Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Goethecrinnernngen im nordwestlichen Böhmen

da wo drei Thäler zusammentreffen, drei Wasser sich vereinigen, wovon das
größte, die Zwotau sZwodauj, ruhig tief unten vorbei fließt. Denke man
sich nun uralte Rüstern (Ilmer) sich fast zur Höhe des Schlosses erheben und
von unten herauf einen Wald bilden, so hat man schon ein interessantes Ge¬
mälde. Der Hintergrund wohlbestcmdenc Fichtenberge und doch an der einen
Seite gleich wieder Ackerbau. So sieht mau denn auch zur Seite hinab fahr¬
bare Wege, die drüben wieder herauf kommen, wohnbare Häuser im Thale,
rechts wieder Wald und Gebirg. Nothwendig wäre eine Zeichnung, die mit
Einem Blick alles klar machte, was mit keinen Worten zu vergegenwärtigen
ist." Weiter lesen wir im Tagebuch über den Abend des 27. August: "Als
ich nach aufgehobener Tafel mich etwas frühzeitig entfernen wollte, lud man
mich freundlich ein zu bleiben, und in dem Augenblicke krachten die Vorboten
eines Feuerwerks auf dem gegenüberstehenden Berge, allerlei Lnstfeuer stiegen
hier auf und brachten, indem sie sich unvermuthet in der Tiefe wiederspiegelten,
einen stillen Teich zur Evidenz, der in der Finsterniß verborgen gelegen. Der
allerhellste Sternhimmel, welcher nur durch augenblickliches irdisches Feuer ver¬
dunkelt wurde, ließ auch einige Meteore fallend niederleuchten, ein abermaliges
Krachen, das in den Gebirgen widerschmetterte, verkündigte den Schluß, und die
Einleitung auf morgen war mit wenigen herzlichen Worten gegeben." Festlied
wurde der Geburtstag selbst gefeiert. Man hielt einen Umgang um das Schloß,
"bergab bergauf einen sehr gelinden Fahrweg, betrachtete die am Thalende
liegende Brauerei, stieg denn wieder und beschaute das Schloß von einer
andern Seite, sodann führten sehr bequeme Fußwege hinab an den Teich, dann
wieder hinauf und zwar so, daß man durch einen wohlbestandenen alten Fichten¬
wald endlich von der Rückseite dnrch eine andere Pforte in das Schloß gelangte,
wo in einem kleinen Felsgärtchen eine anmuthige Nelkenflor noch munter genug
in Blüthe stand____ Die Tafel mit Blumen und Zuckerpyramiden geschmückt,
alles so wie das gestrige Feuerwerk im Schlosse verfertigt. Gute Weine, zuletzt
beim Champagner unter Fenerwerkkrachen meine Gesundheit, ein Kranz und
ein kleines Gedicht, alles mit herzlicher Natürlichkeit und aufrichtigem Wohl¬
wollen."

Wohlwollen und herzliche Natürlichkeit wohnen auch heute noch auf Schloß
Hardenberg. Das durfte der stille unbekannte Wandrer erfahren, der jetzt, die
Spuren so teurer Erinnerungen verfolgend, um 28. August den Schloßhof
betrat. Es wurde ihm die Freude, uuter der liebenswürdigsten Führung der
jetzigen Schloßherrin, Frau Maria verwitweten Baronin von Kopai, die von
Goethe bewohnten Gemächer wie das ganze Schloß und dessen herrliche Um¬
gebung kennen zu lernen. Noch nmgrünen riesige Ulmen, aus der Tiefe mächtig
aufstrebend, die sonnige Felshöhe, Ahorn und Fichte sind ihnen gesellt; noch
blinkt in der Tiefe jener Teich, in dem sich die Lustfeuer spiegelten; noch zeugt
von des Grafen Joseph Edelsinn jener lange breite Teichdamm, den er, wie
Grüner erzählt, "zur Zeit der größten Noth 1816 und 1817 hatte ausführen


Goethecrinnernngen im nordwestlichen Böhmen

da wo drei Thäler zusammentreffen, drei Wasser sich vereinigen, wovon das
größte, die Zwotau sZwodauj, ruhig tief unten vorbei fließt. Denke man
sich nun uralte Rüstern (Ilmer) sich fast zur Höhe des Schlosses erheben und
von unten herauf einen Wald bilden, so hat man schon ein interessantes Ge¬
mälde. Der Hintergrund wohlbestcmdenc Fichtenberge und doch an der einen
Seite gleich wieder Ackerbau. So sieht mau denn auch zur Seite hinab fahr¬
bare Wege, die drüben wieder herauf kommen, wohnbare Häuser im Thale,
rechts wieder Wald und Gebirg. Nothwendig wäre eine Zeichnung, die mit
Einem Blick alles klar machte, was mit keinen Worten zu vergegenwärtigen
ist." Weiter lesen wir im Tagebuch über den Abend des 27. August: „Als
ich nach aufgehobener Tafel mich etwas frühzeitig entfernen wollte, lud man
mich freundlich ein zu bleiben, und in dem Augenblicke krachten die Vorboten
eines Feuerwerks auf dem gegenüberstehenden Berge, allerlei Lnstfeuer stiegen
hier auf und brachten, indem sie sich unvermuthet in der Tiefe wiederspiegelten,
einen stillen Teich zur Evidenz, der in der Finsterniß verborgen gelegen. Der
allerhellste Sternhimmel, welcher nur durch augenblickliches irdisches Feuer ver¬
dunkelt wurde, ließ auch einige Meteore fallend niederleuchten, ein abermaliges
Krachen, das in den Gebirgen widerschmetterte, verkündigte den Schluß, und die
Einleitung auf morgen war mit wenigen herzlichen Worten gegeben." Festlied
wurde der Geburtstag selbst gefeiert. Man hielt einen Umgang um das Schloß,
„bergab bergauf einen sehr gelinden Fahrweg, betrachtete die am Thalende
liegende Brauerei, stieg denn wieder und beschaute das Schloß von einer
andern Seite, sodann führten sehr bequeme Fußwege hinab an den Teich, dann
wieder hinauf und zwar so, daß man durch einen wohlbestandenen alten Fichten¬
wald endlich von der Rückseite dnrch eine andere Pforte in das Schloß gelangte,
wo in einem kleinen Felsgärtchen eine anmuthige Nelkenflor noch munter genug
in Blüthe stand____ Die Tafel mit Blumen und Zuckerpyramiden geschmückt,
alles so wie das gestrige Feuerwerk im Schlosse verfertigt. Gute Weine, zuletzt
beim Champagner unter Fenerwerkkrachen meine Gesundheit, ein Kranz und
ein kleines Gedicht, alles mit herzlicher Natürlichkeit und aufrichtigem Wohl¬
wollen."

Wohlwollen und herzliche Natürlichkeit wohnen auch heute noch auf Schloß
Hardenberg. Das durfte der stille unbekannte Wandrer erfahren, der jetzt, die
Spuren so teurer Erinnerungen verfolgend, um 28. August den Schloßhof
betrat. Es wurde ihm die Freude, uuter der liebenswürdigsten Führung der
jetzigen Schloßherrin, Frau Maria verwitweten Baronin von Kopai, die von
Goethe bewohnten Gemächer wie das ganze Schloß und dessen herrliche Um¬
gebung kennen zu lernen. Noch nmgrünen riesige Ulmen, aus der Tiefe mächtig
aufstrebend, die sonnige Felshöhe, Ahorn und Fichte sind ihnen gesellt; noch
blinkt in der Tiefe jener Teich, in dem sich die Lustfeuer spiegelten; noch zeugt
von des Grafen Joseph Edelsinn jener lange breite Teichdamm, den er, wie
Grüner erzählt, „zur Zeit der größten Noth 1816 und 1817 hatte ausführen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0147" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301401"/>
          <fw type="header" place="top"> Goethecrinnernngen im nordwestlichen Böhmen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_497" prev="#ID_496"> da wo drei Thäler zusammentreffen, drei Wasser sich vereinigen, wovon das<lb/>
größte, die Zwotau sZwodauj, ruhig tief unten vorbei fließt. Denke man<lb/>
sich nun uralte Rüstern (Ilmer) sich fast zur Höhe des Schlosses erheben und<lb/>
von unten herauf einen Wald bilden, so hat man schon ein interessantes Ge¬<lb/>
mälde. Der Hintergrund wohlbestcmdenc Fichtenberge und doch an der einen<lb/>
Seite gleich wieder Ackerbau. So sieht mau denn auch zur Seite hinab fahr¬<lb/>
bare Wege, die drüben wieder herauf kommen, wohnbare Häuser im Thale,<lb/>
rechts wieder Wald und Gebirg. Nothwendig wäre eine Zeichnung, die mit<lb/>
Einem Blick alles klar machte, was mit keinen Worten zu vergegenwärtigen<lb/>
ist." Weiter lesen wir im Tagebuch über den Abend des 27. August: &#x201E;Als<lb/>
ich nach aufgehobener Tafel mich etwas frühzeitig entfernen wollte, lud man<lb/>
mich freundlich ein zu bleiben, und in dem Augenblicke krachten die Vorboten<lb/>
eines Feuerwerks auf dem gegenüberstehenden Berge, allerlei Lnstfeuer stiegen<lb/>
hier auf und brachten, indem sie sich unvermuthet in der Tiefe wiederspiegelten,<lb/>
einen stillen Teich zur Evidenz, der in der Finsterniß verborgen gelegen. Der<lb/>
allerhellste Sternhimmel, welcher nur durch augenblickliches irdisches Feuer ver¬<lb/>
dunkelt wurde, ließ auch einige Meteore fallend niederleuchten, ein abermaliges<lb/>
Krachen, das in den Gebirgen widerschmetterte, verkündigte den Schluß, und die<lb/>
Einleitung auf morgen war mit wenigen herzlichen Worten gegeben." Festlied<lb/>
wurde der Geburtstag selbst gefeiert. Man hielt einen Umgang um das Schloß,<lb/>
&#x201E;bergab bergauf einen sehr gelinden Fahrweg, betrachtete die am Thalende<lb/>
liegende Brauerei, stieg denn wieder und beschaute das Schloß von einer<lb/>
andern Seite, sodann führten sehr bequeme Fußwege hinab an den Teich, dann<lb/>
wieder hinauf und zwar so, daß man durch einen wohlbestandenen alten Fichten¬<lb/>
wald endlich von der Rückseite dnrch eine andere Pforte in das Schloß gelangte,<lb/>
wo in einem kleinen Felsgärtchen eine anmuthige Nelkenflor noch munter genug<lb/>
in Blüthe stand____    Die Tafel mit Blumen und Zuckerpyramiden geschmückt,<lb/>
alles so wie das gestrige Feuerwerk im Schlosse verfertigt. Gute Weine, zuletzt<lb/>
beim Champagner unter Fenerwerkkrachen meine Gesundheit, ein Kranz und<lb/>
ein kleines Gedicht, alles mit herzlicher Natürlichkeit und aufrichtigem Wohl¬<lb/>
wollen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_498" next="#ID_499"> Wohlwollen und herzliche Natürlichkeit wohnen auch heute noch auf Schloß<lb/>
Hardenberg. Das durfte der stille unbekannte Wandrer erfahren, der jetzt, die<lb/>
Spuren so teurer Erinnerungen verfolgend, um 28. August den Schloßhof<lb/>
betrat. Es wurde ihm die Freude, uuter der liebenswürdigsten Führung der<lb/>
jetzigen Schloßherrin, Frau Maria verwitweten Baronin von Kopai, die von<lb/>
Goethe bewohnten Gemächer wie das ganze Schloß und dessen herrliche Um¬<lb/>
gebung kennen zu lernen. Noch nmgrünen riesige Ulmen, aus der Tiefe mächtig<lb/>
aufstrebend, die sonnige Felshöhe, Ahorn und Fichte sind ihnen gesellt; noch<lb/>
blinkt in der Tiefe jener Teich, in dem sich die Lustfeuer spiegelten; noch zeugt<lb/>
von des Grafen Joseph Edelsinn jener lange breite Teichdamm, den er, wie<lb/>
Grüner erzählt, &#x201E;zur Zeit der größten Noth 1816 und 1817 hatte ausführen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0147] Goethecrinnernngen im nordwestlichen Böhmen da wo drei Thäler zusammentreffen, drei Wasser sich vereinigen, wovon das größte, die Zwotau sZwodauj, ruhig tief unten vorbei fließt. Denke man sich nun uralte Rüstern (Ilmer) sich fast zur Höhe des Schlosses erheben und von unten herauf einen Wald bilden, so hat man schon ein interessantes Ge¬ mälde. Der Hintergrund wohlbestcmdenc Fichtenberge und doch an der einen Seite gleich wieder Ackerbau. So sieht mau denn auch zur Seite hinab fahr¬ bare Wege, die drüben wieder herauf kommen, wohnbare Häuser im Thale, rechts wieder Wald und Gebirg. Nothwendig wäre eine Zeichnung, die mit Einem Blick alles klar machte, was mit keinen Worten zu vergegenwärtigen ist." Weiter lesen wir im Tagebuch über den Abend des 27. August: „Als ich nach aufgehobener Tafel mich etwas frühzeitig entfernen wollte, lud man mich freundlich ein zu bleiben, und in dem Augenblicke krachten die Vorboten eines Feuerwerks auf dem gegenüberstehenden Berge, allerlei Lnstfeuer stiegen hier auf und brachten, indem sie sich unvermuthet in der Tiefe wiederspiegelten, einen stillen Teich zur Evidenz, der in der Finsterniß verborgen gelegen. Der allerhellste Sternhimmel, welcher nur durch augenblickliches irdisches Feuer ver¬ dunkelt wurde, ließ auch einige Meteore fallend niederleuchten, ein abermaliges Krachen, das in den Gebirgen widerschmetterte, verkündigte den Schluß, und die Einleitung auf morgen war mit wenigen herzlichen Worten gegeben." Festlied wurde der Geburtstag selbst gefeiert. Man hielt einen Umgang um das Schloß, „bergab bergauf einen sehr gelinden Fahrweg, betrachtete die am Thalende liegende Brauerei, stieg denn wieder und beschaute das Schloß von einer andern Seite, sodann führten sehr bequeme Fußwege hinab an den Teich, dann wieder hinauf und zwar so, daß man durch einen wohlbestandenen alten Fichten¬ wald endlich von der Rückseite dnrch eine andere Pforte in das Schloß gelangte, wo in einem kleinen Felsgärtchen eine anmuthige Nelkenflor noch munter genug in Blüthe stand____ Die Tafel mit Blumen und Zuckerpyramiden geschmückt, alles so wie das gestrige Feuerwerk im Schlosse verfertigt. Gute Weine, zuletzt beim Champagner unter Fenerwerkkrachen meine Gesundheit, ein Kranz und ein kleines Gedicht, alles mit herzlicher Natürlichkeit und aufrichtigem Wohl¬ wollen." Wohlwollen und herzliche Natürlichkeit wohnen auch heute noch auf Schloß Hardenberg. Das durfte der stille unbekannte Wandrer erfahren, der jetzt, die Spuren so teurer Erinnerungen verfolgend, um 28. August den Schloßhof betrat. Es wurde ihm die Freude, uuter der liebenswürdigsten Führung der jetzigen Schloßherrin, Frau Maria verwitweten Baronin von Kopai, die von Goethe bewohnten Gemächer wie das ganze Schloß und dessen herrliche Um¬ gebung kennen zu lernen. Noch nmgrünen riesige Ulmen, aus der Tiefe mächtig aufstrebend, die sonnige Felshöhe, Ahorn und Fichte sind ihnen gesellt; noch blinkt in der Tiefe jener Teich, in dem sich die Lustfeuer spiegelten; noch zeugt von des Grafen Joseph Edelsinn jener lange breite Teichdamm, den er, wie Grüner erzählt, „zur Zeit der größten Noth 1816 und 1817 hatte ausführen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/147
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/147>, abgerufen am 24.07.2024.