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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Unebenbürtige Fürstenehen in frühern Jahrhunderten

von den Durlcichschen Stammesvettern übernommen worden war. Diese be¬
stritten jetzt seltsamerweise auch den verwaisten und unmündigen Kindern ihre
Ebenbürtigkeit; sie schienen ganz vergessen zu haben, daß auch ihre Gro߬
mutter nur ein adliches Fräulein gewesen war. Zwanzig Jahre vergingen,
der große Religionskrieg brach aus, Markgraf Georg Friedrich von Baden-
Durlach, ein leidenschaftlicher Vorkämpfer des Evangeliums und Parteigänger
des Winterkönigs, wurde bei Wimpfen von Tilly geschlagen, und drei Monate
später, im September 1622, erklärte sich der Reichshofrat plötzlich zugunsten
des Markgrafen Wilhelm. Der Katholizismus triumphierte auch hier. Der
päpstliche Nuntius Carasfa rühmte sich, daß er dazu beigetragen habe, den
katholisch erzogncn Söhnen Maria von Elters zu ihrem Rechte zu verhelfen.
Diese katholische Linie Baden-Baden, aus der der berühmte Türkenlouis hervor¬
ging, hat dann noch bis zum Jahre 1771 bestanden. Daß das heutige gro߬
herzogliche Haus außer Ursula von Rosenfeld auch noch die Freiin Luise
Karoline Geyer von Geyersberg, die zweite Gemahlin des edeln Karl Friedrichs,
zu seinen Stammmüttern zählt, und daß deren Söhne, die Markgrafen von
Hochberg, nach dem Wiener Kongreß von den Großmächten als erbberechtigt
anerkannt wurden, sei hier gleich erwähnt.

Nach dem Westfälischen Frieden werden die Fälle von unebenbürtiger
Ehen an den deutschen Fürstenhöfen häufiger, wenn sie selbstverständlich auch
noch immer zu den Ausnahmen gehören. Vielleicht war es das Selbstbewußt¬
sein des neuen fürstlichen Absolutismus, das sich über die Schranken des Her¬
kommens hinwegsetzte; gerade diesen starken und eigenwilligen Naturen mochte
es doppelt empfindlich sein, daß die Frauen, die sie liebten und zu sich empor¬
gehoben hatten, vor der Welt nicht die ihnen gebührenden Rechte genießen
sollten. Merkwürdig verschlungen sind die Pfade, die ein französisches Edel-
fräulein aus Poitou auf einen deutschen Herzogsthron führten.

Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg hatte seinem jüngern Bruder
Ernst August und dessen Gemahlin Sophie, der jüngsten Tochter des Winter¬
königs, mit der er selbst früher verlobt gewesen war, feierlich versprochen, sich
niemals standesgemäß zu verheiraten, sondern ihren Kindern seine Lande zu
vererben. Da ergriff den galanten Lebemann plötzlich eine leidenschaftliche
Neigung für die schöne Eleonore d'Olbreuse, die er am Hofe zu Kassel kennen
gelernt hatte. Doch diese Französin war keine Lavalliere und Montespan, sie
widerstand seinen ungestümen Werbungen, obwohl auch ihr Herz ihm entgegen-
schlug. Endlich nahm sich Ernst August der Sache des Bruders an; ihm und
seiner nicht minder klugen Gemahlin schien es höchst vorteilhaft, Georg Wilhelm
dauernd an Eleonore zu fesseln, denn so konnte er nicht in Versuchung kommen,
seinem gegebnen Wort untreu zu werden und eine andre standesgemäße Ver¬
bindung zu schließen. Eleonore wurde auf Schloß Iburg, wo Ernst August
und Sophie damals Hof hielten, zum Besuch eingeladen, und hier vollzog
sich ihr Geschick. Nach schweren innern Kämpfen gab sie sich dem Geliebten


Unebenbürtige Fürstenehen in frühern Jahrhunderten

von den Durlcichschen Stammesvettern übernommen worden war. Diese be¬
stritten jetzt seltsamerweise auch den verwaisten und unmündigen Kindern ihre
Ebenbürtigkeit; sie schienen ganz vergessen zu haben, daß auch ihre Gro߬
mutter nur ein adliches Fräulein gewesen war. Zwanzig Jahre vergingen,
der große Religionskrieg brach aus, Markgraf Georg Friedrich von Baden-
Durlach, ein leidenschaftlicher Vorkämpfer des Evangeliums und Parteigänger
des Winterkönigs, wurde bei Wimpfen von Tilly geschlagen, und drei Monate
später, im September 1622, erklärte sich der Reichshofrat plötzlich zugunsten
des Markgrafen Wilhelm. Der Katholizismus triumphierte auch hier. Der
päpstliche Nuntius Carasfa rühmte sich, daß er dazu beigetragen habe, den
katholisch erzogncn Söhnen Maria von Elters zu ihrem Rechte zu verhelfen.
Diese katholische Linie Baden-Baden, aus der der berühmte Türkenlouis hervor¬
ging, hat dann noch bis zum Jahre 1771 bestanden. Daß das heutige gro߬
herzogliche Haus außer Ursula von Rosenfeld auch noch die Freiin Luise
Karoline Geyer von Geyersberg, die zweite Gemahlin des edeln Karl Friedrichs,
zu seinen Stammmüttern zählt, und daß deren Söhne, die Markgrafen von
Hochberg, nach dem Wiener Kongreß von den Großmächten als erbberechtigt
anerkannt wurden, sei hier gleich erwähnt.

Nach dem Westfälischen Frieden werden die Fälle von unebenbürtiger
Ehen an den deutschen Fürstenhöfen häufiger, wenn sie selbstverständlich auch
noch immer zu den Ausnahmen gehören. Vielleicht war es das Selbstbewußt¬
sein des neuen fürstlichen Absolutismus, das sich über die Schranken des Her¬
kommens hinwegsetzte; gerade diesen starken und eigenwilligen Naturen mochte
es doppelt empfindlich sein, daß die Frauen, die sie liebten und zu sich empor¬
gehoben hatten, vor der Welt nicht die ihnen gebührenden Rechte genießen
sollten. Merkwürdig verschlungen sind die Pfade, die ein französisches Edel-
fräulein aus Poitou auf einen deutschen Herzogsthron führten.

Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg hatte seinem jüngern Bruder
Ernst August und dessen Gemahlin Sophie, der jüngsten Tochter des Winter¬
königs, mit der er selbst früher verlobt gewesen war, feierlich versprochen, sich
niemals standesgemäß zu verheiraten, sondern ihren Kindern seine Lande zu
vererben. Da ergriff den galanten Lebemann plötzlich eine leidenschaftliche
Neigung für die schöne Eleonore d'Olbreuse, die er am Hofe zu Kassel kennen
gelernt hatte. Doch diese Französin war keine Lavalliere und Montespan, sie
widerstand seinen ungestümen Werbungen, obwohl auch ihr Herz ihm entgegen-
schlug. Endlich nahm sich Ernst August der Sache des Bruders an; ihm und
seiner nicht minder klugen Gemahlin schien es höchst vorteilhaft, Georg Wilhelm
dauernd an Eleonore zu fesseln, denn so konnte er nicht in Versuchung kommen,
seinem gegebnen Wort untreu zu werden und eine andre standesgemäße Ver¬
bindung zu schließen. Eleonore wurde auf Schloß Iburg, wo Ernst August
und Sophie damals Hof hielten, zum Besuch eingeladen, und hier vollzog
sich ihr Geschick. Nach schweren innern Kämpfen gab sie sich dem Geliebten


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[0648] Unebenbürtige Fürstenehen in frühern Jahrhunderten von den Durlcichschen Stammesvettern übernommen worden war. Diese be¬ stritten jetzt seltsamerweise auch den verwaisten und unmündigen Kindern ihre Ebenbürtigkeit; sie schienen ganz vergessen zu haben, daß auch ihre Gro߬ mutter nur ein adliches Fräulein gewesen war. Zwanzig Jahre vergingen, der große Religionskrieg brach aus, Markgraf Georg Friedrich von Baden- Durlach, ein leidenschaftlicher Vorkämpfer des Evangeliums und Parteigänger des Winterkönigs, wurde bei Wimpfen von Tilly geschlagen, und drei Monate später, im September 1622, erklärte sich der Reichshofrat plötzlich zugunsten des Markgrafen Wilhelm. Der Katholizismus triumphierte auch hier. Der päpstliche Nuntius Carasfa rühmte sich, daß er dazu beigetragen habe, den katholisch erzogncn Söhnen Maria von Elters zu ihrem Rechte zu verhelfen. Diese katholische Linie Baden-Baden, aus der der berühmte Türkenlouis hervor¬ ging, hat dann noch bis zum Jahre 1771 bestanden. Daß das heutige gro߬ herzogliche Haus außer Ursula von Rosenfeld auch noch die Freiin Luise Karoline Geyer von Geyersberg, die zweite Gemahlin des edeln Karl Friedrichs, zu seinen Stammmüttern zählt, und daß deren Söhne, die Markgrafen von Hochberg, nach dem Wiener Kongreß von den Großmächten als erbberechtigt anerkannt wurden, sei hier gleich erwähnt. Nach dem Westfälischen Frieden werden die Fälle von unebenbürtiger Ehen an den deutschen Fürstenhöfen häufiger, wenn sie selbstverständlich auch noch immer zu den Ausnahmen gehören. Vielleicht war es das Selbstbewußt¬ sein des neuen fürstlichen Absolutismus, das sich über die Schranken des Her¬ kommens hinwegsetzte; gerade diesen starken und eigenwilligen Naturen mochte es doppelt empfindlich sein, daß die Frauen, die sie liebten und zu sich empor¬ gehoben hatten, vor der Welt nicht die ihnen gebührenden Rechte genießen sollten. Merkwürdig verschlungen sind die Pfade, die ein französisches Edel- fräulein aus Poitou auf einen deutschen Herzogsthron führten. Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg hatte seinem jüngern Bruder Ernst August und dessen Gemahlin Sophie, der jüngsten Tochter des Winter¬ königs, mit der er selbst früher verlobt gewesen war, feierlich versprochen, sich niemals standesgemäß zu verheiraten, sondern ihren Kindern seine Lande zu vererben. Da ergriff den galanten Lebemann plötzlich eine leidenschaftliche Neigung für die schöne Eleonore d'Olbreuse, die er am Hofe zu Kassel kennen gelernt hatte. Doch diese Französin war keine Lavalliere und Montespan, sie widerstand seinen ungestümen Werbungen, obwohl auch ihr Herz ihm entgegen- schlug. Endlich nahm sich Ernst August der Sache des Bruders an; ihm und seiner nicht minder klugen Gemahlin schien es höchst vorteilhaft, Georg Wilhelm dauernd an Eleonore zu fesseln, denn so konnte er nicht in Versuchung kommen, seinem gegebnen Wort untreu zu werden und eine andre standesgemäße Ver¬ bindung zu schließen. Eleonore wurde auf Schloß Iburg, wo Ernst August und Sophie damals Hof hielten, zum Besuch eingeladen, und hier vollzog sich ihr Geschick. Nach schweren innern Kämpfen gab sie sich dem Geliebten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/648>, abgerufen am 23.07.2024.