Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Sperlinge auf dein Naschmarkt

Von diesem Tage ein den Zinngräber dem Mädchen gegenüber seiner verun¬
glückten Freierei nie mehr Erwähnung und schien, äußerlich wenigstens, so ruhig¬
heiter und gelassen wie früher. Christine dagegen war jetzt häufig verstimmt. Daß
sie von früh bis spät hinter ihren Pfefferkuchen sitzen und auf Käufer warten mußte,
empfand sie plötzlich als einen höchst unangenehmen Zwang, und sie konnte den
Alten nicht begreifen, der ihrer Ansicht nach in seinem langen Leben doch genug
Geld zusammengescharrt haben mußte und gar nicht auf den Gedanken zu kommen
schien, sich für die Paar Jahre, die er noch zu leben hatte, zur Ruhe zu setzen.
Was mochte wohl aus dem Gelde werden, wenn er eines Tages die Augen zu¬
machte? Er hatte nur entfernte Verwandte, Leute, die sich gar nicht um ihn
kümmerten, und an denen ihm selbst auch nicht das geringste lag. Die würden
also das schöne Geld erben. Schade darum!

Vielleicht war es doch recht unklug gewesen, den Antrag des väterlichen
Freundes so kurzerhand abzuweisen. Die Mamsell in der Wollwarenbude hatte
Recht: Jeder muß zusehen, wo er bleibt, und wie er ein Geschäft macht. Wie
lange konnte der Alte denn überhaupt noch leben? Ein Mittel wider den Tod
hatte er nicht, das wußte sie aus seinem eignen Munde, und wenn er auch rüstiger
our als mancher Jüngere, so mußte er doch eines Tages der Natur seinen
Tribut zollen. Und würde es wirklich ein so großes Opfer sein, wenn sie dem
Greise den Rest seiner Erdentage ein wenig versüßte? War es ihm zu verdenken,
wenn er ein Wesen um sich zu haben wünschte, dem er sich mitteilen konnte, das
ihn Pflegte, und dem er aus Dankbarkeit die Schätze hinterlassen konnte, die er
während seiner langen Tätigkeit gesammelt hatte? Je länger Christine darüber
nachsann, desto mehr kam sie zu der Überzeugung, daß sie nicht nur recht töricht
sondern auch herzlos und undankbar gehandelt hatte, als sie dem wackern alten
Herrn einen Korb gab. Nun, Erkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung, und
jede begangne Dummheit läßt sich bei gutem Willen wieder gut machen.

An gutem Willen fehlte es dem Mädchen von jetzt an nicht, Wohl aber an
einer geeigneten Gelegenheit, ihn zu bekunden. Sie sann Tag und Nacht darüber
nach, wie sie dem Alten in unauffälliger Weise den Wandel ihrer Gesinnung kundtun
und glaubwürdig erklären könnte, und war so unausgesetzt mit ihrem Projekt be¬
schäftigt, daß sie ganz darüber vergaß, den gegen ihre Feindin geschmiedeten Rache¬
plan auszuführen. Sie überhäufte Zinngräber mit Aufmerksamkeiten, half ihm, wo
sie konnte, und suchte ihm jede Arbeit abzunehmen. Mehr als einmal wollte sie
ihn mit der Erklärung überrumpeln, daß sie seinen Rat, nur einen ganz alten
Mann zu heiraten, reiflich erwogen und als das non plus ultra aller Weisheit er¬
kannt habe, und daß sie deshalb entschlossen sei, seinen Wünschen Gehör zu geben,
aber immer kam im entscheidenden Augenblick etwas dazwischen. Bald war es ein
Kunde, der für einen guten Groschen Pfefferminzplätzchen verlangte, bald ein
Gassenjunge, der im Vorbeigehn in die Makronenkiste griff, bald rauschte urplötzlich
ein Regenguß hernieder und zwang Christine, die Paradestücke ihrer Auslage in
Sicherheit zu bringen, bald entstand zwischen den Buden ein Auflauf, der das
Interesse des Alten so stark in Anspruch nahm, daß er gar nicht mehr auf seine
junge Nachbarin hörte. In den meisten Fällen jedoch trug Zinngräber selbst die
Schuld, wenn er das, was Christine auf dem Herzen hatte, nicht zu hören bekam,
denn er tat uicht nur nicht das geringste, sie zum Sprechen zu ermutigen, sondern ent¬
schlüpfte ihr gleichsam unter den Händen, sobald er merkte, worauf sie hinaus wollte.

Einmal freilich konnte er ihr doch nicht entwischen. Es war am Abend eines
Regentages, gerade als es zu dämmern begann. Störung war diesmal nicht zu
befürchten, denn auf dem ganzen Naschmarkt ließ sich kein Kauflustiger sehen, und
die schmalen Gassen zwischen den Buden waren so menschenleer wie sonst nur zur


Die Sperlinge auf dein Naschmarkt

Von diesem Tage ein den Zinngräber dem Mädchen gegenüber seiner verun¬
glückten Freierei nie mehr Erwähnung und schien, äußerlich wenigstens, so ruhig¬
heiter und gelassen wie früher. Christine dagegen war jetzt häufig verstimmt. Daß
sie von früh bis spät hinter ihren Pfefferkuchen sitzen und auf Käufer warten mußte,
empfand sie plötzlich als einen höchst unangenehmen Zwang, und sie konnte den
Alten nicht begreifen, der ihrer Ansicht nach in seinem langen Leben doch genug
Geld zusammengescharrt haben mußte und gar nicht auf den Gedanken zu kommen
schien, sich für die Paar Jahre, die er noch zu leben hatte, zur Ruhe zu setzen.
Was mochte wohl aus dem Gelde werden, wenn er eines Tages die Augen zu¬
machte? Er hatte nur entfernte Verwandte, Leute, die sich gar nicht um ihn
kümmerten, und an denen ihm selbst auch nicht das geringste lag. Die würden
also das schöne Geld erben. Schade darum!

Vielleicht war es doch recht unklug gewesen, den Antrag des väterlichen
Freundes so kurzerhand abzuweisen. Die Mamsell in der Wollwarenbude hatte
Recht: Jeder muß zusehen, wo er bleibt, und wie er ein Geschäft macht. Wie
lange konnte der Alte denn überhaupt noch leben? Ein Mittel wider den Tod
hatte er nicht, das wußte sie aus seinem eignen Munde, und wenn er auch rüstiger
our als mancher Jüngere, so mußte er doch eines Tages der Natur seinen
Tribut zollen. Und würde es wirklich ein so großes Opfer sein, wenn sie dem
Greise den Rest seiner Erdentage ein wenig versüßte? War es ihm zu verdenken,
wenn er ein Wesen um sich zu haben wünschte, dem er sich mitteilen konnte, das
ihn Pflegte, und dem er aus Dankbarkeit die Schätze hinterlassen konnte, die er
während seiner langen Tätigkeit gesammelt hatte? Je länger Christine darüber
nachsann, desto mehr kam sie zu der Überzeugung, daß sie nicht nur recht töricht
sondern auch herzlos und undankbar gehandelt hatte, als sie dem wackern alten
Herrn einen Korb gab. Nun, Erkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung, und
jede begangne Dummheit läßt sich bei gutem Willen wieder gut machen.

An gutem Willen fehlte es dem Mädchen von jetzt an nicht, Wohl aber an
einer geeigneten Gelegenheit, ihn zu bekunden. Sie sann Tag und Nacht darüber
nach, wie sie dem Alten in unauffälliger Weise den Wandel ihrer Gesinnung kundtun
und glaubwürdig erklären könnte, und war so unausgesetzt mit ihrem Projekt be¬
schäftigt, daß sie ganz darüber vergaß, den gegen ihre Feindin geschmiedeten Rache¬
plan auszuführen. Sie überhäufte Zinngräber mit Aufmerksamkeiten, half ihm, wo
sie konnte, und suchte ihm jede Arbeit abzunehmen. Mehr als einmal wollte sie
ihn mit der Erklärung überrumpeln, daß sie seinen Rat, nur einen ganz alten
Mann zu heiraten, reiflich erwogen und als das non plus ultra aller Weisheit er¬
kannt habe, und daß sie deshalb entschlossen sei, seinen Wünschen Gehör zu geben,
aber immer kam im entscheidenden Augenblick etwas dazwischen. Bald war es ein
Kunde, der für einen guten Groschen Pfefferminzplätzchen verlangte, bald ein
Gassenjunge, der im Vorbeigehn in die Makronenkiste griff, bald rauschte urplötzlich
ein Regenguß hernieder und zwang Christine, die Paradestücke ihrer Auslage in
Sicherheit zu bringen, bald entstand zwischen den Buden ein Auflauf, der das
Interesse des Alten so stark in Anspruch nahm, daß er gar nicht mehr auf seine
junge Nachbarin hörte. In den meisten Fällen jedoch trug Zinngräber selbst die
Schuld, wenn er das, was Christine auf dem Herzen hatte, nicht zu hören bekam,
denn er tat uicht nur nicht das geringste, sie zum Sprechen zu ermutigen, sondern ent¬
schlüpfte ihr gleichsam unter den Händen, sobald er merkte, worauf sie hinaus wollte.

Einmal freilich konnte er ihr doch nicht entwischen. Es war am Abend eines
Regentages, gerade als es zu dämmern begann. Störung war diesmal nicht zu
befürchten, denn auf dem ganzen Naschmarkt ließ sich kein Kauflustiger sehen, und
die schmalen Gassen zwischen den Buden waren so menschenleer wie sonst nur zur


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0680" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301179"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Sperlinge auf dein Naschmarkt</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2772"> Von diesem Tage ein den Zinngräber dem Mädchen gegenüber seiner verun¬<lb/>
glückten Freierei nie mehr Erwähnung und schien, äußerlich wenigstens, so ruhig¬<lb/>
heiter und gelassen wie früher. Christine dagegen war jetzt häufig verstimmt. Daß<lb/>
sie von früh bis spät hinter ihren Pfefferkuchen sitzen und auf Käufer warten mußte,<lb/>
empfand sie plötzlich als einen höchst unangenehmen Zwang, und sie konnte den<lb/>
Alten nicht begreifen, der ihrer Ansicht nach in seinem langen Leben doch genug<lb/>
Geld zusammengescharrt haben mußte und gar nicht auf den Gedanken zu kommen<lb/>
schien, sich für die Paar Jahre, die er noch zu leben hatte, zur Ruhe zu setzen.<lb/>
Was mochte wohl aus dem Gelde werden, wenn er eines Tages die Augen zu¬<lb/>
machte? Er hatte nur entfernte Verwandte, Leute, die sich gar nicht um ihn<lb/>
kümmerten, und an denen ihm selbst auch nicht das geringste lag. Die würden<lb/>
also das schöne Geld erben.  Schade darum!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2773"> Vielleicht war es doch recht unklug gewesen, den Antrag des väterlichen<lb/>
Freundes so kurzerhand abzuweisen. Die Mamsell in der Wollwarenbude hatte<lb/>
Recht: Jeder muß zusehen, wo er bleibt, und wie er ein Geschäft macht. Wie<lb/>
lange konnte der Alte denn überhaupt noch leben? Ein Mittel wider den Tod<lb/>
hatte er nicht, das wußte sie aus seinem eignen Munde, und wenn er auch rüstiger<lb/>
our als mancher Jüngere, so mußte er doch eines Tages der Natur seinen<lb/>
Tribut zollen. Und würde es wirklich ein so großes Opfer sein, wenn sie dem<lb/>
Greise den Rest seiner Erdentage ein wenig versüßte? War es ihm zu verdenken,<lb/>
wenn er ein Wesen um sich zu haben wünschte, dem er sich mitteilen konnte, das<lb/>
ihn Pflegte, und dem er aus Dankbarkeit die Schätze hinterlassen konnte, die er<lb/>
während seiner langen Tätigkeit gesammelt hatte? Je länger Christine darüber<lb/>
nachsann, desto mehr kam sie zu der Überzeugung, daß sie nicht nur recht töricht<lb/>
sondern auch herzlos und undankbar gehandelt hatte, als sie dem wackern alten<lb/>
Herrn einen Korb gab. Nun, Erkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung, und<lb/>
jede begangne Dummheit läßt sich bei gutem Willen wieder gut machen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2774"> An gutem Willen fehlte es dem Mädchen von jetzt an nicht, Wohl aber an<lb/>
einer geeigneten Gelegenheit, ihn zu bekunden. Sie sann Tag und Nacht darüber<lb/>
nach, wie sie dem Alten in unauffälliger Weise den Wandel ihrer Gesinnung kundtun<lb/>
und glaubwürdig erklären könnte, und war so unausgesetzt mit ihrem Projekt be¬<lb/>
schäftigt, daß sie ganz darüber vergaß, den gegen ihre Feindin geschmiedeten Rache¬<lb/>
plan auszuführen. Sie überhäufte Zinngräber mit Aufmerksamkeiten, half ihm, wo<lb/>
sie konnte, und suchte ihm jede Arbeit abzunehmen. Mehr als einmal wollte sie<lb/>
ihn mit der Erklärung überrumpeln, daß sie seinen Rat, nur einen ganz alten<lb/>
Mann zu heiraten, reiflich erwogen und als das non plus ultra aller Weisheit er¬<lb/>
kannt habe, und daß sie deshalb entschlossen sei, seinen Wünschen Gehör zu geben,<lb/>
aber immer kam im entscheidenden Augenblick etwas dazwischen. Bald war es ein<lb/>
Kunde, der für einen guten Groschen Pfefferminzplätzchen verlangte, bald ein<lb/>
Gassenjunge, der im Vorbeigehn in die Makronenkiste griff, bald rauschte urplötzlich<lb/>
ein Regenguß hernieder und zwang Christine, die Paradestücke ihrer Auslage in<lb/>
Sicherheit zu bringen, bald entstand zwischen den Buden ein Auflauf, der das<lb/>
Interesse des Alten so stark in Anspruch nahm, daß er gar nicht mehr auf seine<lb/>
junge Nachbarin hörte. In den meisten Fällen jedoch trug Zinngräber selbst die<lb/>
Schuld, wenn er das, was Christine auf dem Herzen hatte, nicht zu hören bekam,<lb/>
denn er tat uicht nur nicht das geringste, sie zum Sprechen zu ermutigen, sondern ent¬<lb/>
schlüpfte ihr gleichsam unter den Händen, sobald er merkte, worauf sie hinaus wollte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2775" next="#ID_2776"> Einmal freilich konnte er ihr doch nicht entwischen. Es war am Abend eines<lb/>
Regentages, gerade als es zu dämmern begann. Störung war diesmal nicht zu<lb/>
befürchten, denn auf dem ganzen Naschmarkt ließ sich kein Kauflustiger sehen, und<lb/>
die schmalen Gassen zwischen den Buden waren so menschenleer wie sonst nur zur</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0680] Die Sperlinge auf dein Naschmarkt Von diesem Tage ein den Zinngräber dem Mädchen gegenüber seiner verun¬ glückten Freierei nie mehr Erwähnung und schien, äußerlich wenigstens, so ruhig¬ heiter und gelassen wie früher. Christine dagegen war jetzt häufig verstimmt. Daß sie von früh bis spät hinter ihren Pfefferkuchen sitzen und auf Käufer warten mußte, empfand sie plötzlich als einen höchst unangenehmen Zwang, und sie konnte den Alten nicht begreifen, der ihrer Ansicht nach in seinem langen Leben doch genug Geld zusammengescharrt haben mußte und gar nicht auf den Gedanken zu kommen schien, sich für die Paar Jahre, die er noch zu leben hatte, zur Ruhe zu setzen. Was mochte wohl aus dem Gelde werden, wenn er eines Tages die Augen zu¬ machte? Er hatte nur entfernte Verwandte, Leute, die sich gar nicht um ihn kümmerten, und an denen ihm selbst auch nicht das geringste lag. Die würden also das schöne Geld erben. Schade darum! Vielleicht war es doch recht unklug gewesen, den Antrag des väterlichen Freundes so kurzerhand abzuweisen. Die Mamsell in der Wollwarenbude hatte Recht: Jeder muß zusehen, wo er bleibt, und wie er ein Geschäft macht. Wie lange konnte der Alte denn überhaupt noch leben? Ein Mittel wider den Tod hatte er nicht, das wußte sie aus seinem eignen Munde, und wenn er auch rüstiger our als mancher Jüngere, so mußte er doch eines Tages der Natur seinen Tribut zollen. Und würde es wirklich ein so großes Opfer sein, wenn sie dem Greise den Rest seiner Erdentage ein wenig versüßte? War es ihm zu verdenken, wenn er ein Wesen um sich zu haben wünschte, dem er sich mitteilen konnte, das ihn Pflegte, und dem er aus Dankbarkeit die Schätze hinterlassen konnte, die er während seiner langen Tätigkeit gesammelt hatte? Je länger Christine darüber nachsann, desto mehr kam sie zu der Überzeugung, daß sie nicht nur recht töricht sondern auch herzlos und undankbar gehandelt hatte, als sie dem wackern alten Herrn einen Korb gab. Nun, Erkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung, und jede begangne Dummheit läßt sich bei gutem Willen wieder gut machen. An gutem Willen fehlte es dem Mädchen von jetzt an nicht, Wohl aber an einer geeigneten Gelegenheit, ihn zu bekunden. Sie sann Tag und Nacht darüber nach, wie sie dem Alten in unauffälliger Weise den Wandel ihrer Gesinnung kundtun und glaubwürdig erklären könnte, und war so unausgesetzt mit ihrem Projekt be¬ schäftigt, daß sie ganz darüber vergaß, den gegen ihre Feindin geschmiedeten Rache¬ plan auszuführen. Sie überhäufte Zinngräber mit Aufmerksamkeiten, half ihm, wo sie konnte, und suchte ihm jede Arbeit abzunehmen. Mehr als einmal wollte sie ihn mit der Erklärung überrumpeln, daß sie seinen Rat, nur einen ganz alten Mann zu heiraten, reiflich erwogen und als das non plus ultra aller Weisheit er¬ kannt habe, und daß sie deshalb entschlossen sei, seinen Wünschen Gehör zu geben, aber immer kam im entscheidenden Augenblick etwas dazwischen. Bald war es ein Kunde, der für einen guten Groschen Pfefferminzplätzchen verlangte, bald ein Gassenjunge, der im Vorbeigehn in die Makronenkiste griff, bald rauschte urplötzlich ein Regenguß hernieder und zwang Christine, die Paradestücke ihrer Auslage in Sicherheit zu bringen, bald entstand zwischen den Buden ein Auflauf, der das Interesse des Alten so stark in Anspruch nahm, daß er gar nicht mehr auf seine junge Nachbarin hörte. In den meisten Fällen jedoch trug Zinngräber selbst die Schuld, wenn er das, was Christine auf dem Herzen hatte, nicht zu hören bekam, denn er tat uicht nur nicht das geringste, sie zum Sprechen zu ermutigen, sondern ent¬ schlüpfte ihr gleichsam unter den Händen, sobald er merkte, worauf sie hinaus wollte. Einmal freilich konnte er ihr doch nicht entwischen. Es war am Abend eines Regentages, gerade als es zu dämmern begann. Störung war diesmal nicht zu befürchten, denn auf dem ganzen Naschmarkt ließ sich kein Kauflustiger sehen, und die schmalen Gassen zwischen den Buden waren so menschenleer wie sonst nur zur

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/680
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/680>, abgerufen am 23.07.2024.