Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Unebenbürtige Fürstenehen in frühern Jahrhunderten

Überhaupt haben von diesen vielen ungleichen Ehen für die cmhaltinische
Geschichte und für die allgemeine Genealogie nur drei Bedeutung gehabt.
Anneliese ist die Stammmutter der jetzigen Herzöge, und da ihr zweiter Sohn,
der Nachfolger seines Vaters, sich mit der gleichnamigen Enkelin der Gisela
Agnes von Rathen vermählte, lebt auch deren Nachkommenschaft im Dessauer
Hause fort. Ebenso kamen auch die Söhne des Fräuleins von Zeutsch, nach¬
dem die Hauptlinie ausgestorben war, in Zerbst zur Regierung. Die einzige
Tochter des Fürsten Christian August, Sophie Auguste, vom Vater Fiekchen
genannt, bestieg als Katharina die Zweite den russischen Kaiserthron.

Wenn Katharina ein einfaches adliches Fräulein zur Großmutter hatte,
so konnte sich ihr Gemahl, der unglückliche Zar Peter der Dritte, noch viel
weniger seiner großmütterlichen Herkunft rühmen. Denn seine Mutter, Anna
Petrowna, war eine Tochter der ersten Katharina, der schwedischen Unter¬
offiziersfrau, die bei der Eroberung des Städtchens Marienburg als schönste
Beute dem russischen General Scheremetjew in die Hände fiel, ihm aber bald
von dem mächtigern Menschikow entrissen wurde, bis Peter der Große selbst
an ihr so viel Gefallen fand, daß er sie erst zu seiner Geliebten, dann zu
seiner Gemahlin machte und endlich sogar als Kaiserin krönen ließ. Der
Herzog Karl Friedrich von Holstein-Gottorp hatte sich um die Zarentochter
beworben, weil er von dem mächtigen Rußland Schutz gegen das übermütige
Dänemark erhoffte. Die glänzende Stellung des Vaters glich wohl in
seinen Augen die etwas zweifelhafte Vergangenheit der Mutter aus. Sonst
ist gerade dieser gottorpische Zweig des alten Oldenburger Grafenhauses, der
heute noch in Oldenburg und in Rußland regiert und von 1751 bis 1818 auch
über Schweden herrschte, in seinen Heiratsverbindungen auch damals, als er
noch nicht zu so hohen Ehren emporgestiegen war, immer recht anspruchsvoll
gewesen. Unter den Stammesmüttern sind zwei dünische Königstöchter, eine
schwedische, eine hessische und eine kursächsische Prinzessin vertreten. Nicht
dasselbe kann man von den zahlreichen Nebenlinien sagen, in die sich die von
dem Sohne König Christians des Dritten gestiftete Linie Schleswig-Holstein-
Sonderburg wieder gespalten hat. Heute sind davon nur die Glücksburger,
jetzt Könige von Dänemark, und die Augusteuburger übrig geblieben. Die
Augustenburger waren nicht wie die Gottorper regierende Landesherren und
hatten bis zum Anfang des vorigen Jahrhunderts nur wenig Fühlung mit
Deutschland. Daher erklärt es sich auch wohl, daß Herzog Christian August
die Gräfin Luise von Dcmeskiöld-Samson heiraten konnte, obwohl deren Vater
ein natürlicher Sohn des dänischen Königs Christian des Fünften gewesen
war. Die Stammesvettern fühlten sich nicht veranlaßt, dagegen Einspruch zu
erheben; sind doch in diesen Nebenlinien im Verlaufe von etwa hundertfünfzig
Jahren nicht weniger als zwanzig Heiraten mit Damen aus dem niedern
Adel vorgekommen. Auch der Großvater unsrer Kaiserin, der von 1848 her
bekannte Augustenburger, hatte eine Gräfin Samson-Daneskiöld zur Frau.


Unebenbürtige Fürstenehen in frühern Jahrhunderten

Überhaupt haben von diesen vielen ungleichen Ehen für die cmhaltinische
Geschichte und für die allgemeine Genealogie nur drei Bedeutung gehabt.
Anneliese ist die Stammmutter der jetzigen Herzöge, und da ihr zweiter Sohn,
der Nachfolger seines Vaters, sich mit der gleichnamigen Enkelin der Gisela
Agnes von Rathen vermählte, lebt auch deren Nachkommenschaft im Dessauer
Hause fort. Ebenso kamen auch die Söhne des Fräuleins von Zeutsch, nach¬
dem die Hauptlinie ausgestorben war, in Zerbst zur Regierung. Die einzige
Tochter des Fürsten Christian August, Sophie Auguste, vom Vater Fiekchen
genannt, bestieg als Katharina die Zweite den russischen Kaiserthron.

Wenn Katharina ein einfaches adliches Fräulein zur Großmutter hatte,
so konnte sich ihr Gemahl, der unglückliche Zar Peter der Dritte, noch viel
weniger seiner großmütterlichen Herkunft rühmen. Denn seine Mutter, Anna
Petrowna, war eine Tochter der ersten Katharina, der schwedischen Unter¬
offiziersfrau, die bei der Eroberung des Städtchens Marienburg als schönste
Beute dem russischen General Scheremetjew in die Hände fiel, ihm aber bald
von dem mächtigern Menschikow entrissen wurde, bis Peter der Große selbst
an ihr so viel Gefallen fand, daß er sie erst zu seiner Geliebten, dann zu
seiner Gemahlin machte und endlich sogar als Kaiserin krönen ließ. Der
Herzog Karl Friedrich von Holstein-Gottorp hatte sich um die Zarentochter
beworben, weil er von dem mächtigen Rußland Schutz gegen das übermütige
Dänemark erhoffte. Die glänzende Stellung des Vaters glich wohl in
seinen Augen die etwas zweifelhafte Vergangenheit der Mutter aus. Sonst
ist gerade dieser gottorpische Zweig des alten Oldenburger Grafenhauses, der
heute noch in Oldenburg und in Rußland regiert und von 1751 bis 1818 auch
über Schweden herrschte, in seinen Heiratsverbindungen auch damals, als er
noch nicht zu so hohen Ehren emporgestiegen war, immer recht anspruchsvoll
gewesen. Unter den Stammesmüttern sind zwei dünische Königstöchter, eine
schwedische, eine hessische und eine kursächsische Prinzessin vertreten. Nicht
dasselbe kann man von den zahlreichen Nebenlinien sagen, in die sich die von
dem Sohne König Christians des Dritten gestiftete Linie Schleswig-Holstein-
Sonderburg wieder gespalten hat. Heute sind davon nur die Glücksburger,
jetzt Könige von Dänemark, und die Augusteuburger übrig geblieben. Die
Augustenburger waren nicht wie die Gottorper regierende Landesherren und
hatten bis zum Anfang des vorigen Jahrhunderts nur wenig Fühlung mit
Deutschland. Daher erklärt es sich auch wohl, daß Herzog Christian August
die Gräfin Luise von Dcmeskiöld-Samson heiraten konnte, obwohl deren Vater
ein natürlicher Sohn des dänischen Königs Christian des Fünften gewesen
war. Die Stammesvettern fühlten sich nicht veranlaßt, dagegen Einspruch zu
erheben; sind doch in diesen Nebenlinien im Verlaufe von etwa hundertfünfzig
Jahren nicht weniger als zwanzig Heiraten mit Damen aus dem niedern
Adel vorgekommen. Auch der Großvater unsrer Kaiserin, der von 1848 her
bekannte Augustenburger, hatte eine Gräfin Samson-Daneskiöld zur Frau.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0652" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301151"/>
          <fw type="header" place="top"> Unebenbürtige Fürstenehen in frühern Jahrhunderten</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2646"> Überhaupt haben von diesen vielen ungleichen Ehen für die cmhaltinische<lb/>
Geschichte und für die allgemeine Genealogie nur drei Bedeutung gehabt.<lb/>
Anneliese ist die Stammmutter der jetzigen Herzöge, und da ihr zweiter Sohn,<lb/>
der Nachfolger seines Vaters, sich mit der gleichnamigen Enkelin der Gisela<lb/>
Agnes von Rathen vermählte, lebt auch deren Nachkommenschaft im Dessauer<lb/>
Hause fort. Ebenso kamen auch die Söhne des Fräuleins von Zeutsch, nach¬<lb/>
dem die Hauptlinie ausgestorben war, in Zerbst zur Regierung. Die einzige<lb/>
Tochter des Fürsten Christian August, Sophie Auguste, vom Vater Fiekchen<lb/>
genannt, bestieg als Katharina die Zweite den russischen Kaiserthron.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2647" next="#ID_2648"> Wenn Katharina ein einfaches adliches Fräulein zur Großmutter hatte,<lb/>
so konnte sich ihr Gemahl, der unglückliche Zar Peter der Dritte, noch viel<lb/>
weniger seiner großmütterlichen Herkunft rühmen. Denn seine Mutter, Anna<lb/>
Petrowna, war eine Tochter der ersten Katharina, der schwedischen Unter¬<lb/>
offiziersfrau, die bei der Eroberung des Städtchens Marienburg als schönste<lb/>
Beute dem russischen General Scheremetjew in die Hände fiel, ihm aber bald<lb/>
von dem mächtigern Menschikow entrissen wurde, bis Peter der Große selbst<lb/>
an ihr so viel Gefallen fand, daß er sie erst zu seiner Geliebten, dann zu<lb/>
seiner Gemahlin machte und endlich sogar als Kaiserin krönen ließ. Der<lb/>
Herzog Karl Friedrich von Holstein-Gottorp hatte sich um die Zarentochter<lb/>
beworben, weil er von dem mächtigen Rußland Schutz gegen das übermütige<lb/>
Dänemark erhoffte. Die glänzende Stellung des Vaters glich wohl in<lb/>
seinen Augen die etwas zweifelhafte Vergangenheit der Mutter aus. Sonst<lb/>
ist gerade dieser gottorpische Zweig des alten Oldenburger Grafenhauses, der<lb/>
heute noch in Oldenburg und in Rußland regiert und von 1751 bis 1818 auch<lb/>
über Schweden herrschte, in seinen Heiratsverbindungen auch damals, als er<lb/>
noch nicht zu so hohen Ehren emporgestiegen war, immer recht anspruchsvoll<lb/>
gewesen. Unter den Stammesmüttern sind zwei dünische Königstöchter, eine<lb/>
schwedische, eine hessische und eine kursächsische Prinzessin vertreten. Nicht<lb/>
dasselbe kann man von den zahlreichen Nebenlinien sagen, in die sich die von<lb/>
dem Sohne König Christians des Dritten gestiftete Linie Schleswig-Holstein-<lb/>
Sonderburg wieder gespalten hat. Heute sind davon nur die Glücksburger,<lb/>
jetzt Könige von Dänemark, und die Augusteuburger übrig geblieben. Die<lb/>
Augustenburger waren nicht wie die Gottorper regierende Landesherren und<lb/>
hatten bis zum Anfang des vorigen Jahrhunderts nur wenig Fühlung mit<lb/>
Deutschland. Daher erklärt es sich auch wohl, daß Herzog Christian August<lb/>
die Gräfin Luise von Dcmeskiöld-Samson heiraten konnte, obwohl deren Vater<lb/>
ein natürlicher Sohn des dänischen Königs Christian des Fünften gewesen<lb/>
war. Die Stammesvettern fühlten sich nicht veranlaßt, dagegen Einspruch zu<lb/>
erheben; sind doch in diesen Nebenlinien im Verlaufe von etwa hundertfünfzig<lb/>
Jahren nicht weniger als zwanzig Heiraten mit Damen aus dem niedern<lb/>
Adel vorgekommen. Auch der Großvater unsrer Kaiserin, der von 1848 her<lb/>
bekannte Augustenburger, hatte eine Gräfin Samson-Daneskiöld zur Frau.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0652] Unebenbürtige Fürstenehen in frühern Jahrhunderten Überhaupt haben von diesen vielen ungleichen Ehen für die cmhaltinische Geschichte und für die allgemeine Genealogie nur drei Bedeutung gehabt. Anneliese ist die Stammmutter der jetzigen Herzöge, und da ihr zweiter Sohn, der Nachfolger seines Vaters, sich mit der gleichnamigen Enkelin der Gisela Agnes von Rathen vermählte, lebt auch deren Nachkommenschaft im Dessauer Hause fort. Ebenso kamen auch die Söhne des Fräuleins von Zeutsch, nach¬ dem die Hauptlinie ausgestorben war, in Zerbst zur Regierung. Die einzige Tochter des Fürsten Christian August, Sophie Auguste, vom Vater Fiekchen genannt, bestieg als Katharina die Zweite den russischen Kaiserthron. Wenn Katharina ein einfaches adliches Fräulein zur Großmutter hatte, so konnte sich ihr Gemahl, der unglückliche Zar Peter der Dritte, noch viel weniger seiner großmütterlichen Herkunft rühmen. Denn seine Mutter, Anna Petrowna, war eine Tochter der ersten Katharina, der schwedischen Unter¬ offiziersfrau, die bei der Eroberung des Städtchens Marienburg als schönste Beute dem russischen General Scheremetjew in die Hände fiel, ihm aber bald von dem mächtigern Menschikow entrissen wurde, bis Peter der Große selbst an ihr so viel Gefallen fand, daß er sie erst zu seiner Geliebten, dann zu seiner Gemahlin machte und endlich sogar als Kaiserin krönen ließ. Der Herzog Karl Friedrich von Holstein-Gottorp hatte sich um die Zarentochter beworben, weil er von dem mächtigen Rußland Schutz gegen das übermütige Dänemark erhoffte. Die glänzende Stellung des Vaters glich wohl in seinen Augen die etwas zweifelhafte Vergangenheit der Mutter aus. Sonst ist gerade dieser gottorpische Zweig des alten Oldenburger Grafenhauses, der heute noch in Oldenburg und in Rußland regiert und von 1751 bis 1818 auch über Schweden herrschte, in seinen Heiratsverbindungen auch damals, als er noch nicht zu so hohen Ehren emporgestiegen war, immer recht anspruchsvoll gewesen. Unter den Stammesmüttern sind zwei dünische Königstöchter, eine schwedische, eine hessische und eine kursächsische Prinzessin vertreten. Nicht dasselbe kann man von den zahlreichen Nebenlinien sagen, in die sich die von dem Sohne König Christians des Dritten gestiftete Linie Schleswig-Holstein- Sonderburg wieder gespalten hat. Heute sind davon nur die Glücksburger, jetzt Könige von Dänemark, und die Augusteuburger übrig geblieben. Die Augustenburger waren nicht wie die Gottorper regierende Landesherren und hatten bis zum Anfang des vorigen Jahrhunderts nur wenig Fühlung mit Deutschland. Daher erklärt es sich auch wohl, daß Herzog Christian August die Gräfin Luise von Dcmeskiöld-Samson heiraten konnte, obwohl deren Vater ein natürlicher Sohn des dänischen Königs Christian des Fünften gewesen war. Die Stammesvettern fühlten sich nicht veranlaßt, dagegen Einspruch zu erheben; sind doch in diesen Nebenlinien im Verlaufe von etwa hundertfünfzig Jahren nicht weniger als zwanzig Heiraten mit Damen aus dem niedern Adel vorgekommen. Auch der Großvater unsrer Kaiserin, der von 1848 her bekannte Augustenburger, hatte eine Gräfin Samson-Daneskiöld zur Frau.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/652
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/652>, abgerufen am 23.07.2024.