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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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König Friedrich der Große und der Baron Warkotsch

schlimm gewesen. Sie hätten sich eben wieder in ihre gebirgige Stellung
zurückgezogen. Auch hätte sich die Streifschar ohne große Verluste durch
Gründe und Hohlwege uach dem südlich gelegnen Dorfe Pogcirth retten können.
Daß er durch die Beihilfe zum Überfall ein gemeines Verbrechen beging, indem
er dem ihm gnädigen und vertrauenden König die schnödeste Undankbarkeit
bewies und den Vasalleneid schändlich brach, machte Warkotsch bei seiner
Grundsatzlosigkeit und seinem leidenschaftlichen Preußenhaß nichts aus. Aber
es lag ihm natürlich daran, für seine Person im Hintergrunde zu bleiben und
nur die Fäden zu schürzen, damit es schiene, als sei das ganze Unternehmen
von der österreichischen Seite ausgegangen. Aus diesem Grunde machte er,
als er den schändlichen Anschlag schon eingeleitet hatte, seinen Jäger Kappel
eines Nachts auf die gefahrvolle Lage des Hauptquartiers geradezu aufmerksam
und wies ihn darauf hin, daß es für die Österreicher doch eigentlich recht leicht
sei, den König aufzuheben. Es war am 29. November, einem Sonntage.
Warkotsch war mit Kuppel schon früh nach Woiselwitz geritten und hatte
mittags bei dem Könige gespeist, der ihm noch die Mitteilung gemacht hatte,
daß er ihn von allen Lieferungen befreit habe. Dann war er mit dem Mark¬
grafen Karl und dem General von Krusemark spazieren geritten und später in
eifrigem Gespräch mit verschiednen Offizieren und dem Kabinettsrat Eichel bis
gegen Mitternacht in Strehlen geblieben. Danach war er mit Kappel ab¬
geritten. Im Schlafzimmer des Königs brannte noch Licht. In der Nähe
der Treppendorfer Walkmühle eröffnete Warkotsch ein Gespräch. Er fragte
seinen Jäger, ob er wohl gemerkt habe, wie schlecht der König in seinem
Quartier stehe. Auf die Erwiderung Kappels, der König habe doch seine
Garden, wandte Warkotsch ein, es seien nur dreizehn Mann bei ihm, ein
österreichischer General stünde nicht so bloß. Kappel mochte nicht antworten,
da sie eben durch ein Pikete Zastrowdragoner hindurchritten. Als die Reiter
weg waren, bemerkte Warkotsch wieder, wenn die Österreicher wüßten, wie der
König stehe, so könnten sie ihn abholen und ohne alle Umstände gefangen
nehmen. Kappel entgegnete, wer das wohl den Österreichern sagen würde,
worauf Warkotsch äußerte, sie Hütten doch Spione. Darauf wandte Kappel
ein, wenn sie auch Spione hätten, so es Gott nicht zulassen wolle, würden
sie den König nicht bekommen. Warkotsch nannte den Jäger einen Narren
und sagte, Gott kümmere sich nicht um den König, das sei nur der großen
Herren Sache. Kappel wurde ängstlich und bat den Baron, uicht so laut zu
reden. Warkotsch hieß ihn darauf dicht an seine Seite reiten und fuhr fort,
sie seien doch oft in der Nacht hier geritten, ohne Patrouillen oder eine Wache
zu sehen; es sei sehr kalt, und die Preußen säßen in den Quartieren, ohne
sich zu fürchten, daß die Österreicher kommen und sie angreifen sollten; es
ließe sich schon etwas ausführen. Damit war das Gespräch zu Ende. Kappel
bekreuzte sich im stillen. Warkotsch hatte beabsichtigt, durch das scheinbar
zufällige Gespräch den Jäger von seiner Spur abzubringen und ihn auf eine


König Friedrich der Große und der Baron Warkotsch

schlimm gewesen. Sie hätten sich eben wieder in ihre gebirgige Stellung
zurückgezogen. Auch hätte sich die Streifschar ohne große Verluste durch
Gründe und Hohlwege uach dem südlich gelegnen Dorfe Pogcirth retten können.
Daß er durch die Beihilfe zum Überfall ein gemeines Verbrechen beging, indem
er dem ihm gnädigen und vertrauenden König die schnödeste Undankbarkeit
bewies und den Vasalleneid schändlich brach, machte Warkotsch bei seiner
Grundsatzlosigkeit und seinem leidenschaftlichen Preußenhaß nichts aus. Aber
es lag ihm natürlich daran, für seine Person im Hintergrunde zu bleiben und
nur die Fäden zu schürzen, damit es schiene, als sei das ganze Unternehmen
von der österreichischen Seite ausgegangen. Aus diesem Grunde machte er,
als er den schändlichen Anschlag schon eingeleitet hatte, seinen Jäger Kappel
eines Nachts auf die gefahrvolle Lage des Hauptquartiers geradezu aufmerksam
und wies ihn darauf hin, daß es für die Österreicher doch eigentlich recht leicht
sei, den König aufzuheben. Es war am 29. November, einem Sonntage.
Warkotsch war mit Kuppel schon früh nach Woiselwitz geritten und hatte
mittags bei dem Könige gespeist, der ihm noch die Mitteilung gemacht hatte,
daß er ihn von allen Lieferungen befreit habe. Dann war er mit dem Mark¬
grafen Karl und dem General von Krusemark spazieren geritten und später in
eifrigem Gespräch mit verschiednen Offizieren und dem Kabinettsrat Eichel bis
gegen Mitternacht in Strehlen geblieben. Danach war er mit Kappel ab¬
geritten. Im Schlafzimmer des Königs brannte noch Licht. In der Nähe
der Treppendorfer Walkmühle eröffnete Warkotsch ein Gespräch. Er fragte
seinen Jäger, ob er wohl gemerkt habe, wie schlecht der König in seinem
Quartier stehe. Auf die Erwiderung Kappels, der König habe doch seine
Garden, wandte Warkotsch ein, es seien nur dreizehn Mann bei ihm, ein
österreichischer General stünde nicht so bloß. Kappel mochte nicht antworten,
da sie eben durch ein Pikete Zastrowdragoner hindurchritten. Als die Reiter
weg waren, bemerkte Warkotsch wieder, wenn die Österreicher wüßten, wie der
König stehe, so könnten sie ihn abholen und ohne alle Umstände gefangen
nehmen. Kappel entgegnete, wer das wohl den Österreichern sagen würde,
worauf Warkotsch äußerte, sie Hütten doch Spione. Darauf wandte Kappel
ein, wenn sie auch Spione hätten, so es Gott nicht zulassen wolle, würden
sie den König nicht bekommen. Warkotsch nannte den Jäger einen Narren
und sagte, Gott kümmere sich nicht um den König, das sei nur der großen
Herren Sache. Kappel wurde ängstlich und bat den Baron, uicht so laut zu
reden. Warkotsch hieß ihn darauf dicht an seine Seite reiten und fuhr fort,
sie seien doch oft in der Nacht hier geritten, ohne Patrouillen oder eine Wache
zu sehen; es sei sehr kalt, und die Preußen säßen in den Quartieren, ohne
sich zu fürchten, daß die Österreicher kommen und sie angreifen sollten; es
ließe sich schon etwas ausführen. Damit war das Gespräch zu Ende. Kappel
bekreuzte sich im stillen. Warkotsch hatte beabsichtigt, durch das scheinbar
zufällige Gespräch den Jäger von seiner Spur abzubringen und ihn auf eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/104>, abgerufen am 24.07.2024.