Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.Eine Ferienfahrt nach Brasilien gebnen Häusern besetzt. In die enggebaute Altstadt, deren Anfänge bis in die Die Stadt ist bis weit in die Umgebung hinaus mit Straßenbahnen durch¬ Der Prinz Sigismund blieb fast vier Tage im Hafen, weil hier der Nach dem Frühstück machte ich mit dem Kapitän, dem Arzt und einem Eine Ferienfahrt nach Brasilien gebnen Häusern besetzt. In die enggebaute Altstadt, deren Anfänge bis in die Die Stadt ist bis weit in die Umgebung hinaus mit Straßenbahnen durch¬ Der Prinz Sigismund blieb fast vier Tage im Hafen, weil hier der Nach dem Frühstück machte ich mit dem Kapitän, dem Arzt und einem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0154" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301408"/> <fw type="header" place="top"> Eine Ferienfahrt nach Brasilien</fw><lb/> <p xml:id="ID_520" prev="#ID_519"> gebnen Häusern besetzt. In die enggebaute Altstadt, deren Anfänge bis in die<lb/> zweite Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts zurückreichen, wird gegenwärtig, um<lb/> der Sonne und dem Luftzuge Zutritt zu verschaffen, Bresche gelegt, indem eine<lb/> breite Avenidci (Prachtstraße) hindurchgeführt wird. Der Raum dazu ist durch<lb/> Niederlegung ganzer Straßenzüge gewonnen worden. Man verspricht sich davon<lb/> unter anderen eine weitere Besserung der gesundheitlichen Verhältnisse, in denen<lb/> sich schon im letzten Jahrzehnt eine bedeutende Änderung zum Guten vollzogen<lb/> hat. Vorläufig gilt noch als Hauptgeschäftsstraße die Ruci do Ouvidor, die<lb/> jedoch für den in ihr flutenden Verkehr sehr eng ist und aus diesem Grunde<lb/> an den Werktagen von Gespannen nicht benutzt werden darf. Besonders be¬<lb/> merkenswert sind die eleganten Juwelierläden; in ihren Schaufenstern fallen<lb/> namentlich kostbare Schmuckstücke ans den im Lande häufig vorkommenden<lb/> Diamanten sowie hübsche Broschen und Nadeln auf, in denen grün-golden<lb/> schimmernde Käfer an Stelle von Edelsteinen verwandt worden sind. Auch die<lb/> Modewarengeschäfte, die im wesentlichen Pariser Erzeugnisse sichren, haben eine<lb/> luxuriöse Ausstattung und geschmackvolle Auslagen.</p><lb/> <p xml:id="ID_521"> Die Stadt ist bis weit in die Umgebung hinaus mit Straßenbahnen durch¬<lb/> zogen, bei denen der elektrische Betrieb vorwiegend ist. Man nennt sie in ganz<lb/> Brasilien allgemein nur „Bonds", weil seinerzeit die erste Bahn ans Bonds<lb/> (Aktien) gegründet worden ist. Die Orientierung wurde mir anfänglich nicht<lb/> leicht, da es keine Reisehandbücher gibt; ich fand mich aber, sobald ich entdeckt<lb/> hatte, daß sämtliche Bonds entweder von dem Largo (Platz) de Sav Francisco<lb/> oder von dem in dessen Nähe liegenden Largo Carioca ausgehn, mit Hilfe<lb/> eines Stadtplans bald zurecht. In Zweifelsfällen erhielt ich in der Agentur<lb/> der Hamburg-Amerika-Linie, die uns Passagiere auch ihre Barkassen gern mit¬<lb/> benutzen ließ, die zuverlässigste und freundlichst erteilte Auskunft.</p><lb/> <p xml:id="ID_522"> Der Prinz Sigismund blieb fast vier Tage im Hafen, weil hier der<lb/> größte Teil der Ladung, Maschinenteile sowie Werkstücke für die Kaianlagen,<lb/> gelöscht wurde. Am Tage nach der Ankunft wollte ich zunächst die Markt¬<lb/> halle besichtigen, sie war jedoch gerade in der Nacht abgebrannt. Die Feuer¬<lb/> wehr war uoch mit den Aufräumungsarbeitcn beschäftigt und erwies sich dabei<lb/> als geschult und wacker. Die Händler hatten sich zu helfen gewußt und ihre<lb/> Stände auf den neben der Halle liegenden Plätzen und Straßen aufgerichtet.<lb/> Es wurden ebensolche Produkte ausgeboten und angepriesen, wie ich sie schon<lb/> in Bahia gefunden hatte, außerdem noch seltsame Fische von Regenbogen- und<lb/> Perlmutterglanz, lebende Riesenschildkröten, Tintenfische, Austern und große,<lb/> beinahe durchsichtige Camaröes (Krabben) von langustenühnlicher Gestalt.</p><lb/> <p xml:id="ID_523" next="#ID_524"> Nach dem Frühstück machte ich mit dem Kapitän, dem Arzt und einem<lb/> Reisegefährten einen Ausflug nach dem Luft- und Brunnenkurort Tijuca, den<lb/> die Bewohner Rios sehr lieben, und den auch seinerzeit der Kaiser Dom Pedro<lb/> der Zweite bei seinen Spazierfahrten gern besucht haben soll. Wir benutzten<lb/> anfänglich einen Maultier-, später einen elektrischen Bond. Der Weg führte</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0154]
Eine Ferienfahrt nach Brasilien
gebnen Häusern besetzt. In die enggebaute Altstadt, deren Anfänge bis in die
zweite Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts zurückreichen, wird gegenwärtig, um
der Sonne und dem Luftzuge Zutritt zu verschaffen, Bresche gelegt, indem eine
breite Avenidci (Prachtstraße) hindurchgeführt wird. Der Raum dazu ist durch
Niederlegung ganzer Straßenzüge gewonnen worden. Man verspricht sich davon
unter anderen eine weitere Besserung der gesundheitlichen Verhältnisse, in denen
sich schon im letzten Jahrzehnt eine bedeutende Änderung zum Guten vollzogen
hat. Vorläufig gilt noch als Hauptgeschäftsstraße die Ruci do Ouvidor, die
jedoch für den in ihr flutenden Verkehr sehr eng ist und aus diesem Grunde
an den Werktagen von Gespannen nicht benutzt werden darf. Besonders be¬
merkenswert sind die eleganten Juwelierläden; in ihren Schaufenstern fallen
namentlich kostbare Schmuckstücke ans den im Lande häufig vorkommenden
Diamanten sowie hübsche Broschen und Nadeln auf, in denen grün-golden
schimmernde Käfer an Stelle von Edelsteinen verwandt worden sind. Auch die
Modewarengeschäfte, die im wesentlichen Pariser Erzeugnisse sichren, haben eine
luxuriöse Ausstattung und geschmackvolle Auslagen.
Die Stadt ist bis weit in die Umgebung hinaus mit Straßenbahnen durch¬
zogen, bei denen der elektrische Betrieb vorwiegend ist. Man nennt sie in ganz
Brasilien allgemein nur „Bonds", weil seinerzeit die erste Bahn ans Bonds
(Aktien) gegründet worden ist. Die Orientierung wurde mir anfänglich nicht
leicht, da es keine Reisehandbücher gibt; ich fand mich aber, sobald ich entdeckt
hatte, daß sämtliche Bonds entweder von dem Largo (Platz) de Sav Francisco
oder von dem in dessen Nähe liegenden Largo Carioca ausgehn, mit Hilfe
eines Stadtplans bald zurecht. In Zweifelsfällen erhielt ich in der Agentur
der Hamburg-Amerika-Linie, die uns Passagiere auch ihre Barkassen gern mit¬
benutzen ließ, die zuverlässigste und freundlichst erteilte Auskunft.
Der Prinz Sigismund blieb fast vier Tage im Hafen, weil hier der
größte Teil der Ladung, Maschinenteile sowie Werkstücke für die Kaianlagen,
gelöscht wurde. Am Tage nach der Ankunft wollte ich zunächst die Markt¬
halle besichtigen, sie war jedoch gerade in der Nacht abgebrannt. Die Feuer¬
wehr war uoch mit den Aufräumungsarbeitcn beschäftigt und erwies sich dabei
als geschult und wacker. Die Händler hatten sich zu helfen gewußt und ihre
Stände auf den neben der Halle liegenden Plätzen und Straßen aufgerichtet.
Es wurden ebensolche Produkte ausgeboten und angepriesen, wie ich sie schon
in Bahia gefunden hatte, außerdem noch seltsame Fische von Regenbogen- und
Perlmutterglanz, lebende Riesenschildkröten, Tintenfische, Austern und große,
beinahe durchsichtige Camaröes (Krabben) von langustenühnlicher Gestalt.
Nach dem Frühstück machte ich mit dem Kapitän, dem Arzt und einem
Reisegefährten einen Ausflug nach dem Luft- und Brunnenkurort Tijuca, den
die Bewohner Rios sehr lieben, und den auch seinerzeit der Kaiser Dom Pedro
der Zweite bei seinen Spazierfahrten gern besucht haben soll. Wir benutzten
anfänglich einen Maultier-, später einen elektrischen Bond. Der Weg führte
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