Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.Aschabad und Umgegend auf einem freien, mit Parkanlagen ausgestatteten Platze gegenüber den Resten Aschabads Bevölkerung betrug im Jahre 1901 außer 8690 Soldaten 14245 So wenigstens äußerte sich ein fortgeschritten liberaler Negierungsarzt, Ist inzwischen zur Verfügung des Kriegsministers gestellt worden. Grenzboten IV 1906 85
Aschabad und Umgegend auf einem freien, mit Parkanlagen ausgestatteten Platze gegenüber den Resten Aschabads Bevölkerung betrug im Jahre 1901 außer 8690 Soldaten 14245 So wenigstens äußerte sich ein fortgeschritten liberaler Negierungsarzt, Ist inzwischen zur Verfügung des Kriegsministers gestellt worden. Grenzboten IV 1906 85
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0667" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301166"/> <fw type="header" place="top"> Aschabad und Umgegend</fw><lb/> <p xml:id="ID_2693" prev="#ID_2692"> auf einem freien, mit Parkanlagen ausgestatteten Platze gegenüber den Resten<lb/> einer alten Tekinzenfestung könnte ziemlich weitgehenden Ansprüchen genügen,<lb/> vermag aber die nicht ganz unberechtigte Sehnsucht seiner Bewohner nach dem<lb/> Treiben der Residenz nicht zu stillen. Die Wohnung des Stabschefs, das<lb/> klassische Progymnasium, das Frauengymnasium, das Offizier- und das Zivil¬<lb/> kasino, sie alle stellen den Erfolgen der russischen Kolonisation in Zentralasien<lb/> co. gutes Zeugnis aus. Sonst freilich kommt die Architektur zu kurz: die<lb/> Privathäuser sind allermeist lange, niedrige hellgetünchte Kasten mit flachen,<lb/> aus einem Gemisch von Lehm, Sand, Häcksel und Naphthcierde hergestellte»<lb/> Dächern, die gegen die geringen Niederschlagsmengen widerstandsfähig genug<lb/> sind und als schlechte Wärmeleiter gegen die Sonnenbestrahlung wirksam schützen.<lb/> Während die Häuser der Europäer uach dem Garten zu mit mächtig breiten,<lb/> als Korridore dienenden Veranden versehen sind und hier bei Abend etwas<lb/> Kühlung bieten, muß sich ein Teil des nächtlichen Lebens der Eingebornen<lb/> auf diesen Dächern abspielen. Fast alle, öffentliche wie private Gebäude sind<lb/> einstöckig, weil sich die Tätigkeit der unterirdischen Gewalten manchmal sehr<lb/> energisch in starken Bodenschwankungen äußert. Die persische Stadt Kutschen,<lb/> die nur 150 Kilometer von Aschabad entfernt am Sttdhang des Kopet-Dagh<lb/> l^ge, wurde 1893 durch ein Erdbeben völlig zerstört; es machte sich auch hier<lb/> bemerkbar, sodaß, wie mau erzählt, das Wasser in den Arhks hoch aufspritzte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2694"> Aschabads Bevölkerung betrug im Jahre 1901 außer 8690 Soldaten 14245<lb/> Menschen, darunter 6150 Russen. 4160 Perser, 2100 Armenier, 720 Tataren<lb/> und Lesghinen, 379 Polen, 138 Deutsche, 9 Franzosen und von Eingebornen nur<lb/> 195 Tekinzen, 185 Chiwinzen, 75Bucharzen, sodann 80 Juden und 14 Griechen.<lb/> Die Armenier gelten als die unbeliebteste und unruhigste Masse, und von ihnen<lb/> ^ersah man sich, wie erwähnt, nichts gutes. Mancher Offizier führte eine gute<lb/> ^wwningpistole als unzertrennlichen Begleiter mit sich. Noch erfreuten sich die<lb/> -Behörden der nötigen Autorität. Durch die Verteidigung des Generals Kowaljeff,<lb/> ^ einen Militärarzt hatte durchprügeln lassen und zu milde bestraft schien<lb/> 7^ er hat sich inzwischen, durch Zeitungspolemik zu Tode gehetzt, erschossen —,<lb/> hatte sich aber der Gebietschef einigermaßen geschadet.*)</p><lb/> <p xml:id="ID_2695" next="#ID_2696"> So wenigstens äußerte sich ein fortgeschritten liberaler Negierungsarzt,<lb/> dessen Bekanntschaft wir bei unsrer Abreise im Eisenbahnwagen machten,<lb/> und der uns viele schützenswerte Aufschlüsse über Stimmung und Ansichten,<lb/> über die örtlichen und allgemein verbreiteten Sympathien für eine aktivere<lb/> Politik in Persien und gegen Afghanistan gab. Seine Erklärungen über die<lb/> mancherlei Neste alter Kultur bei Armen, Kaakcha, über die Anis. Ansied-<lb/> lungen und Städte kürzten die nächste zwölfstündige Fahrt durch die Adel- und<lb/> Tedshen-Oase und die Wüstenstrecke bis Merw. Übrigens entbehrt diese Strecke,<lb/> wenigstens bis Duschak, keineswegs landschaftlichen Reizes. Bis hier, wo die</p><lb/> <note xml:id="FID_58" place="foot"> Ist inzwischen zur Verfügung des Kriegsministers gestellt worden.</note><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1906 85</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0667]
Aschabad und Umgegend
auf einem freien, mit Parkanlagen ausgestatteten Platze gegenüber den Resten
einer alten Tekinzenfestung könnte ziemlich weitgehenden Ansprüchen genügen,
vermag aber die nicht ganz unberechtigte Sehnsucht seiner Bewohner nach dem
Treiben der Residenz nicht zu stillen. Die Wohnung des Stabschefs, das
klassische Progymnasium, das Frauengymnasium, das Offizier- und das Zivil¬
kasino, sie alle stellen den Erfolgen der russischen Kolonisation in Zentralasien
co. gutes Zeugnis aus. Sonst freilich kommt die Architektur zu kurz: die
Privathäuser sind allermeist lange, niedrige hellgetünchte Kasten mit flachen,
aus einem Gemisch von Lehm, Sand, Häcksel und Naphthcierde hergestellte»
Dächern, die gegen die geringen Niederschlagsmengen widerstandsfähig genug
sind und als schlechte Wärmeleiter gegen die Sonnenbestrahlung wirksam schützen.
Während die Häuser der Europäer uach dem Garten zu mit mächtig breiten,
als Korridore dienenden Veranden versehen sind und hier bei Abend etwas
Kühlung bieten, muß sich ein Teil des nächtlichen Lebens der Eingebornen
auf diesen Dächern abspielen. Fast alle, öffentliche wie private Gebäude sind
einstöckig, weil sich die Tätigkeit der unterirdischen Gewalten manchmal sehr
energisch in starken Bodenschwankungen äußert. Die persische Stadt Kutschen,
die nur 150 Kilometer von Aschabad entfernt am Sttdhang des Kopet-Dagh
l^ge, wurde 1893 durch ein Erdbeben völlig zerstört; es machte sich auch hier
bemerkbar, sodaß, wie mau erzählt, das Wasser in den Arhks hoch aufspritzte.
Aschabads Bevölkerung betrug im Jahre 1901 außer 8690 Soldaten 14245
Menschen, darunter 6150 Russen. 4160 Perser, 2100 Armenier, 720 Tataren
und Lesghinen, 379 Polen, 138 Deutsche, 9 Franzosen und von Eingebornen nur
195 Tekinzen, 185 Chiwinzen, 75Bucharzen, sodann 80 Juden und 14 Griechen.
Die Armenier gelten als die unbeliebteste und unruhigste Masse, und von ihnen
^ersah man sich, wie erwähnt, nichts gutes. Mancher Offizier führte eine gute
^wwningpistole als unzertrennlichen Begleiter mit sich. Noch erfreuten sich die
-Behörden der nötigen Autorität. Durch die Verteidigung des Generals Kowaljeff,
^ einen Militärarzt hatte durchprügeln lassen und zu milde bestraft schien
7^ er hat sich inzwischen, durch Zeitungspolemik zu Tode gehetzt, erschossen —,
hatte sich aber der Gebietschef einigermaßen geschadet.*)
So wenigstens äußerte sich ein fortgeschritten liberaler Negierungsarzt,
dessen Bekanntschaft wir bei unsrer Abreise im Eisenbahnwagen machten,
und der uns viele schützenswerte Aufschlüsse über Stimmung und Ansichten,
über die örtlichen und allgemein verbreiteten Sympathien für eine aktivere
Politik in Persien und gegen Afghanistan gab. Seine Erklärungen über die
mancherlei Neste alter Kultur bei Armen, Kaakcha, über die Anis. Ansied-
lungen und Städte kürzten die nächste zwölfstündige Fahrt durch die Adel- und
Tedshen-Oase und die Wüstenstrecke bis Merw. Übrigens entbehrt diese Strecke,
wenigstens bis Duschak, keineswegs landschaftlichen Reizes. Bis hier, wo die
Ist inzwischen zur Verfügung des Kriegsministers gestellt worden.
Grenzboten IV 1906 85
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |