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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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die Völker des Rheinbundes durch die Gründung des Deutschen Reichs seinem
Zepter unterworfen. Dieses Ergebnis genüge aber der ehrgeizigen Familie
nicht, die doch vor der Wiederherstellung des heiligen Deutschen Reichs unter
wiederholten schlugen Frankreichs zu leiden gehabt habe. Nach einem Zeitraum
von etwa zwanzig Jahren der Erholung, die der Befestigung von Bismarcks
Werk gewidmet gewesen seien, sei die Ausführung des Planes der Hohenzollern
wieder aufgenommen worden.

"Eine anonyme Veröffentlichung", sagt der Verfasser, "die 1892 erschien,
trägt den Titel: "Ein deutsches Universalreich" und bezeichnet kurz und klar
den Plan der neuen politischen Lage, die sich Deutschland schaffen will: "Jedes
Land", heißt es dort, "wo die deutsche Sprache klingt, ist deutsch; arbeiten wir
an der Vereinigung aller deutschen Stämme; erwecken wir in allen germanischen
Ländern das Gefühl des gemeinsamen Ursprungs und den Wunsch nach Ein¬
heit."" Andre Veröffentlichungen folgten in großer Zahl und zeigten nach und
nach das doppelte Ziel, wonach man strebt: zunächst die achtzig Millionen
Deutschen in Europa unter dem Zepter der Hohenzollern zu vereinigen und sich
sodann die Oberherrschaft dieses Pangermaniens über die weiten Gebiete des
südöstlichen Europas und über Kleinasien zu sichern. Zugleich erneuerten die
deutschen Universitäten den patriotischen Feldzug, den sie schon nach dem Einfall
Napoleons in Deutschland und vor dem Feldzuge 1870 geführt hatten. Die
geschichtlichen Arbeiten eines Drehsen (soll wohl heißen Droysen), Reinhold
Pauli (Paulig?), Dahlmann, Sybel, Treitschke und Mommsen, um nur die be¬
kanntesten anzuführen, waren der Gegenstand eifriger Erörterungen und ver¬
breiteten in der Jugend den Gedanken, daß das Reich der Ottonen, der Hein¬
riche und Friedrich Barbarossas wieder aufgerichtet werden müsse. Der Geist
des Universitätsunterrichts in Deutschland strahlt genügend aus einem Trink¬
sprüche hervor, den der Rektor der Universität Leipzig, Professor Wislicenus,
in einer Versammlung deutscher Gelehrten in Wien am 29. September 1894
ausbrachte: "Das deutsche Kaiserreich ist nicht Deutschland. In Wirklichkeit ist
Deutschland so groß wie das Land, wo die deutsche Zunge klingt." Der
Schulmeister folgte der Bewegung, und ebenso wie er vor 1870 lehrte, Elsaß-
Lothringen bilde einen Teil von Deutschland, so lehrt er heute nach den Lehr¬
büchern der Geographie von Daniel, Brust und Berdrow und nach den Karten
von Langhaus, daß alle von alten deutschen Stämmen bewohnten Gegenden
einen Teil des großen Deutschland bilden. Nach der methodischen Vorbereitung
auf die Idee des Pangermanismus wurden nach und nach Gesellschaften ge¬
gründet, um diese Idee weiter zu verbreiten und ihre Verwirklichung vor¬
zubereiten.

Der Verfasser hebt nun die instinktive Geschicklichkeit der Deutschen hervor,
sich zu Vereinen zu gruppieren, und meint, daß diese jetzt einen bedeutenden
Einfluß hätten sowohl durch die Anregung der öffentlichen Meinung als auch
durch die Summen, über die sie verfügten. Der wichtigste dieser Vereine scheint


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die Völker des Rheinbundes durch die Gründung des Deutschen Reichs seinem
Zepter unterworfen. Dieses Ergebnis genüge aber der ehrgeizigen Familie
nicht, die doch vor der Wiederherstellung des heiligen Deutschen Reichs unter
wiederholten schlugen Frankreichs zu leiden gehabt habe. Nach einem Zeitraum
von etwa zwanzig Jahren der Erholung, die der Befestigung von Bismarcks
Werk gewidmet gewesen seien, sei die Ausführung des Planes der Hohenzollern
wieder aufgenommen worden.

„Eine anonyme Veröffentlichung", sagt der Verfasser, „die 1892 erschien,
trägt den Titel: »Ein deutsches Universalreich« und bezeichnet kurz und klar
den Plan der neuen politischen Lage, die sich Deutschland schaffen will: »Jedes
Land«, heißt es dort, »wo die deutsche Sprache klingt, ist deutsch; arbeiten wir
an der Vereinigung aller deutschen Stämme; erwecken wir in allen germanischen
Ländern das Gefühl des gemeinsamen Ursprungs und den Wunsch nach Ein¬
heit.«" Andre Veröffentlichungen folgten in großer Zahl und zeigten nach und
nach das doppelte Ziel, wonach man strebt: zunächst die achtzig Millionen
Deutschen in Europa unter dem Zepter der Hohenzollern zu vereinigen und sich
sodann die Oberherrschaft dieses Pangermaniens über die weiten Gebiete des
südöstlichen Europas und über Kleinasien zu sichern. Zugleich erneuerten die
deutschen Universitäten den patriotischen Feldzug, den sie schon nach dem Einfall
Napoleons in Deutschland und vor dem Feldzuge 1870 geführt hatten. Die
geschichtlichen Arbeiten eines Drehsen (soll wohl heißen Droysen), Reinhold
Pauli (Paulig?), Dahlmann, Sybel, Treitschke und Mommsen, um nur die be¬
kanntesten anzuführen, waren der Gegenstand eifriger Erörterungen und ver¬
breiteten in der Jugend den Gedanken, daß das Reich der Ottonen, der Hein¬
riche und Friedrich Barbarossas wieder aufgerichtet werden müsse. Der Geist
des Universitätsunterrichts in Deutschland strahlt genügend aus einem Trink¬
sprüche hervor, den der Rektor der Universität Leipzig, Professor Wislicenus,
in einer Versammlung deutscher Gelehrten in Wien am 29. September 1894
ausbrachte: „Das deutsche Kaiserreich ist nicht Deutschland. In Wirklichkeit ist
Deutschland so groß wie das Land, wo die deutsche Zunge klingt." Der
Schulmeister folgte der Bewegung, und ebenso wie er vor 1870 lehrte, Elsaß-
Lothringen bilde einen Teil von Deutschland, so lehrt er heute nach den Lehr¬
büchern der Geographie von Daniel, Brust und Berdrow und nach den Karten
von Langhaus, daß alle von alten deutschen Stämmen bewohnten Gegenden
einen Teil des großen Deutschland bilden. Nach der methodischen Vorbereitung
auf die Idee des Pangermanismus wurden nach und nach Gesellschaften ge¬
gründet, um diese Idee weiter zu verbreiten und ihre Verwirklichung vor¬
zubereiten.

Der Verfasser hebt nun die instinktive Geschicklichkeit der Deutschen hervor,
sich zu Vereinen zu gruppieren, und meint, daß diese jetzt einen bedeutenden
Einfluß hätten sowohl durch die Anregung der öffentlichen Meinung als auch
durch die Summen, über die sie verfügten. Der wichtigste dieser Vereine scheint


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/182>, abgerufen am 24.07.2024.