigem Auge die zur Mumie eingetrocknete Gestalt ihres Verlobten mit einemmal wieder lebendig, und es war ihr, als könne sie nicht versteh», wie sie sich und wie sich Herzberg zu etwas so Unehrenhaftem habe hinreißen lassen können. Man bezeichnet das als den moralischen Rückschlag, und unser Stamm- elternpaar hatte in einem ähnlichen Falle zum abgepflückten Laub der Bäume und zum Sichverstecken seine Zuflucht genommen. Herzberg verabschiedete sich bald. Da das Geschwisterpaar und Onkel Franz für Mittag in Lunzeuau erwartet wurden, war es ja ohnehin keine Trennung für lange, und Herzberg ritt Schritt, wie er gekommen war, aber nun auf geradesten Wege zu dem Schlosse zurück, für dessen gastlichen Empfang er sich in so sonderbarer Weise erkenntlich gezeigt hatte. Als einigermaßen entlastendes Moment kann ich nur das eine berichten, daß beide, Herzberg wie Rosa, Hans für seine Rückkehr aufrichtig dankbar waren, während ihn ein weniger wnrzelechtes Paar als Störenfried angesehen haben würde. Noch war also an ihnen Hopfen und Malz nicht verloren. Als Herzberg in den Hos ritt, traf er mit Ernst zusammen, der den Braunen lobte und ihm den schönen, wie Allas glänzenden Hals streichelte. Würde er das auch getan haben, wenn er gewußt hätte, was der schöne Braune, der in der Wildnis behaglich herumgeschnuppert hatte, indes sein Herr im Irrgarten der Liebe herumtaumelte, gesehen hatte oder doch hätte sehen können? Keiner von uns ahnt, wie oft er sich in einer der selt¬ samen Lagen befindet, wo er dem Komödiendichter zum Opfer fallen müßte, wenn der eine Ahnung von der sich abspielenden Ironie des Schicksals hätte, und wo, wie mit Recht gesagt wird, iAnoraueö buff ist. Als man zu Tisch ging, erfuhr Herzberg, daß sich Rosa hatte entschuldigen lassen. Obwohl er sich dieser Nachricht gegenüber ebenso kühl stellen mußte, als sie der Bräutigam tatsächlich ohne besonders warme Teilnahme aufgenommen hatte, so war es für ihn doch mit jeder Freude an der ihn umgebenden Geselligkeit vorbei. Aber statt sich, wie es am Platz gewesen wäre, über seine mindestens unüberlegte Handlungsweise Vorwürfe zu machen, faßte er — solch närrische Kerle sind wir alle, wenn uns der allgewaltige Vesieger der Olympier wie der Sterblichen beim Wickel hat — einen ganz unmotivierten Widerwillen gegen Rosas Verlobten, den doch, abgesehen von seiner Froschnatnr, für die er nichts konnte, keinerlei Schuld traf. Entweder fand Onkel Franz, der bei Tisch neben Herzberg saß, daß dieser kein so guter Gesellschafter sei, wie er ihm gestern geschienen hatte, oder ihm schwante etwas, denn er versuchte es mehrere male, den in trübe Gedanken Versunlnen aus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/224>, abgerufen am 24.07.2024.