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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Erinnerungen aus der Bretagne

liegt, Nedon liegt auch an dem Kanal, der Nantes mit Brest verbindet.
Malansac ist die Station für Rochefort-en-Terre. eine beliebte Malerkolonie,
die der Landschaftsmaler Pelouze in Aufnahme gebracht hat. Auch wir hätten
Maler sein mögen -- Augenblicksmaler um all die vorüberfliegende Schön¬
heit festzuhalten: Wald und Heide, dazwischen merkwürdig aufgetürmte Schiefer¬
massen, ausgedehnte Wiesenflächen - ganz in der Art der holsteinischen
Knicks von Gebüsch eingerahmt auf denen unzählige Rinder und Pferde
weideten, dort ein stattliches Kloster mit gewiß uralter Kirche, hier em ver¬
fallner Edelsitz. der zur derus herabgesunken sein mochte. Kleine dunkle und
doch klare Flüsse schlängelten sich durch hellgrüne Matten, auf denen mäch¬
tige Heuhaufen standen. Buchweizen- und Getreidefelder zogen sich an die
Dörfer und Städtchen heran, die durchweg massiv aus Stein gebaut waren
Eine wunderbar weiche Stimmung lag über der sanftgewellten Landschaft, und
doch war die Luft merkwürdig klar durch den Einfluß des Meeres. Und wie
erfrischend rein drang sie zu den Fenstern herein! Das duftete nach Korn,
nach Wald, nach Heu. nach Meer, immer anders und immer gleich köstlich.

Wir hörten bald auf, die Frauen und Mädchen in weißen Hauben zu
zahlen, denn schon sahen wir keine andern mehr. Wir passierten Sande-Anne
d'Auray. den berühmtesten Wallfahrtsort der Bretagne, wo man Ende ^nu
beim großen I^i-aom sämtliche Trachten des Landes bewundern kann Die
Kirche ist ein moderner Bau im Renaissancestil und liegt weithin sichtbar ans
einer Höhe. Bei Lorient sahen wir das Meer. Die Bahn entfernt sich
während der ganzen Fahrt nicht sehr vom Ozean, und die meisten Städte, die
sie berührt, liegen an der Mündung von kleinen Flüssen, die sich nach der
See zu hafenartig erweitern: Bannes an der Mündung des gleichnamigen
Nüßchens in den Morbihan. eine Art Haff. Auray am Auray. der sich eben¬
falls in den Morbihan ergießt, Hennebont an der Erweiterung des Blavet.
Lorient an der des Scorff; bei Quimper vereinigen sich Obed und Steir zu
einer kleinen Bucht usw. Bei der Fahrt über die Scorffbrücke hatten wir
einen herrlichen Blick auf die Reede von Lorient.

Es war Abend geworden, als wir uns Quimperle näherten, wo wir in
der Abbaye Blanche unser Standquartier aufschlagen wollten. "eme
Stadt liegt im Finistere an der Stelle, wo sich Elle und Jsole zur Lanka ver¬
einigen. Die Gegend hat man treffend das Arkadien der Basse-Bretagne ge¬
nannt. Wir waren ganz entzückt, als wir an je"em J"in'heut ziwi erstenmal
den malerischen Ort erblickten, der teils ans dem Mo.it Sau^-Michel te is
w reizenden Tale der La'
na liegt. Der Turm ^n SaM-Michel, d r sich
mit den vier gotischen Ecktürmcken dunkel vom gelblichen Abendhimmel abhob
siel mir sofort in die Augen. Aber jetzt war nicht Zeit zum Schauen! Als
wir unser Gepäck besorgt hatten, siel es uns unangenehm auf. d"ß uns Nie¬
wand erwartete, denn wir bedachten nicht, daß es den Müttern und Schwestern
von der KötrMs nu 8aoi6-e,"ur verboten ist. den Fuß vor die Schwelle des


Erinnerungen aus der Bretagne

liegt, Nedon liegt auch an dem Kanal, der Nantes mit Brest verbindet.
Malansac ist die Station für Rochefort-en-Terre. eine beliebte Malerkolonie,
die der Landschaftsmaler Pelouze in Aufnahme gebracht hat. Auch wir hätten
Maler sein mögen — Augenblicksmaler um all die vorüberfliegende Schön¬
heit festzuhalten: Wald und Heide, dazwischen merkwürdig aufgetürmte Schiefer¬
massen, ausgedehnte Wiesenflächen - ganz in der Art der holsteinischen
Knicks von Gebüsch eingerahmt auf denen unzählige Rinder und Pferde
weideten, dort ein stattliches Kloster mit gewiß uralter Kirche, hier em ver¬
fallner Edelsitz. der zur derus herabgesunken sein mochte. Kleine dunkle und
doch klare Flüsse schlängelten sich durch hellgrüne Matten, auf denen mäch¬
tige Heuhaufen standen. Buchweizen- und Getreidefelder zogen sich an die
Dörfer und Städtchen heran, die durchweg massiv aus Stein gebaut waren
Eine wunderbar weiche Stimmung lag über der sanftgewellten Landschaft, und
doch war die Luft merkwürdig klar durch den Einfluß des Meeres. Und wie
erfrischend rein drang sie zu den Fenstern herein! Das duftete nach Korn,
nach Wald, nach Heu. nach Meer, immer anders und immer gleich köstlich.

Wir hörten bald auf, die Frauen und Mädchen in weißen Hauben zu
zahlen, denn schon sahen wir keine andern mehr. Wir passierten Sande-Anne
d'Auray. den berühmtesten Wallfahrtsort der Bretagne, wo man Ende ^nu
beim großen I^i-aom sämtliche Trachten des Landes bewundern kann Die
Kirche ist ein moderner Bau im Renaissancestil und liegt weithin sichtbar ans
einer Höhe. Bei Lorient sahen wir das Meer. Die Bahn entfernt sich
während der ganzen Fahrt nicht sehr vom Ozean, und die meisten Städte, die
sie berührt, liegen an der Mündung von kleinen Flüssen, die sich nach der
See zu hafenartig erweitern: Bannes an der Mündung des gleichnamigen
Nüßchens in den Morbihan. eine Art Haff. Auray am Auray. der sich eben¬
falls in den Morbihan ergießt, Hennebont an der Erweiterung des Blavet.
Lorient an der des Scorff; bei Quimper vereinigen sich Obed und Steir zu
einer kleinen Bucht usw. Bei der Fahrt über die Scorffbrücke hatten wir
einen herrlichen Blick auf die Reede von Lorient.

Es war Abend geworden, als wir uns Quimperle näherten, wo wir in
der Abbaye Blanche unser Standquartier aufschlagen wollten. «eme
Stadt liegt im Finistere an der Stelle, wo sich Elle und Jsole zur Lanka ver¬
einigen. Die Gegend hat man treffend das Arkadien der Basse-Bretagne ge¬
nannt. Wir waren ganz entzückt, als wir an je"em J"in'heut ziwi erstenmal
den malerischen Ort erblickten, der teils ans dem Mo.it Sau^-Michel te is
w reizenden Tale der La'
na liegt. Der Turm ^n SaM-Michel, d r sich
mit den vier gotischen Ecktürmcken dunkel vom gelblichen Abendhimmel abhob
siel mir sofort in die Augen. Aber jetzt war nicht Zeit zum Schauen! Als
wir unser Gepäck besorgt hatten, siel es uns unangenehm auf. d»ß uns Nie¬
wand erwartete, denn wir bedachten nicht, daß es den Müttern und Schwestern
von der KötrMs nu 8aoi6-e,«ur verboten ist. den Fuß vor die Schwelle des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/715>, abgerufen am 25.08.2024.