Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
L:istreis>ni

noch immer wenig Meinung, sich dem Irdischen wieder zuzuwenden, er hält
sich mit geringen Schwankungen in 2000 Meter Höhe. Weit nach Frankreich
hinein kämen wir auf keinen Fall mehr, so würden sich die im Auslande für
den Luftschiffer unvermeidlichen Schwierigkeiten nicht lohnen. Anders, wenn
wir an unsrer anfänglichen Absicht festgehalten hätten, die Fahrt nur zu zweien
zu unternehmen. Mit weitem fünf Säcken Ballast, die dem Gewicht eines
jeden von uns etwa entsprechen, hätten wir Aussicht, noch ein gutes Stück
unsrer Luftlinie nach Bordeaux zurückzulegen. Noch am nächsten Tage hielt
ja derselbe Nordost an nud führte einen Ballon des Oberrheinischen Vereins
für Luftschiffahrt von Straßburg nach Cognac, wo er angesichts des Golfes
von Biscaya landete. Von den zwei uns verblichnen Sandsäcken haben wir
seit mehr als zwei Stunden auch nicht ein Körnchen ausgegeben. Nach kurzer
Beratung beschließen wir also, an der nächsten günstig erscheinenden Stelle zu
landen. An die als Schluß so beliebte Buminelfahrt am Schlepptau ist in so
gebirgigein Gelände und bei so lebhaftem Winde nicht zu denken. Es wird
wohl eine etwas scharfe Landung geben. Der Korb ist klar gemacht, nur einer
der beiden Photographenapparate ist in Tätigkeit geblieben, und es gelingen
noch mehrere Aufnahmen.

Ein fttllhornartig gestalteter Waldstreifen, der sich von dem Saarbrückner
Forst abzweigt, trennt das höher liegende Dörfchen Scheidlerberg nnter uns von
dem tiefern Scheidt. Weiter im Norden wird die Gegend von Dudweiler sichtbar,
und vor uns im Westen windet sich durch grüne Auen die stattliche schiffbare
Saar, an deren Ufern sich im weitern Verlaufe die Schwesterstädte Se. Johann-
Saarbrücken und Burbnch-Maistatt zu einem großen Ganzen vereinigen.

Eine Wiese zwischen der Saar und dein Stiftswalde von Se. Umnak
wäre recht einladend zur Landung, dann aber müßten wir schon jetzt tief gehn
und stießen gerade auf die qualmenden Schlote der Halberger Hütte neben dem
Schlosse des verstorbnen Freiherrn von Stumm. So kreuzen wir den Fluß
ein wenig unterhalb einer Schleuse und eines Wehrs, senken uns auf den Stifts¬
wald hinab, der zwei durch ein kleines Tal geschiedne Hügel bedeckt. Das
Ende des Schlepptaus gleitet, immer länger werdend, ans den Bäumen dahin,
bei dem Taleinschnitt wird es ans wenig Augenblicke wieder frei und rauscht
denn fast in seiner ganzen Länge über den zweiten Hügel hinweg. Gegenüber
ist eine dritte, unbewaldete Anhöhe, ihre aufsteigende Seite müssen wir erreichen.
Ein letzter Zug am Ventil. Achtung, Klimmzug! Der Korb stößt knapp hinter
den letzten Bäumen heftig auf, nach kurzer, aber pfeilschneller Schleiffahrt kommt
er auf einer abgemähten Wiese zu liegen, die Leinen lang ausgezogen auf einem
acht Meter breiten Streifen Fruchtfeldes, die aufgerissene Ballonhülle, kreisrund
flach ausgebreitet, auf einem höher liegenden Sturzäcker. Flurschaden ist dnrch
uns wenigstens nicht angerichtet worden, das bleibt den von allen Seiten
herbeilaufenden Landleuten überlassen. Wir selbst liegen, brav durcheinander
geschüttelt und wohlbehalten, auf der innern Schleifseite des Korbes. Eine


L:istreis>ni

noch immer wenig Meinung, sich dem Irdischen wieder zuzuwenden, er hält
sich mit geringen Schwankungen in 2000 Meter Höhe. Weit nach Frankreich
hinein kämen wir auf keinen Fall mehr, so würden sich die im Auslande für
den Luftschiffer unvermeidlichen Schwierigkeiten nicht lohnen. Anders, wenn
wir an unsrer anfänglichen Absicht festgehalten hätten, die Fahrt nur zu zweien
zu unternehmen. Mit weitem fünf Säcken Ballast, die dem Gewicht eines
jeden von uns etwa entsprechen, hätten wir Aussicht, noch ein gutes Stück
unsrer Luftlinie nach Bordeaux zurückzulegen. Noch am nächsten Tage hielt
ja derselbe Nordost an nud führte einen Ballon des Oberrheinischen Vereins
für Luftschiffahrt von Straßburg nach Cognac, wo er angesichts des Golfes
von Biscaya landete. Von den zwei uns verblichnen Sandsäcken haben wir
seit mehr als zwei Stunden auch nicht ein Körnchen ausgegeben. Nach kurzer
Beratung beschließen wir also, an der nächsten günstig erscheinenden Stelle zu
landen. An die als Schluß so beliebte Buminelfahrt am Schlepptau ist in so
gebirgigein Gelände und bei so lebhaftem Winde nicht zu denken. Es wird
wohl eine etwas scharfe Landung geben. Der Korb ist klar gemacht, nur einer
der beiden Photographenapparate ist in Tätigkeit geblieben, und es gelingen
noch mehrere Aufnahmen.

Ein fttllhornartig gestalteter Waldstreifen, der sich von dem Saarbrückner
Forst abzweigt, trennt das höher liegende Dörfchen Scheidlerberg nnter uns von
dem tiefern Scheidt. Weiter im Norden wird die Gegend von Dudweiler sichtbar,
und vor uns im Westen windet sich durch grüne Auen die stattliche schiffbare
Saar, an deren Ufern sich im weitern Verlaufe die Schwesterstädte Se. Johann-
Saarbrücken und Burbnch-Maistatt zu einem großen Ganzen vereinigen.

Eine Wiese zwischen der Saar und dein Stiftswalde von Se. Umnak
wäre recht einladend zur Landung, dann aber müßten wir schon jetzt tief gehn
und stießen gerade auf die qualmenden Schlote der Halberger Hütte neben dem
Schlosse des verstorbnen Freiherrn von Stumm. So kreuzen wir den Fluß
ein wenig unterhalb einer Schleuse und eines Wehrs, senken uns auf den Stifts¬
wald hinab, der zwei durch ein kleines Tal geschiedne Hügel bedeckt. Das
Ende des Schlepptaus gleitet, immer länger werdend, ans den Bäumen dahin,
bei dem Taleinschnitt wird es ans wenig Augenblicke wieder frei und rauscht
denn fast in seiner ganzen Länge über den zweiten Hügel hinweg. Gegenüber
ist eine dritte, unbewaldete Anhöhe, ihre aufsteigende Seite müssen wir erreichen.
Ein letzter Zug am Ventil. Achtung, Klimmzug! Der Korb stößt knapp hinter
den letzten Bäumen heftig auf, nach kurzer, aber pfeilschneller Schleiffahrt kommt
er auf einer abgemähten Wiese zu liegen, die Leinen lang ausgezogen auf einem
acht Meter breiten Streifen Fruchtfeldes, die aufgerissene Ballonhülle, kreisrund
flach ausgebreitet, auf einem höher liegenden Sturzäcker. Flurschaden ist dnrch
uns wenigstens nicht angerichtet worden, das bleibt den von allen Seiten
herbeilaufenden Landleuten überlassen. Wir selbst liegen, brav durcheinander
geschüttelt und wohlbehalten, auf der innern Schleifseite des Korbes. Eine


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0058" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300557"/>
          <fw type="header" place="top"> L:istreis&gt;ni</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_139" prev="#ID_138"> noch immer wenig Meinung, sich dem Irdischen wieder zuzuwenden, er hält<lb/>
sich mit geringen Schwankungen in 2000 Meter Höhe. Weit nach Frankreich<lb/>
hinein kämen wir auf keinen Fall mehr, so würden sich die im Auslande für<lb/>
den Luftschiffer unvermeidlichen Schwierigkeiten nicht lohnen. Anders, wenn<lb/>
wir an unsrer anfänglichen Absicht festgehalten hätten, die Fahrt nur zu zweien<lb/>
zu unternehmen. Mit weitem fünf Säcken Ballast, die dem Gewicht eines<lb/>
jeden von uns etwa entsprechen, hätten wir Aussicht, noch ein gutes Stück<lb/>
unsrer Luftlinie nach Bordeaux zurückzulegen. Noch am nächsten Tage hielt<lb/>
ja derselbe Nordost an nud führte einen Ballon des Oberrheinischen Vereins<lb/>
für Luftschiffahrt von Straßburg nach Cognac, wo er angesichts des Golfes<lb/>
von Biscaya landete. Von den zwei uns verblichnen Sandsäcken haben wir<lb/>
seit mehr als zwei Stunden auch nicht ein Körnchen ausgegeben. Nach kurzer<lb/>
Beratung beschließen wir also, an der nächsten günstig erscheinenden Stelle zu<lb/>
landen. An die als Schluß so beliebte Buminelfahrt am Schlepptau ist in so<lb/>
gebirgigein Gelände und bei so lebhaftem Winde nicht zu denken. Es wird<lb/>
wohl eine etwas scharfe Landung geben. Der Korb ist klar gemacht, nur einer<lb/>
der beiden Photographenapparate ist in Tätigkeit geblieben, und es gelingen<lb/>
noch mehrere Aufnahmen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_140"> Ein fttllhornartig gestalteter Waldstreifen, der sich von dem Saarbrückner<lb/>
Forst abzweigt, trennt das höher liegende Dörfchen Scheidlerberg nnter uns von<lb/>
dem tiefern Scheidt. Weiter im Norden wird die Gegend von Dudweiler sichtbar,<lb/>
und vor uns im Westen windet sich durch grüne Auen die stattliche schiffbare<lb/>
Saar, an deren Ufern sich im weitern Verlaufe die Schwesterstädte Se. Johann-<lb/>
Saarbrücken und Burbnch-Maistatt zu einem großen Ganzen vereinigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_141" next="#ID_142"> Eine Wiese zwischen der Saar und dein Stiftswalde von Se. Umnak<lb/>
wäre recht einladend zur Landung, dann aber müßten wir schon jetzt tief gehn<lb/>
und stießen gerade auf die qualmenden Schlote der Halberger Hütte neben dem<lb/>
Schlosse des verstorbnen Freiherrn von Stumm. So kreuzen wir den Fluß<lb/>
ein wenig unterhalb einer Schleuse und eines Wehrs, senken uns auf den Stifts¬<lb/>
wald hinab, der zwei durch ein kleines Tal geschiedne Hügel bedeckt. Das<lb/>
Ende des Schlepptaus gleitet, immer länger werdend, ans den Bäumen dahin,<lb/>
bei dem Taleinschnitt wird es ans wenig Augenblicke wieder frei und rauscht<lb/>
denn fast in seiner ganzen Länge über den zweiten Hügel hinweg. Gegenüber<lb/>
ist eine dritte, unbewaldete Anhöhe, ihre aufsteigende Seite müssen wir erreichen.<lb/>
Ein letzter Zug am Ventil. Achtung, Klimmzug! Der Korb stößt knapp hinter<lb/>
den letzten Bäumen heftig auf, nach kurzer, aber pfeilschneller Schleiffahrt kommt<lb/>
er auf einer abgemähten Wiese zu liegen, die Leinen lang ausgezogen auf einem<lb/>
acht Meter breiten Streifen Fruchtfeldes, die aufgerissene Ballonhülle, kreisrund<lb/>
flach ausgebreitet, auf einem höher liegenden Sturzäcker. Flurschaden ist dnrch<lb/>
uns wenigstens nicht angerichtet worden, das bleibt den von allen Seiten<lb/>
herbeilaufenden Landleuten überlassen. Wir selbst liegen, brav durcheinander<lb/>
geschüttelt und wohlbehalten, auf der innern Schleifseite des Korbes. Eine</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0058] L:istreis>ni noch immer wenig Meinung, sich dem Irdischen wieder zuzuwenden, er hält sich mit geringen Schwankungen in 2000 Meter Höhe. Weit nach Frankreich hinein kämen wir auf keinen Fall mehr, so würden sich die im Auslande für den Luftschiffer unvermeidlichen Schwierigkeiten nicht lohnen. Anders, wenn wir an unsrer anfänglichen Absicht festgehalten hätten, die Fahrt nur zu zweien zu unternehmen. Mit weitem fünf Säcken Ballast, die dem Gewicht eines jeden von uns etwa entsprechen, hätten wir Aussicht, noch ein gutes Stück unsrer Luftlinie nach Bordeaux zurückzulegen. Noch am nächsten Tage hielt ja derselbe Nordost an nud führte einen Ballon des Oberrheinischen Vereins für Luftschiffahrt von Straßburg nach Cognac, wo er angesichts des Golfes von Biscaya landete. Von den zwei uns verblichnen Sandsäcken haben wir seit mehr als zwei Stunden auch nicht ein Körnchen ausgegeben. Nach kurzer Beratung beschließen wir also, an der nächsten günstig erscheinenden Stelle zu landen. An die als Schluß so beliebte Buminelfahrt am Schlepptau ist in so gebirgigein Gelände und bei so lebhaftem Winde nicht zu denken. Es wird wohl eine etwas scharfe Landung geben. Der Korb ist klar gemacht, nur einer der beiden Photographenapparate ist in Tätigkeit geblieben, und es gelingen noch mehrere Aufnahmen. Ein fttllhornartig gestalteter Waldstreifen, der sich von dem Saarbrückner Forst abzweigt, trennt das höher liegende Dörfchen Scheidlerberg nnter uns von dem tiefern Scheidt. Weiter im Norden wird die Gegend von Dudweiler sichtbar, und vor uns im Westen windet sich durch grüne Auen die stattliche schiffbare Saar, an deren Ufern sich im weitern Verlaufe die Schwesterstädte Se. Johann- Saarbrücken und Burbnch-Maistatt zu einem großen Ganzen vereinigen. Eine Wiese zwischen der Saar und dein Stiftswalde von Se. Umnak wäre recht einladend zur Landung, dann aber müßten wir schon jetzt tief gehn und stießen gerade auf die qualmenden Schlote der Halberger Hütte neben dem Schlosse des verstorbnen Freiherrn von Stumm. So kreuzen wir den Fluß ein wenig unterhalb einer Schleuse und eines Wehrs, senken uns auf den Stifts¬ wald hinab, der zwei durch ein kleines Tal geschiedne Hügel bedeckt. Das Ende des Schlepptaus gleitet, immer länger werdend, ans den Bäumen dahin, bei dem Taleinschnitt wird es ans wenig Augenblicke wieder frei und rauscht denn fast in seiner ganzen Länge über den zweiten Hügel hinweg. Gegenüber ist eine dritte, unbewaldete Anhöhe, ihre aufsteigende Seite müssen wir erreichen. Ein letzter Zug am Ventil. Achtung, Klimmzug! Der Korb stößt knapp hinter den letzten Bäumen heftig auf, nach kurzer, aber pfeilschneller Schleiffahrt kommt er auf einer abgemähten Wiese zu liegen, die Leinen lang ausgezogen auf einem acht Meter breiten Streifen Fruchtfeldes, die aufgerissene Ballonhülle, kreisrund flach ausgebreitet, auf einem höher liegenden Sturzäcker. Flurschaden ist dnrch uns wenigstens nicht angerichtet worden, das bleibt den von allen Seiten herbeilaufenden Landleuten überlassen. Wir selbst liegen, brav durcheinander geschüttelt und wohlbehalten, auf der innern Schleifseite des Korbes. Eine

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/58
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/58>, abgerufen am 23.07.2024.