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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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König Friedrich der Große und der Baron Warkotsch

Wcirkotsch schrieb den Brief, dessen Beförderung Schmidt übernahm, Schmidt
bediente sich dazu einer weiblichen Person, namens Katharina Schusser
(Schuster?), Der Brief kam auch wirklich in die Hunde des Generals
Dreskowich, der in Wartha kommandierte. Der erste Schritt aus der Sphäre des
Gedankens zur Verwirklichung des Verbrechens war damit geschehen, Dreskowich,
der den Brief sofort las, beging die Unvorsichtigkeit, die Überbringerin in
Gegenwart mehrerer Offiziere einem Verhör zu unterwerfen. So konnte
das Unternehmen, das doch die peinlichste Verschwiegenheit forderte, leicht
scheitern. Laudon war sehr ungehalten über die Ungeschicklichkeit des Generals
Dreskowich und gab anch später in seinem Berichte der Kaiserin Maria
Theresia den Rat, Dreskowich von der Feldarmee abzuberufen, denn es sei
"nicht wegen übelgesinnter Beschaffenheit seines Herzens, sondern aus der
Schwachheit, nicht Herr seiner Zunge zu sein", bei wichtigen Begebenheiten
auf ihn kein Verlaß. Die Kaiserin gab diesem Rate jedoch nicht nach. Laudon
ergriff die Gelegenheit, die sich ihm durch den Verrat des Wcirkotsch und
seines Genossen bot, mit Eifer und beauftragte einen gewissen Wallis oder
Wallisch, Hauptmann im Karlstadter Grenzinfanterieregiment, sich mit Wcir¬
kotsch ins Vernehmen zu setzen. Die Wahl traf gerade diesen Offizier, weil
er vermutlich Ortskenntnisse hatte und als ein kühner und entschlossener
Parteigänger bekannt war. Er ist übrigens von mehreren Seiten mit dem
Obristen Wallis verwechselt worden, dem Kommandeur des Laudonschen Regi¬
ments, der sich bei der Erstürmung von Schweidnitz sehr ausgezeichnet hatte.
Der Hauptmann Wallis -- die Schreibung Wallisch rührt wohl von der un¬
garischen Aussprache des Namens her -- hatte wahrscheinlich nichts mit dem
Grafengeschlechte der Wallis zu tun, denn später, nach der Aufdeckung des
vereitelten Anschlags, machte die gräfliche Familie bekannt, daß dieser Wallis
nicht mit ihr verwandt sei. Daß Warkotsch den Hauptmann im brieflichen
Verkehr, ohne seinen militärischen Rang anzugeben, bald mit Ur. "WÄIIs, bald
mit Ur. 1e da-ron as Malus anredete, kann eine adliche Abkunft des Mannes
nicht beweisen. Wallis muß nun unter der Adresse des Kuraten Schmidt um
nähere Angaben über die Ortsverhältnisse im königlichen Hauptquartier ersucht
haben. Denn am 22. November erhielt der Jäger Kappel von Warkotsch den
Befehl, einen dicken Brief, der also wahrscheinlich die gewünschten Angaben
enthielt, an Schmidt zur Weiterbeförderung zu überbringen. Schmidt öffnete
die Umhüllung, die seine Adresse trug, in Koppels Gegenwart, und der
Jäger konnte lesen, daß die Aufschrift auf dem Umschlage des eingeschlossenen
Briefes lautete: a Ur. Ur. wallis. Dieser Brief ist nun auch in Wallis
Hände gelangt. Aber Wallis scheint noch Bedenken irgendwelcher Art gehabt
zu haben. Vielleicht verlangte er für den Überfall einen ortskundigen Führer.
Wie dem auch gewesen sein mag, jedenfalls schrieb er aufs neue an den
Kuraten. Diesen Brief brachte Schmidt am 29. November, eben an jenem
Sonntage, an dem Warkotsch mit Kappel nach Woiselwitz geritten war, nach


König Friedrich der Große und der Baron Warkotsch

Wcirkotsch schrieb den Brief, dessen Beförderung Schmidt übernahm, Schmidt
bediente sich dazu einer weiblichen Person, namens Katharina Schusser
(Schuster?), Der Brief kam auch wirklich in die Hunde des Generals
Dreskowich, der in Wartha kommandierte. Der erste Schritt aus der Sphäre des
Gedankens zur Verwirklichung des Verbrechens war damit geschehen, Dreskowich,
der den Brief sofort las, beging die Unvorsichtigkeit, die Überbringerin in
Gegenwart mehrerer Offiziere einem Verhör zu unterwerfen. So konnte
das Unternehmen, das doch die peinlichste Verschwiegenheit forderte, leicht
scheitern. Laudon war sehr ungehalten über die Ungeschicklichkeit des Generals
Dreskowich und gab anch später in seinem Berichte der Kaiserin Maria
Theresia den Rat, Dreskowich von der Feldarmee abzuberufen, denn es sei
„nicht wegen übelgesinnter Beschaffenheit seines Herzens, sondern aus der
Schwachheit, nicht Herr seiner Zunge zu sein", bei wichtigen Begebenheiten
auf ihn kein Verlaß. Die Kaiserin gab diesem Rate jedoch nicht nach. Laudon
ergriff die Gelegenheit, die sich ihm durch den Verrat des Wcirkotsch und
seines Genossen bot, mit Eifer und beauftragte einen gewissen Wallis oder
Wallisch, Hauptmann im Karlstadter Grenzinfanterieregiment, sich mit Wcir¬
kotsch ins Vernehmen zu setzen. Die Wahl traf gerade diesen Offizier, weil
er vermutlich Ortskenntnisse hatte und als ein kühner und entschlossener
Parteigänger bekannt war. Er ist übrigens von mehreren Seiten mit dem
Obristen Wallis verwechselt worden, dem Kommandeur des Laudonschen Regi¬
ments, der sich bei der Erstürmung von Schweidnitz sehr ausgezeichnet hatte.
Der Hauptmann Wallis — die Schreibung Wallisch rührt wohl von der un¬
garischen Aussprache des Namens her — hatte wahrscheinlich nichts mit dem
Grafengeschlechte der Wallis zu tun, denn später, nach der Aufdeckung des
vereitelten Anschlags, machte die gräfliche Familie bekannt, daß dieser Wallis
nicht mit ihr verwandt sei. Daß Warkotsch den Hauptmann im brieflichen
Verkehr, ohne seinen militärischen Rang anzugeben, bald mit Ur. "WÄIIs, bald
mit Ur. 1e da-ron as Malus anredete, kann eine adliche Abkunft des Mannes
nicht beweisen. Wallis muß nun unter der Adresse des Kuraten Schmidt um
nähere Angaben über die Ortsverhältnisse im königlichen Hauptquartier ersucht
haben. Denn am 22. November erhielt der Jäger Kappel von Warkotsch den
Befehl, einen dicken Brief, der also wahrscheinlich die gewünschten Angaben
enthielt, an Schmidt zur Weiterbeförderung zu überbringen. Schmidt öffnete
die Umhüllung, die seine Adresse trug, in Koppels Gegenwart, und der
Jäger konnte lesen, daß die Aufschrift auf dem Umschlage des eingeschlossenen
Briefes lautete: a Ur. Ur. wallis. Dieser Brief ist nun auch in Wallis
Hände gelangt. Aber Wallis scheint noch Bedenken irgendwelcher Art gehabt
zu haben. Vielleicht verlangte er für den Überfall einen ortskundigen Führer.
Wie dem auch gewesen sein mag, jedenfalls schrieb er aufs neue an den
Kuraten. Diesen Brief brachte Schmidt am 29. November, eben an jenem
Sonntage, an dem Warkotsch mit Kappel nach Woiselwitz geritten war, nach


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/106>, abgerufen am 24.07.2024.