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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Aschabad und Umgegend

beleben und ihren Bewohnern unter grünem Blätterdach Erholung zu schaffen.
Übrigens sind auch die Ränder der Straßen selbst mit hochstämmigen Platanen,
Akazien und einheimischen breitwipfligen Pappeln bepflanzt und werden in der
Fahrbahn durch ziemlich tiefe, Wasser führende Gräben -- Aryks -- begrenzt.
Die Fahrbahnen sind größtenteils "Haussiert und meist endlos breit. Auch das
ist typisch für die russischen Teile aller asiatischen Städte. Möglich war es,
solche Straßen anzulegen, weil der Grund und Boden nichts oder wenig kostete,
erwünscht schien es, weil zur Zeit der Entwicklung dieser Stadtteile die Bevöl¬
kerung noch keineswegs befriedet war und etwaige Aufstände und Straßenkampfe
auf breitem Raum leichter zu bewältigen sind als zum Beispiel in den engen,
winkligen Eingebornenvierteln. Aber nachteilig ist die Raumverschwendung, weil
bei der Unsicherheit und Geringfügigkeit der städtischen Einnahmen keine Stadt¬
verwaltung in der Lage ist, die Kosten der Anlage und Erhaltung der Bürger¬
steige, der Pflasterung oder auch nur der Chaussierung sowie der Beleuchtung dieser
Straßen aufzubringen. Die Folge ist meist im Frühjahr ein grundloser, zähe
haftender Schmutzbrei auf der Fahrbahn oder wie in der niederschlagsarmen
transkaspischen Landschaft ein entsetzlicher Staub, der alles durchdringt, alles
bedeckt und die sorgfältigsten Gartenanlagen ungenießbar macht, wenn sich die
häufig auftretenden ungebündigten Wüstenwinde aufmachen. Auch regelmüßige
und sorgfältige Sprengung der Straßen hilft nichts, und nur die reichliche
Wafserzufuhr durch die Aryks ermöglicht der Vegetation den Widerstand gegen
die mit hoch gesteigerter Sommertemperatur gepaarte Staubplage. Die Wasser¬
versorgung ist überall eine der Hauptaufgaben der städtischen Verwaltung. Hier
ist diese Frage durch eine Kanalisation gelöst worden, die aus einem oberirdischen
Netz von Hauptkanälen und Bewässerungsgräben mit den nötigen Schleusen und
einer unterirdischen, Trinkwasser zuführenden -- Kerls- -- Leitung kombiniert
ist und durch fließendes Wasser und durch Quellwasser gespeist wird. Eine
gut eingespielte Verwaltung wacht über der richtigen Verteilung, Zuführung
und Verwendung des Wassers, steift sich aber auch gegen eine andre Regu¬
lierung, wie sie die gerade im vorigen Frühjahr von der Eisenbahndirektion
und vom Artilleriepark beantragte Bewässerung einer neuen Flüche von zwölf
Hektar nötig gemacht haben würde. Die Erhaltung des Gartenschmuckes der
Stadt würde dadurch in Frage gestellt. Der Umstand, daß Aschabad die geringste
Zahl von Malariaerkrankungen, die sonst in Zentralasien ziemlich häufig sind,
aufweist, spricht jedenfalls für die Güte der Wafferzufuhr. Trotz alledem soll der
Aufenthalt im Sommer kaum erträglich sein und Alles nach dem herrlichen, leider
nur zu kurzen Frühjahre mit seiner Blätter- und Blütenpracht hinaustreiben in
die Kühle der nahen Berge, in die schon genannte Sommerfrische Firjusa.

Für die russische Militär- und Beamtenaristokratie ist durch schloßartige
Gebäude inmitten von gepflegten Parks viel getan. Da füllt zum Beispiel das
in maurischen Stil gehaltne Haus der Eisenbahnverwaltung an der Annenkoff-
ftraße durch seine vornehme Bauart auf. Auch das Schloß des Gebietschefs


Aschabad und Umgegend

beleben und ihren Bewohnern unter grünem Blätterdach Erholung zu schaffen.
Übrigens sind auch die Ränder der Straßen selbst mit hochstämmigen Platanen,
Akazien und einheimischen breitwipfligen Pappeln bepflanzt und werden in der
Fahrbahn durch ziemlich tiefe, Wasser führende Gräben — Aryks — begrenzt.
Die Fahrbahnen sind größtenteils «Haussiert und meist endlos breit. Auch das
ist typisch für die russischen Teile aller asiatischen Städte. Möglich war es,
solche Straßen anzulegen, weil der Grund und Boden nichts oder wenig kostete,
erwünscht schien es, weil zur Zeit der Entwicklung dieser Stadtteile die Bevöl¬
kerung noch keineswegs befriedet war und etwaige Aufstände und Straßenkampfe
auf breitem Raum leichter zu bewältigen sind als zum Beispiel in den engen,
winkligen Eingebornenvierteln. Aber nachteilig ist die Raumverschwendung, weil
bei der Unsicherheit und Geringfügigkeit der städtischen Einnahmen keine Stadt¬
verwaltung in der Lage ist, die Kosten der Anlage und Erhaltung der Bürger¬
steige, der Pflasterung oder auch nur der Chaussierung sowie der Beleuchtung dieser
Straßen aufzubringen. Die Folge ist meist im Frühjahr ein grundloser, zähe
haftender Schmutzbrei auf der Fahrbahn oder wie in der niederschlagsarmen
transkaspischen Landschaft ein entsetzlicher Staub, der alles durchdringt, alles
bedeckt und die sorgfältigsten Gartenanlagen ungenießbar macht, wenn sich die
häufig auftretenden ungebündigten Wüstenwinde aufmachen. Auch regelmüßige
und sorgfältige Sprengung der Straßen hilft nichts, und nur die reichliche
Wafserzufuhr durch die Aryks ermöglicht der Vegetation den Widerstand gegen
die mit hoch gesteigerter Sommertemperatur gepaarte Staubplage. Die Wasser¬
versorgung ist überall eine der Hauptaufgaben der städtischen Verwaltung. Hier
ist diese Frage durch eine Kanalisation gelöst worden, die aus einem oberirdischen
Netz von Hauptkanälen und Bewässerungsgräben mit den nötigen Schleusen und
einer unterirdischen, Trinkwasser zuführenden — Kerls- — Leitung kombiniert
ist und durch fließendes Wasser und durch Quellwasser gespeist wird. Eine
gut eingespielte Verwaltung wacht über der richtigen Verteilung, Zuführung
und Verwendung des Wassers, steift sich aber auch gegen eine andre Regu¬
lierung, wie sie die gerade im vorigen Frühjahr von der Eisenbahndirektion
und vom Artilleriepark beantragte Bewässerung einer neuen Flüche von zwölf
Hektar nötig gemacht haben würde. Die Erhaltung des Gartenschmuckes der
Stadt würde dadurch in Frage gestellt. Der Umstand, daß Aschabad die geringste
Zahl von Malariaerkrankungen, die sonst in Zentralasien ziemlich häufig sind,
aufweist, spricht jedenfalls für die Güte der Wafferzufuhr. Trotz alledem soll der
Aufenthalt im Sommer kaum erträglich sein und Alles nach dem herrlichen, leider
nur zu kurzen Frühjahre mit seiner Blätter- und Blütenpracht hinaustreiben in
die Kühle der nahen Berge, in die schon genannte Sommerfrische Firjusa.

Für die russische Militär- und Beamtenaristokratie ist durch schloßartige
Gebäude inmitten von gepflegten Parks viel getan. Da füllt zum Beispiel das
in maurischen Stil gehaltne Haus der Eisenbahnverwaltung an der Annenkoff-
ftraße durch seine vornehme Bauart auf. Auch das Schloß des Gebietschefs


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[0666] Aschabad und Umgegend beleben und ihren Bewohnern unter grünem Blätterdach Erholung zu schaffen. Übrigens sind auch die Ränder der Straßen selbst mit hochstämmigen Platanen, Akazien und einheimischen breitwipfligen Pappeln bepflanzt und werden in der Fahrbahn durch ziemlich tiefe, Wasser führende Gräben — Aryks — begrenzt. Die Fahrbahnen sind größtenteils «Haussiert und meist endlos breit. Auch das ist typisch für die russischen Teile aller asiatischen Städte. Möglich war es, solche Straßen anzulegen, weil der Grund und Boden nichts oder wenig kostete, erwünscht schien es, weil zur Zeit der Entwicklung dieser Stadtteile die Bevöl¬ kerung noch keineswegs befriedet war und etwaige Aufstände und Straßenkampfe auf breitem Raum leichter zu bewältigen sind als zum Beispiel in den engen, winkligen Eingebornenvierteln. Aber nachteilig ist die Raumverschwendung, weil bei der Unsicherheit und Geringfügigkeit der städtischen Einnahmen keine Stadt¬ verwaltung in der Lage ist, die Kosten der Anlage und Erhaltung der Bürger¬ steige, der Pflasterung oder auch nur der Chaussierung sowie der Beleuchtung dieser Straßen aufzubringen. Die Folge ist meist im Frühjahr ein grundloser, zähe haftender Schmutzbrei auf der Fahrbahn oder wie in der niederschlagsarmen transkaspischen Landschaft ein entsetzlicher Staub, der alles durchdringt, alles bedeckt und die sorgfältigsten Gartenanlagen ungenießbar macht, wenn sich die häufig auftretenden ungebündigten Wüstenwinde aufmachen. Auch regelmüßige und sorgfältige Sprengung der Straßen hilft nichts, und nur die reichliche Wafserzufuhr durch die Aryks ermöglicht der Vegetation den Widerstand gegen die mit hoch gesteigerter Sommertemperatur gepaarte Staubplage. Die Wasser¬ versorgung ist überall eine der Hauptaufgaben der städtischen Verwaltung. Hier ist diese Frage durch eine Kanalisation gelöst worden, die aus einem oberirdischen Netz von Hauptkanälen und Bewässerungsgräben mit den nötigen Schleusen und einer unterirdischen, Trinkwasser zuführenden — Kerls- — Leitung kombiniert ist und durch fließendes Wasser und durch Quellwasser gespeist wird. Eine gut eingespielte Verwaltung wacht über der richtigen Verteilung, Zuführung und Verwendung des Wassers, steift sich aber auch gegen eine andre Regu¬ lierung, wie sie die gerade im vorigen Frühjahr von der Eisenbahndirektion und vom Artilleriepark beantragte Bewässerung einer neuen Flüche von zwölf Hektar nötig gemacht haben würde. Die Erhaltung des Gartenschmuckes der Stadt würde dadurch in Frage gestellt. Der Umstand, daß Aschabad die geringste Zahl von Malariaerkrankungen, die sonst in Zentralasien ziemlich häufig sind, aufweist, spricht jedenfalls für die Güte der Wafferzufuhr. Trotz alledem soll der Aufenthalt im Sommer kaum erträglich sein und Alles nach dem herrlichen, leider nur zu kurzen Frühjahre mit seiner Blätter- und Blütenpracht hinaustreiben in die Kühle der nahen Berge, in die schon genannte Sommerfrische Firjusa. Für die russische Militär- und Beamtenaristokratie ist durch schloßartige Gebäude inmitten von gepflegten Parks viel getan. Da füllt zum Beispiel das in maurischen Stil gehaltne Haus der Eisenbahnverwaltung an der Annenkoff- ftraße durch seine vornehme Bauart auf. Auch das Schloß des Gebietschefs

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/666>, abgerufen am 25.08.2024.