Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.Am Fucmer See ökonomische Musteranstalt, während die Meierhöfe an tüchtige Landwirte ver¬ Dagegen fällt es wahrlich wenig ins Gewicht, daß das landschaftliche Bild Alexander Torlonia wurde das dem feuchten Element abgerungne Terri¬ Eine gute Schilderung des einstigen Fuciuer Sees oder Lago ti Celano, Im Altertum führte die Via Valeria von Rom hierher. Sie benutzte Am Fucmer See ökonomische Musteranstalt, während die Meierhöfe an tüchtige Landwirte ver¬ Dagegen fällt es wahrlich wenig ins Gewicht, daß das landschaftliche Bild Alexander Torlonia wurde das dem feuchten Element abgerungne Terri¬ Eine gute Schilderung des einstigen Fuciuer Sees oder Lago ti Celano, Im Altertum führte die Via Valeria von Rom hierher. Sie benutzte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0209" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301463"/> <fw type="header" place="top"> Am Fucmer See</fw><lb/> <p xml:id="ID_719" prev="#ID_718"> ökonomische Musteranstalt, während die Meierhöfe an tüchtige Landwirte ver¬<lb/> pachtet sind. Natürlich fehlt es auch nicht an Magazinen für Korn, Stroh und<lb/> Heu und riesigen Schweine- und Schafställen. Kurz ein wahres Elysium für<lb/> einen „armen Agrarier"! Im ganzen sind hundertfünfzig Gebäude da ent¬<lb/> standen, wo früher Tang und Binsen im sumpfigen Seegrunde wucherten, auch<lb/> eine Kirche und eine Schule. Und wo früher die dummen Fische schwämme»,<lb/> tummelt sich jetzt ein ganzes Heer Menschen. Man schätzt die Zahl der Beamten,<lb/> Pächter, Halbpächter, Hirten, Tagelöhner, Kanalreiniger, Straßenwärter usw. auf<lb/> vierzehntausend Köpfe, die der trockengelegte See heute ernährt statt der arm¬<lb/> seligen dreihundert Fischer von ehedem.</p><lb/> <p xml:id="ID_720"> Dagegen fällt es wahrlich wenig ins Gewicht, daß das landschaftliche Bild<lb/> gegen früher verloren hat, und daß die Wintertemperatur, seitdem die aus¬<lb/> gleichende Wirkung einer so großen Wassermasse fehlt, um einige Grade ge¬<lb/> sunken ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_721"> Alexander Torlonia wurde das dem feuchten Element abgerungne Terri¬<lb/> torium überlassen und von Viktor Emanuel dem Zweiten feierlich als „Fürstentum"<lb/> bestätigt. Ein kleines, aber ein wahres Fürstentum, wie man es in der Welt<lb/> vergeblich wieder suchen dürfte. Wenn es auch nicht souverän ist, so gehört doch<lb/> der gesamte Grund und Boden des prineiMo äst ?u<zino dem Fürsten zum<lb/> vollen Eigentum, und er hat sich sein prächtiges kleines Ländchen nicht durch<lb/> Waffengewalt und Blutvergießen erobert, sondern nur mit den Kräften des<lb/> Friedens durch eine bewundernswerte Umsicht und Ausdauer.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_722"> Eine gute Schilderung des einstigen Fuciuer Sees oder Lago ti Celano,<lb/> wie er früher auch hieß, findet man im neunten Bande der gesammelten Werke<lb/> von Friedrich Waiblinger (1839—40 herausgegeben von v. Canitz). Dieser halb¬<lb/> vergessene schwäbische Dichter (gestorben in Rom 1830, fünfundzwanzig Jahre<lb/> alt) besuchte ihn ini April 1828 mit sechs deutschen Architekten. „Die sanfte,<lb/> blaue Seefläche steigt mit ihren entzückend duftigen Ufern aus der Tiefe in<lb/> hesperischer Pracht und Schönheit" (S. 50). „Am liebsten verweilt das Auge<lb/> auf dem lachenden Tale von Avezzano und der großen Spiegelfläche dieses<lb/> unbeschreiblich schön gefärbten Sees____ Welch ein blau, welch violette, grün¬<lb/> liche Töne!" <S. 53. 58). Sehr anschaulich berichtet er von den Näumungs-<lb/> arbeiten, die die bourbonische Regierung damals in dem Claudischen Tunnel<lb/> durch Strafgefangne vornehmen ließ. „Eine kotige Unterwelt." „Die Galeeren¬<lb/> sklaven standen bis über den Leib im Schlamm und füllten die Karren"<lb/> (S. 64).</p><lb/> <p xml:id="ID_723" next="#ID_724"> Im Altertum führte die Via Valeria von Rom hierher. Sie benutzte<lb/> Kaiser Claudius und wohl noch, zum Teil wenigstens, Konradin von Hohen-<lb/> staufen. Unter den Bourbonen aber war diese Gegend unwegsam und besonders<lb/> die Strecke: Tivoli bis Tagliacozzo durch Räuber unsicher, die Verpflegung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0209]
Am Fucmer See
ökonomische Musteranstalt, während die Meierhöfe an tüchtige Landwirte ver¬
pachtet sind. Natürlich fehlt es auch nicht an Magazinen für Korn, Stroh und
Heu und riesigen Schweine- und Schafställen. Kurz ein wahres Elysium für
einen „armen Agrarier"! Im ganzen sind hundertfünfzig Gebäude da ent¬
standen, wo früher Tang und Binsen im sumpfigen Seegrunde wucherten, auch
eine Kirche und eine Schule. Und wo früher die dummen Fische schwämme»,
tummelt sich jetzt ein ganzes Heer Menschen. Man schätzt die Zahl der Beamten,
Pächter, Halbpächter, Hirten, Tagelöhner, Kanalreiniger, Straßenwärter usw. auf
vierzehntausend Köpfe, die der trockengelegte See heute ernährt statt der arm¬
seligen dreihundert Fischer von ehedem.
Dagegen fällt es wahrlich wenig ins Gewicht, daß das landschaftliche Bild
gegen früher verloren hat, und daß die Wintertemperatur, seitdem die aus¬
gleichende Wirkung einer so großen Wassermasse fehlt, um einige Grade ge¬
sunken ist.
Alexander Torlonia wurde das dem feuchten Element abgerungne Terri¬
torium überlassen und von Viktor Emanuel dem Zweiten feierlich als „Fürstentum"
bestätigt. Ein kleines, aber ein wahres Fürstentum, wie man es in der Welt
vergeblich wieder suchen dürfte. Wenn es auch nicht souverän ist, so gehört doch
der gesamte Grund und Boden des prineiMo äst ?u<zino dem Fürsten zum
vollen Eigentum, und er hat sich sein prächtiges kleines Ländchen nicht durch
Waffengewalt und Blutvergießen erobert, sondern nur mit den Kräften des
Friedens durch eine bewundernswerte Umsicht und Ausdauer.
Eine gute Schilderung des einstigen Fuciuer Sees oder Lago ti Celano,
wie er früher auch hieß, findet man im neunten Bande der gesammelten Werke
von Friedrich Waiblinger (1839—40 herausgegeben von v. Canitz). Dieser halb¬
vergessene schwäbische Dichter (gestorben in Rom 1830, fünfundzwanzig Jahre
alt) besuchte ihn ini April 1828 mit sechs deutschen Architekten. „Die sanfte,
blaue Seefläche steigt mit ihren entzückend duftigen Ufern aus der Tiefe in
hesperischer Pracht und Schönheit" (S. 50). „Am liebsten verweilt das Auge
auf dem lachenden Tale von Avezzano und der großen Spiegelfläche dieses
unbeschreiblich schön gefärbten Sees____ Welch ein blau, welch violette, grün¬
liche Töne!" <S. 53. 58). Sehr anschaulich berichtet er von den Näumungs-
arbeiten, die die bourbonische Regierung damals in dem Claudischen Tunnel
durch Strafgefangne vornehmen ließ. „Eine kotige Unterwelt." „Die Galeeren¬
sklaven standen bis über den Leib im Schlamm und füllten die Karren"
(S. 64).
Im Altertum führte die Via Valeria von Rom hierher. Sie benutzte
Kaiser Claudius und wohl noch, zum Teil wenigstens, Konradin von Hohen-
staufen. Unter den Bourbonen aber war diese Gegend unwegsam und besonders
die Strecke: Tivoli bis Tagliacozzo durch Räuber unsicher, die Verpflegung
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