Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.Die Sperlinge auf dem Naschmarkt Kiu-waeien 5 8edllß<wsrx bestätigte, beiß das von ihm erfundne Mittel gegen das Ja, Eberhard Zinngräber war bescheiden. Die Schätze, die der eisenbeschlague Auch die Nachbarn in den Meßbuden hatten oft Gelegenheit, dem braven Die Sperlinge auf dem Naschmarkt Kiu-waeien 5 8edllß<wsrx bestätigte, beiß das von ihm erfundne Mittel gegen das Ja, Eberhard Zinngräber war bescheiden. Die Schätze, die der eisenbeschlague Auch die Nachbarn in den Meßbuden hatten oft Gelegenheit, dem braven <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0617" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301116"/> <fw type="header" place="top"> Die Sperlinge auf dem Naschmarkt</fw><lb/> <p xml:id="ID_2505" prev="#ID_2504"> Kiu-waeien 5 8edllß<wsrx bestätigte, beiß das von ihm erfundne Mittel gegen das<lb/> Laznrettfieber unfehlbar wirksam, aber wegen der Schwierigkeit seiner Zubereitung<lb/> zur allgemeinen Einführung in den kaiserlichen Feldspitälern leider viel zu kost¬<lb/> spielig sei. Und doch war dieses Mittel bei weitem noch nicht das kostbarste unter<lb/> den Mixturen und Pulvern des geheimnisvollen Kastens! Da gab es noch ganz<lb/> andre Dinge als Elixiere Wider die Gebrechen des menschlichen Leibes, Dinge, die<lb/> so merkwürdig in ihrer Wirkung waren, daß sie oller Logik und Erfahrung Hohn<lb/> zu sprechen schienen, die, wenn sie bekannt geworden wären, das ganze, seit Jahr¬<lb/> hunderten mühsam zuscnnmengetragne Gebäude der Naturwissenschaften über den<lb/> Haufen geworfen hätten. Aber der Alte hütete sich wohl, von seinen wunderbaren<lb/> Schätzen irgendeiner Menschenseele auch nur ein Wörtchen zu verraten. Es genügte<lb/> ihm zu wissen, daß Kräfte, von deren Vorhandensein im Reiche der Natur kein<lb/> andrer eine Ahnung hatte, ihm Untertan waren und jeden Augenblick zu seiner Ver¬<lb/> fügung standen, wenn er ihrer einmal bedürfen sollte, und dieses Bewußtsein war<lb/> ihm mehr wert als der Ruhm des erfolgreichen Entdeckers und die Bewunderung<lb/> der Welt. Was der bedürfnislose Mann, der keine Kinder oder ihm näherstehende<lb/> Verwandte zu haben schien, zum Lebensunterhalt gebrauchte, das floß ihm aus<lb/> seinem Geschäfte mehr als reichlich zu, warum hätte er also aus seiner Verborgen¬<lb/> heit hervortreten und seine kleine bescheidne Person der Neugier der zudringlichen<lb/> Menge preisgeben sollen?</p><lb/> <p xml:id="ID_2506"> Ja, Eberhard Zinngräber war bescheiden. Die Schätze, die der eisenbeschlague<lb/> Kasten barg, hatten den alten Mann nicht stolz und hvffärtig zu machen vermocht,<lb/> u»d das stille, freundliche Wesen, mit dem er jedem begegnete, schien keiner Ver¬<lb/> änderung fähig zu sein. Er drängte sich nie vor, aber wer sich in irgendeiner<lb/> Notlage vertrauensvoll an ihn wandte, der fand bei ihm Rat und Unterstützung.<lb/> Arme Leute, die seine Heilmittel nicht bezahlen konnten, erhielten ihr Teepaketchen<lb/> oder ihr Balsambüchschen umsonst und obendrein oft sogar noch einen blanken Taler,<lb/> und wer sich unter den Hilfsbedürftigen als ein erzgebirgischer Landsmann auszu¬<lb/> weisen vermochte, für deu sorgte der Alte so ausgiebig, daß er seine Hilfe gewöhn¬<lb/> lich nicht zum zweitenmal in Anspruch zu nehmen brauchte. So hatte er einem der<lb/> Chaisenträger, die uuter der Treppe der Börse, ganz in der Nähe von Zinngräbers<lb/> Bude, ihren Stand hatten, weil er ebenfalls aus Schneeberg stammte und seiner<lb/> kinderreichen Familie wegen auf keinen grünen Zweig kommen konnte, das Rezept<lb/> zu einem vortrefflichen Pflaster gegen das Reißen geschenkt und mit diesem Mittel,<lb/> das später Gemeingut der Zunft und unter der Bezeichnung „Chaisenträgerpflnster"<lb/> in ganz Sach en bekannt wurde, das Glück des Mannes begründet.</p><lb/> <p xml:id="ID_2507" next="#ID_2508"> Auch die Nachbarn in den Meßbuden hatten oft Gelegenheit, dem braven<lb/> Alten für seine uneigennützigen Dienste zu danken. Hatte jemand eine Münze<lb/> fremden Gepräges eingenommen, wie sie durch die vielen Ausländer. d,e Polen,<lb/> Russen. Türken und Griechen mitunter in den Verkehr gebracht wurden, so trug<lb/> ^ sie schleunigst zu Vater Zinngräber, der sie mit unerschütterlicher Gefälligkeit<lb/> einwechselte. Hatte einer einen Brief zu schreiben oder eine Eingabe an den hohen<lb/> Rat der Stadt zu machen, so war Vater Zinngräber sofort bereit, dieses schwierige<lb/> Geschäft zu erledigen, und ehe man sichs Versah, hielt man das Schriftstück fix und<lb/> fertig in Händen und brauchte nur noch die Unterschrift darunter zu setzen. Unter<lb/> diesen Umstände» verstand es sich von selbst, daß der Alte zu seiner nächsten Nach¬<lb/> barin, der Witwe Bunick, und deren Töchtern in einem besonders nahen, väterlich<lb/> freundschaftlichen Verhältnis stand. Nicht als ob die resolute Frau eines Schutzes<lb/> bedurft hätte! Aber erstens gibt es im Geschäftsleben eme Menge Dinge^ mit<lb/> denen ein Mann doch schneller und leichter fertig wird, und zweitens war Mutter</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0617]
Die Sperlinge auf dem Naschmarkt
Kiu-waeien 5 8edllß<wsrx bestätigte, beiß das von ihm erfundne Mittel gegen das
Laznrettfieber unfehlbar wirksam, aber wegen der Schwierigkeit seiner Zubereitung
zur allgemeinen Einführung in den kaiserlichen Feldspitälern leider viel zu kost¬
spielig sei. Und doch war dieses Mittel bei weitem noch nicht das kostbarste unter
den Mixturen und Pulvern des geheimnisvollen Kastens! Da gab es noch ganz
andre Dinge als Elixiere Wider die Gebrechen des menschlichen Leibes, Dinge, die
so merkwürdig in ihrer Wirkung waren, daß sie oller Logik und Erfahrung Hohn
zu sprechen schienen, die, wenn sie bekannt geworden wären, das ganze, seit Jahr¬
hunderten mühsam zuscnnmengetragne Gebäude der Naturwissenschaften über den
Haufen geworfen hätten. Aber der Alte hütete sich wohl, von seinen wunderbaren
Schätzen irgendeiner Menschenseele auch nur ein Wörtchen zu verraten. Es genügte
ihm zu wissen, daß Kräfte, von deren Vorhandensein im Reiche der Natur kein
andrer eine Ahnung hatte, ihm Untertan waren und jeden Augenblick zu seiner Ver¬
fügung standen, wenn er ihrer einmal bedürfen sollte, und dieses Bewußtsein war
ihm mehr wert als der Ruhm des erfolgreichen Entdeckers und die Bewunderung
der Welt. Was der bedürfnislose Mann, der keine Kinder oder ihm näherstehende
Verwandte zu haben schien, zum Lebensunterhalt gebrauchte, das floß ihm aus
seinem Geschäfte mehr als reichlich zu, warum hätte er also aus seiner Verborgen¬
heit hervortreten und seine kleine bescheidne Person der Neugier der zudringlichen
Menge preisgeben sollen?
Ja, Eberhard Zinngräber war bescheiden. Die Schätze, die der eisenbeschlague
Kasten barg, hatten den alten Mann nicht stolz und hvffärtig zu machen vermocht,
u»d das stille, freundliche Wesen, mit dem er jedem begegnete, schien keiner Ver¬
änderung fähig zu sein. Er drängte sich nie vor, aber wer sich in irgendeiner
Notlage vertrauensvoll an ihn wandte, der fand bei ihm Rat und Unterstützung.
Arme Leute, die seine Heilmittel nicht bezahlen konnten, erhielten ihr Teepaketchen
oder ihr Balsambüchschen umsonst und obendrein oft sogar noch einen blanken Taler,
und wer sich unter den Hilfsbedürftigen als ein erzgebirgischer Landsmann auszu¬
weisen vermochte, für deu sorgte der Alte so ausgiebig, daß er seine Hilfe gewöhn¬
lich nicht zum zweitenmal in Anspruch zu nehmen brauchte. So hatte er einem der
Chaisenträger, die uuter der Treppe der Börse, ganz in der Nähe von Zinngräbers
Bude, ihren Stand hatten, weil er ebenfalls aus Schneeberg stammte und seiner
kinderreichen Familie wegen auf keinen grünen Zweig kommen konnte, das Rezept
zu einem vortrefflichen Pflaster gegen das Reißen geschenkt und mit diesem Mittel,
das später Gemeingut der Zunft und unter der Bezeichnung „Chaisenträgerpflnster"
in ganz Sach en bekannt wurde, das Glück des Mannes begründet.
Auch die Nachbarn in den Meßbuden hatten oft Gelegenheit, dem braven
Alten für seine uneigennützigen Dienste zu danken. Hatte jemand eine Münze
fremden Gepräges eingenommen, wie sie durch die vielen Ausländer. d,e Polen,
Russen. Türken und Griechen mitunter in den Verkehr gebracht wurden, so trug
^ sie schleunigst zu Vater Zinngräber, der sie mit unerschütterlicher Gefälligkeit
einwechselte. Hatte einer einen Brief zu schreiben oder eine Eingabe an den hohen
Rat der Stadt zu machen, so war Vater Zinngräber sofort bereit, dieses schwierige
Geschäft zu erledigen, und ehe man sichs Versah, hielt man das Schriftstück fix und
fertig in Händen und brauchte nur noch die Unterschrift darunter zu setzen. Unter
diesen Umstände» verstand es sich von selbst, daß der Alte zu seiner nächsten Nach¬
barin, der Witwe Bunick, und deren Töchtern in einem besonders nahen, väterlich
freundschaftlichen Verhältnis stand. Nicht als ob die resolute Frau eines Schutzes
bedurft hätte! Aber erstens gibt es im Geschäftsleben eme Menge Dinge^ mit
denen ein Mann doch schneller und leichter fertig wird, und zweitens war Mutter
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