Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
König Friedrich der Große und der Baron Warkotsch

Hügelkuppen erhoben. Durch tiefe Gründe konnte man, ohne die Posten zu
berühren, am Dorfe Hussinetz vorüber bis in den Stillerschen Garten kommen.
Von der in Strehlen untergebrachten Garde stand eine Kompagnie in Woisel¬
witz. Die unmittelbare Bewachung des Königs hatten dreizehn Grenadiere,
Ihre Wachtstube war in dem im Garten liegenden ziemlich geräumigen Back¬
hause. Vor dem Eingang in das Wohnhaus auf der Straßenseite stand ein
Posten, vor des Königs Schlafzimmer, das uach der Gartenseite zu lag, ein
Doppelposten. Die preußischen Truppen lagen in den Dörfern im Umkreise,
geschützt durch Feldwachen und Patrouillen. Das feindliche Heer stand ziemlich
nahe. Man muß sagen, daß der König gegei? einen kühnen Handstreich nicht
genügend geschützt war. Die Österreicher verfügten damals schon über viele
leichte Truppen, die Mut und Gewandtheit für eine solche Unternehmung
hatten und sie sicherlich gewagt haben würden, wenn sie von der gefährdeten
Lage des königlichen Hauptquartiers Kenntnis gehabt hätten. Der Mann,
der ihnen diese Kenntnis durch abscheulichen Verrat verschaffte, war nun eben
der Baron Warkotsch. Wie aber kam er dazu, einen verbrecherischen Anschlag
zu planen? Wir wissen, daß er äußerlich ein gutes Verhältnis zu den Preußen
aufrechterhielt. Er erwies den Offizieren der preußischen Einquartierung, die
er ab und zu hatte, eine große Gastfreundschaft. Besonders der General-
adjutant von Krusemark, der kein Verächter der Tafelfreuden war, hatte sich
bei seinem zweimaligen Aufenthalt im Schlosse zu Schönbrunn sehr wohl ge¬
fühlt. Warkotsch hatte ihn darauf mehrfach in Woiselwitz besucht und war
dnrch ihn mit einer Anzahl von Offizieren und dem Kabinettsrat Eichel bekannt
geworden. Es entwickelte sich in der Folge ein ziemlich reger Verkehr zwischen
Woiselwitz und Schönbrunn, ja der König zog den Baron in Erwiderung der
empfangner Gastfreundschaft bald auch an seine Tafel. Da Warkotsch fast jeden
zweiten Tag in Woiselwitz war, konnte ihm die schutzlose Lage des Hauptquartiers
kein Geheimnis bleiben. Auch hatte er erfahren, daß sich die hinter Strehlen
liegenden Truppenteile bei einem feindlichen Angriff nicht bei Strehlen aufstellen,
sondern gleich in die vorderste Linie eilen sollten. Wahrscheinlich haben alle
diese Wahrnehmungen erst den verbrecherischen Plan in seiner Seele zum Reifen
gebracht. Er dachte sich die Ausführung folgendermaßen: Ein nächtlicher Schein¬
angriff der Österreicher gegen die preußische Front sollte stattfinden; zu der¬
selben Zeit sollte eine im Stadtwaldc auf der Lauer liegende Streifschar in
den Garten dringen und durch das Fenster einsteigen; ferner sollte ein starkes
feindliches Kommando das Haus umzingeln, die Wachen niedermachen und Feuer
in das Dorf werfen. In der Verwirrung schien es leicht, sich des Königs
zu bemächtigen. Hilfe aus Strehlen wäre, da sich das alles natürlich sehr
schnell abgespielt haben würde, wahrscheinlich zu spät gekommen. Die ratlose
Armee sollte später vernichtet werden. Damit wäre dann der ganze Krieg
beendigt gewesen, und Schlesien wäre wieder in österreichische Hände gekommen.
Für den Fall des Mißlingens wäre die ganze Sache für die Österreicher nicht


König Friedrich der Große und der Baron Warkotsch

Hügelkuppen erhoben. Durch tiefe Gründe konnte man, ohne die Posten zu
berühren, am Dorfe Hussinetz vorüber bis in den Stillerschen Garten kommen.
Von der in Strehlen untergebrachten Garde stand eine Kompagnie in Woisel¬
witz. Die unmittelbare Bewachung des Königs hatten dreizehn Grenadiere,
Ihre Wachtstube war in dem im Garten liegenden ziemlich geräumigen Back¬
hause. Vor dem Eingang in das Wohnhaus auf der Straßenseite stand ein
Posten, vor des Königs Schlafzimmer, das uach der Gartenseite zu lag, ein
Doppelposten. Die preußischen Truppen lagen in den Dörfern im Umkreise,
geschützt durch Feldwachen und Patrouillen. Das feindliche Heer stand ziemlich
nahe. Man muß sagen, daß der König gegei? einen kühnen Handstreich nicht
genügend geschützt war. Die Österreicher verfügten damals schon über viele
leichte Truppen, die Mut und Gewandtheit für eine solche Unternehmung
hatten und sie sicherlich gewagt haben würden, wenn sie von der gefährdeten
Lage des königlichen Hauptquartiers Kenntnis gehabt hätten. Der Mann,
der ihnen diese Kenntnis durch abscheulichen Verrat verschaffte, war nun eben
der Baron Warkotsch. Wie aber kam er dazu, einen verbrecherischen Anschlag
zu planen? Wir wissen, daß er äußerlich ein gutes Verhältnis zu den Preußen
aufrechterhielt. Er erwies den Offizieren der preußischen Einquartierung, die
er ab und zu hatte, eine große Gastfreundschaft. Besonders der General-
adjutant von Krusemark, der kein Verächter der Tafelfreuden war, hatte sich
bei seinem zweimaligen Aufenthalt im Schlosse zu Schönbrunn sehr wohl ge¬
fühlt. Warkotsch hatte ihn darauf mehrfach in Woiselwitz besucht und war
dnrch ihn mit einer Anzahl von Offizieren und dem Kabinettsrat Eichel bekannt
geworden. Es entwickelte sich in der Folge ein ziemlich reger Verkehr zwischen
Woiselwitz und Schönbrunn, ja der König zog den Baron in Erwiderung der
empfangner Gastfreundschaft bald auch an seine Tafel. Da Warkotsch fast jeden
zweiten Tag in Woiselwitz war, konnte ihm die schutzlose Lage des Hauptquartiers
kein Geheimnis bleiben. Auch hatte er erfahren, daß sich die hinter Strehlen
liegenden Truppenteile bei einem feindlichen Angriff nicht bei Strehlen aufstellen,
sondern gleich in die vorderste Linie eilen sollten. Wahrscheinlich haben alle
diese Wahrnehmungen erst den verbrecherischen Plan in seiner Seele zum Reifen
gebracht. Er dachte sich die Ausführung folgendermaßen: Ein nächtlicher Schein¬
angriff der Österreicher gegen die preußische Front sollte stattfinden; zu der¬
selben Zeit sollte eine im Stadtwaldc auf der Lauer liegende Streifschar in
den Garten dringen und durch das Fenster einsteigen; ferner sollte ein starkes
feindliches Kommando das Haus umzingeln, die Wachen niedermachen und Feuer
in das Dorf werfen. In der Verwirrung schien es leicht, sich des Königs
zu bemächtigen. Hilfe aus Strehlen wäre, da sich das alles natürlich sehr
schnell abgespielt haben würde, wahrscheinlich zu spät gekommen. Die ratlose
Armee sollte später vernichtet werden. Damit wäre dann der ganze Krieg
beendigt gewesen, und Schlesien wäre wieder in österreichische Hände gekommen.
Für den Fall des Mißlingens wäre die ganze Sache für die Österreicher nicht


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0103" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301357"/>
          <fw type="header" place="top"> König Friedrich der Große und der Baron Warkotsch</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_347" prev="#ID_346" next="#ID_348"> Hügelkuppen erhoben. Durch tiefe Gründe konnte man, ohne die Posten zu<lb/>
berühren, am Dorfe Hussinetz vorüber bis in den Stillerschen Garten kommen.<lb/>
Von der in Strehlen untergebrachten Garde stand eine Kompagnie in Woisel¬<lb/>
witz. Die unmittelbare Bewachung des Königs hatten dreizehn Grenadiere,<lb/>
Ihre Wachtstube war in dem im Garten liegenden ziemlich geräumigen Back¬<lb/>
hause. Vor dem Eingang in das Wohnhaus auf der Straßenseite stand ein<lb/>
Posten, vor des Königs Schlafzimmer, das uach der Gartenseite zu lag, ein<lb/>
Doppelposten. Die preußischen Truppen lagen in den Dörfern im Umkreise,<lb/>
geschützt durch Feldwachen und Patrouillen. Das feindliche Heer stand ziemlich<lb/>
nahe. Man muß sagen, daß der König gegei? einen kühnen Handstreich nicht<lb/>
genügend geschützt war. Die Österreicher verfügten damals schon über viele<lb/>
leichte Truppen, die Mut und Gewandtheit für eine solche Unternehmung<lb/>
hatten und sie sicherlich gewagt haben würden, wenn sie von der gefährdeten<lb/>
Lage des königlichen Hauptquartiers Kenntnis gehabt hätten. Der Mann,<lb/>
der ihnen diese Kenntnis durch abscheulichen Verrat verschaffte, war nun eben<lb/>
der Baron Warkotsch. Wie aber kam er dazu, einen verbrecherischen Anschlag<lb/>
zu planen? Wir wissen, daß er äußerlich ein gutes Verhältnis zu den Preußen<lb/>
aufrechterhielt. Er erwies den Offizieren der preußischen Einquartierung, die<lb/>
er ab und zu hatte, eine große Gastfreundschaft. Besonders der General-<lb/>
adjutant von Krusemark, der kein Verächter der Tafelfreuden war, hatte sich<lb/>
bei seinem zweimaligen Aufenthalt im Schlosse zu Schönbrunn sehr wohl ge¬<lb/>
fühlt. Warkotsch hatte ihn darauf mehrfach in Woiselwitz besucht und war<lb/>
dnrch ihn mit einer Anzahl von Offizieren und dem Kabinettsrat Eichel bekannt<lb/>
geworden. Es entwickelte sich in der Folge ein ziemlich reger Verkehr zwischen<lb/>
Woiselwitz und Schönbrunn, ja der König zog den Baron in Erwiderung der<lb/>
empfangner Gastfreundschaft bald auch an seine Tafel. Da Warkotsch fast jeden<lb/>
zweiten Tag in Woiselwitz war, konnte ihm die schutzlose Lage des Hauptquartiers<lb/>
kein Geheimnis bleiben. Auch hatte er erfahren, daß sich die hinter Strehlen<lb/>
liegenden Truppenteile bei einem feindlichen Angriff nicht bei Strehlen aufstellen,<lb/>
sondern gleich in die vorderste Linie eilen sollten. Wahrscheinlich haben alle<lb/>
diese Wahrnehmungen erst den verbrecherischen Plan in seiner Seele zum Reifen<lb/>
gebracht. Er dachte sich die Ausführung folgendermaßen: Ein nächtlicher Schein¬<lb/>
angriff der Österreicher gegen die preußische Front sollte stattfinden; zu der¬<lb/>
selben Zeit sollte eine im Stadtwaldc auf der Lauer liegende Streifschar in<lb/>
den Garten dringen und durch das Fenster einsteigen; ferner sollte ein starkes<lb/>
feindliches Kommando das Haus umzingeln, die Wachen niedermachen und Feuer<lb/>
in das Dorf werfen. In der Verwirrung schien es leicht, sich des Königs<lb/>
zu bemächtigen. Hilfe aus Strehlen wäre, da sich das alles natürlich sehr<lb/>
schnell abgespielt haben würde, wahrscheinlich zu spät gekommen. Die ratlose<lb/>
Armee sollte später vernichtet werden. Damit wäre dann der ganze Krieg<lb/>
beendigt gewesen, und Schlesien wäre wieder in österreichische Hände gekommen.<lb/>
Für den Fall des Mißlingens wäre die ganze Sache für die Österreicher nicht</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0103] König Friedrich der Große und der Baron Warkotsch Hügelkuppen erhoben. Durch tiefe Gründe konnte man, ohne die Posten zu berühren, am Dorfe Hussinetz vorüber bis in den Stillerschen Garten kommen. Von der in Strehlen untergebrachten Garde stand eine Kompagnie in Woisel¬ witz. Die unmittelbare Bewachung des Königs hatten dreizehn Grenadiere, Ihre Wachtstube war in dem im Garten liegenden ziemlich geräumigen Back¬ hause. Vor dem Eingang in das Wohnhaus auf der Straßenseite stand ein Posten, vor des Königs Schlafzimmer, das uach der Gartenseite zu lag, ein Doppelposten. Die preußischen Truppen lagen in den Dörfern im Umkreise, geschützt durch Feldwachen und Patrouillen. Das feindliche Heer stand ziemlich nahe. Man muß sagen, daß der König gegei? einen kühnen Handstreich nicht genügend geschützt war. Die Österreicher verfügten damals schon über viele leichte Truppen, die Mut und Gewandtheit für eine solche Unternehmung hatten und sie sicherlich gewagt haben würden, wenn sie von der gefährdeten Lage des königlichen Hauptquartiers Kenntnis gehabt hätten. Der Mann, der ihnen diese Kenntnis durch abscheulichen Verrat verschaffte, war nun eben der Baron Warkotsch. Wie aber kam er dazu, einen verbrecherischen Anschlag zu planen? Wir wissen, daß er äußerlich ein gutes Verhältnis zu den Preußen aufrechterhielt. Er erwies den Offizieren der preußischen Einquartierung, die er ab und zu hatte, eine große Gastfreundschaft. Besonders der General- adjutant von Krusemark, der kein Verächter der Tafelfreuden war, hatte sich bei seinem zweimaligen Aufenthalt im Schlosse zu Schönbrunn sehr wohl ge¬ fühlt. Warkotsch hatte ihn darauf mehrfach in Woiselwitz besucht und war dnrch ihn mit einer Anzahl von Offizieren und dem Kabinettsrat Eichel bekannt geworden. Es entwickelte sich in der Folge ein ziemlich reger Verkehr zwischen Woiselwitz und Schönbrunn, ja der König zog den Baron in Erwiderung der empfangner Gastfreundschaft bald auch an seine Tafel. Da Warkotsch fast jeden zweiten Tag in Woiselwitz war, konnte ihm die schutzlose Lage des Hauptquartiers kein Geheimnis bleiben. Auch hatte er erfahren, daß sich die hinter Strehlen liegenden Truppenteile bei einem feindlichen Angriff nicht bei Strehlen aufstellen, sondern gleich in die vorderste Linie eilen sollten. Wahrscheinlich haben alle diese Wahrnehmungen erst den verbrecherischen Plan in seiner Seele zum Reifen gebracht. Er dachte sich die Ausführung folgendermaßen: Ein nächtlicher Schein¬ angriff der Österreicher gegen die preußische Front sollte stattfinden; zu der¬ selben Zeit sollte eine im Stadtwaldc auf der Lauer liegende Streifschar in den Garten dringen und durch das Fenster einsteigen; ferner sollte ein starkes feindliches Kommando das Haus umzingeln, die Wachen niedermachen und Feuer in das Dorf werfen. In der Verwirrung schien es leicht, sich des Königs zu bemächtigen. Hilfe aus Strehlen wäre, da sich das alles natürlich sehr schnell abgespielt haben würde, wahrscheinlich zu spät gekommen. Die ratlose Armee sollte später vernichtet werden. Damit wäre dann der ganze Krieg beendigt gewesen, und Schlesien wäre wieder in österreichische Hände gekommen. Für den Fall des Mißlingens wäre die ganze Sache für die Österreicher nicht

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/103
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/103>, abgerufen am 24.07.2024.