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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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König Friedrich der Große und der Baron Warkotsch

als ein Kriegsgefangener zu werden. Diesen seinen Brief gab er einem
Domestiquen, dessen er sich zu dieser Correspondance schon mehr, jedoch nicht
weiter gebrauchet hatte, als solchen an einen katholischen Dorfpfaffen zu tragen,
welcher alsdann die Briefe weiter an den Wallis befördert hatte. Erwähnter
Domestique, der ebenfalls ein Katholike und überdem ein geborner Böhme war,
glaubte bei seiner Abfertigung eine besondere Unruhe in dem Gesichte seines
Herrn bemerket zu haben, welches ihm den Soupyon gab, daß der Brief von
gefährlichen Sachen handeln möchte, welches ihm eine besondere Unruhe und
zugleich den Entschluß zuwege brachte, daß, anstatt solchen an den gewohnten
Pfaffen zu tragen, wozu ihm eine gemessene Zeit gesetzet war, er selbigen
Hieher brachte und an den Generalmajor Krusemarck mit Bekennung seiner
Unruhe darüber abgab, nach dessen Eröffnung dann sich gleich die ganze in¬
fame Trame in allen ihren Umständen gleich zu Tage legete. Der General¬
major schickte sogleich einen sonst recht tüchtigen Officier mit einem hinläng¬
lichen Commando Dragoner nach Schönbrunn, um sich des von Warkotsch zu
bemächtigen, und ein anderes Commando, um den mit implicireten Pfaffen
zu arretiren. Beide wurden gefunden und arretiret, die Vorgesetzten dieser
Commandos aber nahmen sich so übel, daß beide schon arrctirete unter ihren
Augen Gelegenheit fanden, sich unsichtbar zu machen und zu echappiren.

Dieses seind die ohngefährliche Umstände von dem infamen Complot des
Warkotsch, und eines Vorfalles, fderj wenig ^seinesj gleichen hat. Ich habe
dabei nicht umhin gekonnt, die gnädige Hand Gottes zu adoriren, die in dieser
Gelegenheit auf eine besondere Art über den König gewandet und ihn, so zu
sagen, auf dem Point, da die Execution des Verrathes geschehen sollen, ans
einer Gefahr sauviret hat, die möglich war, ihn zu entrainireu und an welche
und deren Folgen man nicht ohne Horreur gedenken kann. Ich bin zu wenig,
als daß dabei von meinem kleinen Jndividu etwas mit anhängen sollte. Ich
nehme mir die Freiheit, alles dieses nur ganz naturellement zu Ew. Excellenz
alleinigen Information zu schreiben, und weiß noch nicht, wie und auf was
Art des Königs Majestät die Sache in das Public bekannt gemachet wissen
wollen. Der Proces wird inzwischen bei der Oberamtsregierung zu Breslau
instruiret und vermuthlich in oonwuiaeiam darin erkannt werden. Dem Do¬
mestiquen su c-nsstion muß man das Zeugnis geben, daß er in dieser Sache
ganz desinteressiret und nur bloß aus einer innerlichen Bewegung, ohne einige
Passion gehandelt hat, worunter ich nach meiner Einfalt eine höhere Hand
zu erkennen glaube. Es seind in der Nacht, da das infame Project auf¬
geführet werden sollen, wirklich an 300 feindliche Dragoner und Husaren auf
dem Gute Schönbrunn gewesen. Ob selbige zu der Expedition destiniret ge¬
wesen oder nur mit dem Trcntre dahin gekommen, um einige seiner noth¬
wendigsten Sachen und Papiere, wie man saget, abzuholen, solches lässet sich
nicht mit Gewißheit sagen. Wohin dieser Judas sich wenden, und wie er
selbst bei dem Feinde darüber werde angesehen und aufgenommen werden,


König Friedrich der Große und der Baron Warkotsch

als ein Kriegsgefangener zu werden. Diesen seinen Brief gab er einem
Domestiquen, dessen er sich zu dieser Correspondance schon mehr, jedoch nicht
weiter gebrauchet hatte, als solchen an einen katholischen Dorfpfaffen zu tragen,
welcher alsdann die Briefe weiter an den Wallis befördert hatte. Erwähnter
Domestique, der ebenfalls ein Katholike und überdem ein geborner Böhme war,
glaubte bei seiner Abfertigung eine besondere Unruhe in dem Gesichte seines
Herrn bemerket zu haben, welches ihm den Soupyon gab, daß der Brief von
gefährlichen Sachen handeln möchte, welches ihm eine besondere Unruhe und
zugleich den Entschluß zuwege brachte, daß, anstatt solchen an den gewohnten
Pfaffen zu tragen, wozu ihm eine gemessene Zeit gesetzet war, er selbigen
Hieher brachte und an den Generalmajor Krusemarck mit Bekennung seiner
Unruhe darüber abgab, nach dessen Eröffnung dann sich gleich die ganze in¬
fame Trame in allen ihren Umständen gleich zu Tage legete. Der General¬
major schickte sogleich einen sonst recht tüchtigen Officier mit einem hinläng¬
lichen Commando Dragoner nach Schönbrunn, um sich des von Warkotsch zu
bemächtigen, und ein anderes Commando, um den mit implicireten Pfaffen
zu arretiren. Beide wurden gefunden und arretiret, die Vorgesetzten dieser
Commandos aber nahmen sich so übel, daß beide schon arrctirete unter ihren
Augen Gelegenheit fanden, sich unsichtbar zu machen und zu echappiren.

Dieses seind die ohngefährliche Umstände von dem infamen Complot des
Warkotsch, und eines Vorfalles, fderj wenig ^seinesj gleichen hat. Ich habe
dabei nicht umhin gekonnt, die gnädige Hand Gottes zu adoriren, die in dieser
Gelegenheit auf eine besondere Art über den König gewandet und ihn, so zu
sagen, auf dem Point, da die Execution des Verrathes geschehen sollen, ans
einer Gefahr sauviret hat, die möglich war, ihn zu entrainireu und an welche
und deren Folgen man nicht ohne Horreur gedenken kann. Ich bin zu wenig,
als daß dabei von meinem kleinen Jndividu etwas mit anhängen sollte. Ich
nehme mir die Freiheit, alles dieses nur ganz naturellement zu Ew. Excellenz
alleinigen Information zu schreiben, und weiß noch nicht, wie und auf was
Art des Königs Majestät die Sache in das Public bekannt gemachet wissen
wollen. Der Proces wird inzwischen bei der Oberamtsregierung zu Breslau
instruiret und vermuthlich in oonwuiaeiam darin erkannt werden. Dem Do¬
mestiquen su c-nsstion muß man das Zeugnis geben, daß er in dieser Sache
ganz desinteressiret und nur bloß aus einer innerlichen Bewegung, ohne einige
Passion gehandelt hat, worunter ich nach meiner Einfalt eine höhere Hand
zu erkennen glaube. Es seind in der Nacht, da das infame Project auf¬
geführet werden sollen, wirklich an 300 feindliche Dragoner und Husaren auf
dem Gute Schönbrunn gewesen. Ob selbige zu der Expedition destiniret ge¬
wesen oder nur mit dem Trcntre dahin gekommen, um einige seiner noth¬
wendigsten Sachen und Papiere, wie man saget, abzuholen, solches lässet sich
nicht mit Gewißheit sagen. Wohin dieser Judas sich wenden, und wie er
selbst bei dem Feinde darüber werde angesehen und aufgenommen werden,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/198>, abgerufen am 24.07.2024.