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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Dresdner Uünstlechefte

Unternehmer werden, und daß die Sozialdemokraten in ihren Blättern diese
Umwälzung als einen Kampf gegen das Kapital hoffnungsvoll begrüßen, zeigt
uns, von wie verschiednen Seiten sich eine Sache betrachten läßt.

Ehe es aber zum Ernst kommt, will auch noch die Komik ihr Recht
haben. Wenn sich schon das Ersindertum der männlichen Künstler an den Eti¬
ketten ganz unbedeutender Gegenstünde manchmal wie ein mißglückter Witz aus¬
nimmt, so jagt auf dem Gebiete der weiblichen Erfindung buchstäblich ein
Scherz den andern. Weibliche Handarbeiten können ja etwas sehr Schönes
sein, und viele von den hier ausgestellten waren alles Lobes wert. Warum
auch nicht? Die Frauen haben auf diesem echt weiblichen Gebiete früher Her¬
vorragendes geleistet, ohne Ausstellung und ohne Erfiuderehrgeiz; es wäre
traurig, wenn ihnen diese Fähigkeit abhanden gekommen wäre. Aber zum Um¬
fallen war das gerade nicht, was man diesmal gesehen hat, auch das Beste
nicht. Man sieht dergleichen jetzt überall auch außerhalb der Ausstellungen.
Und das der Menge nach überwiegende Mittelgut war andrerseits so kümmerlich
unbedeutend, so unindividuell und reizlos, daß man sich nur über das Selbst¬
vertrauen wundern konnte, das sich in den geforderten Preisen ausdrückte.
Zwanzig, dreißig, vierzig Mark für ein Deckchen oder ein winziges Kissen war
gar nichts, die wahrnehmbare Leistung bestand aus einigen durch den Stoff
gezognen Seidenfäden, und auf der Etikette stand feierlich zu lesen, daß Mia,
Lotti, Lula, Heini, oder in welcher modernen Namensverzerrung sonst sich die
Künstlern: gefallen mochte, dieses Kunstwerk "entworfen" habe. Eine bequeme
Erwerbsart jedenfalls. Die Kuh hätte ich fertig, sagte der Maler, jetzt fehlt
nur noch der Ochse, der sie mir abkauft. Ob der sich aber findet, und wie
es dabei manchmal zugehn kann, davon erzählte man sich in einem bestimmten
Falle folgendes. Eine junge Dame verbreitete in ihrem Kreise, sie Hütte für
die Entwürfe zu der Silberausstattung einer Kommerzienratstochter so viel be¬
kommen, daß sie Wohl ein Jahr davon leben könne. Das sei schon richtig,
sagte, als sie darauf angeredet wurde, Salome Goldstaub (die Verlobte eines
unsrer befähigtsten jüngern Diplomaten, der für einen wichtigen Auslands¬
posten designiert sein sollte, des Barons von Gimpel), aber, fügte sie erklärend
hinzu: Hcmsi Nichtsnutz, das war der Name der Künstlerin, sei ihre Pensions¬
freundin, und der habe sie etwas zu verdienen geben wollen. Sie selbst finde
die Sachen nicht einmal hübsch, und beim Hofjuwelier Elimeyer würde sie
jedenfalls besser und auch billiger dazu gekommen sein. Wieviel Wahres an
solchen Geschichten ist, weiß man ja nicht immer, aber man kann sich recht
wohl vorstellen, daß es so oder ähnlich oftmals zugehn mag, wenn sich die
"Entwürfe" unsrer Gewerbekünstlerinnen in Taten umsetzen.




Dresdner Uünstlechefte

Unternehmer werden, und daß die Sozialdemokraten in ihren Blättern diese
Umwälzung als einen Kampf gegen das Kapital hoffnungsvoll begrüßen, zeigt
uns, von wie verschiednen Seiten sich eine Sache betrachten läßt.

Ehe es aber zum Ernst kommt, will auch noch die Komik ihr Recht
haben. Wenn sich schon das Ersindertum der männlichen Künstler an den Eti¬
ketten ganz unbedeutender Gegenstünde manchmal wie ein mißglückter Witz aus¬
nimmt, so jagt auf dem Gebiete der weiblichen Erfindung buchstäblich ein
Scherz den andern. Weibliche Handarbeiten können ja etwas sehr Schönes
sein, und viele von den hier ausgestellten waren alles Lobes wert. Warum
auch nicht? Die Frauen haben auf diesem echt weiblichen Gebiete früher Her¬
vorragendes geleistet, ohne Ausstellung und ohne Erfiuderehrgeiz; es wäre
traurig, wenn ihnen diese Fähigkeit abhanden gekommen wäre. Aber zum Um¬
fallen war das gerade nicht, was man diesmal gesehen hat, auch das Beste
nicht. Man sieht dergleichen jetzt überall auch außerhalb der Ausstellungen.
Und das der Menge nach überwiegende Mittelgut war andrerseits so kümmerlich
unbedeutend, so unindividuell und reizlos, daß man sich nur über das Selbst¬
vertrauen wundern konnte, das sich in den geforderten Preisen ausdrückte.
Zwanzig, dreißig, vierzig Mark für ein Deckchen oder ein winziges Kissen war
gar nichts, die wahrnehmbare Leistung bestand aus einigen durch den Stoff
gezognen Seidenfäden, und auf der Etikette stand feierlich zu lesen, daß Mia,
Lotti, Lula, Heini, oder in welcher modernen Namensverzerrung sonst sich die
Künstlern: gefallen mochte, dieses Kunstwerk „entworfen" habe. Eine bequeme
Erwerbsart jedenfalls. Die Kuh hätte ich fertig, sagte der Maler, jetzt fehlt
nur noch der Ochse, der sie mir abkauft. Ob der sich aber findet, und wie
es dabei manchmal zugehn kann, davon erzählte man sich in einem bestimmten
Falle folgendes. Eine junge Dame verbreitete in ihrem Kreise, sie Hütte für
die Entwürfe zu der Silberausstattung einer Kommerzienratstochter so viel be¬
kommen, daß sie Wohl ein Jahr davon leben könne. Das sei schon richtig,
sagte, als sie darauf angeredet wurde, Salome Goldstaub (die Verlobte eines
unsrer befähigtsten jüngern Diplomaten, der für einen wichtigen Auslands¬
posten designiert sein sollte, des Barons von Gimpel), aber, fügte sie erklärend
hinzu: Hcmsi Nichtsnutz, das war der Name der Künstlerin, sei ihre Pensions¬
freundin, und der habe sie etwas zu verdienen geben wollen. Sie selbst finde
die Sachen nicht einmal hübsch, und beim Hofjuwelier Elimeyer würde sie
jedenfalls besser und auch billiger dazu gekommen sein. Wieviel Wahres an
solchen Geschichten ist, weiß man ja nicht immer, aber man kann sich recht
wohl vorstellen, daß es so oder ähnlich oftmals zugehn mag, wenn sich die
„Entwürfe" unsrer Gewerbekünstlerinnen in Taten umsetzen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/614>, abgerufen am 25.08.2024.